Inhaltshinweise: Inzest, sexueller Missbrauch.
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Deutscher Titel: Outback – Tödliche Jagd · Regie: Jonathan N. Dixon · Drehbuch: Jonathan N. Dixon · Musik: Guntis Sics · Kamera: Paul J. Warren · Schnitt: John Binstead · Produktion: Mystery Road Pictures, Wrath Productions.
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C’era una volta in Australia: Die Fotografin Caroline (Rebecca Ratcliff) unternimmt mit ihrem Partner Matt (Corey Page) eine Autotour durch New South Wales. Streitgespräche zwischen den beiden (Caroline will ein Kind, Matt ist dagegen) deuten an, dass die Reise ein Versuch ist, eine scheiternde Beziehung zu kitten. Die Tatsache, dass Matts Bogan-Kumpels Erik (William Emmons) und Javier (Xabier Fernandez) bei der Tour mit dabei sind, hilft zudem nicht gerade, Carolines Stimmung aufzubessern. Ich kann’s nachvollziehen.
Doch all das wird nur kurz angerissen, da erscheint auch schon Leah (Stef Dawson), eine blutüberströmte junge Frau. Sie wird gejagt von einem Mann (Rod Ramsay) in Akubra-Hut und Driza-Bone-Mantel, der charakteristischen Kleidung des australischen Buschs. Der Mann, der sich bald als ihr Vater herausstellt, schießt aus dem Hinterhalt auf alle, die Leah um Hilfe ersucht. So tötet er nacheinander zwei Autofahrer, einen Tankwart (Damien Prokop) und einen Streifenpolizisten (Gary Stubbings). Leah schnappt sich den Dienstrevolver des Cops und springt zu Caroline, Matt, Erik und Javier ins Auto. Sie führt die vier zu der heruntergekommenen Farm ihrer Familie, wo sie bereits von Leahs kaum weniger schießwütigen Brüdern Max (Charlie Falkner) und Will (Michael Windeyer) erwartet werden. Leider stellt sich der Revolver als ungeladen heraus ...
2005 erschien mit Wolf Creek ein australischer Beitrag zum Revival des Backwoods-Slasherfilms.¹ Gleichzeitig begann mit The Proposition (2005) und Red Hill (2010) eine seither nicht abgebrochene Reihe von Oz-Western mit Thriller- und Drama-Elementen. Da brauchte es nur einen findigen Kopf mit einem Drehbuch und ein wenig Kleingeld, um beide Genres miteinander zu kombinieren.
Der findige Kopf hieß, wie sich herausstellte, Jonathan Neil Dixon und legte mit Wrath sein Regie-Debüt vor. Dabei orientierte er sich nicht nur an Backwoods-Klassikern wie The Texas Chain Saw Massacre und The Hills Have Eyes, sondern auch an Filmen des Rape-and-Revenge-Subgenres wie The Last House on the Left. Die Neuerung liegt darin, dass der Killer in Wrath nicht mit Axt, Küchenmesser oder Kettensäge herumfuchtelt, sondern systematisch Jagd auf seine Opfer macht und sie als Scharfschütze aus dem Hinterhalt erledigt. Die entsprechenden Szenen sind angemessen nervenaufreibend ins Bild gesetzt und sorgen tatsächlich für Spannung.
Andere Aspekte des Films lassen dagegen zu wünschen übrig. Die zu Beginn angedeuteten Konflikte unter Caroline, Matt, Erik und Javier spielen plötzlich keine Rolle mehr, als die Gruppe Leah begegnet. Von diesem Moment an lässt der Film sich keine Zeit mehr für Charakterisierung. Seine Figuren wirken dadurch alle ziemlich eindimensional, ihr Verhalten stellenweise kaum noch nachvollziehbar. Natürlich gehört es zu den Konventionen des Slasherfilms, dass seine Charaktere sich durch panisches und kopfloses Verhalten auszeichnen. Aber in Wrath ist insbesondere das Benehmen von Matt und Erik geradezu hirnrissig. Bei einem Film, der gerade keine Genre-Parodie sein will, wirkt das eher seltsam.
Auch Leahs Fall finde ich ziemlich irritierend. Sie ist auf der Flucht vor ihrem mordgierigen Vater, aber Caroline, Matt & Co. werden von ihr geradewegs zur Farm ihrer Familie geführt. Warum? Weil sie sich rächen will? Dann hätte sie unterwegs doch wenigstens mal nachsehen sollen, ob der Revolver, den sie an sich genommen hat, überhaupt geladen ist. So hat man zeitweilig den Eindruck, dass Leah gar nicht wirklich auf der Flucht ist, sondern als Lockvogel ihrem Vater neue Opfer zuführen will. Am Ende weiß man, dass es Dixons Absicht ist, Leahs Beweggründe bis zum Finale des Films im Dunkeln zu lassen. Das ist als Erzählweise völlig legitim, aber man hätte es trotzdem geschickter machen können.
Vollends konfus wird es, wenn es um Leahs Brüder geht. Die helfen ihrem Vater, dem Familienpatriarchen, bei seinem blutigen Werk. Der eine wirkt dabei hasserfüllt und verbissen, der andere eher ängstlich und zögerlich, was natürlich für Streit sorgt. Aber man erfährt nie die Gründe dafür. Es bleibt offen, wie die beiden so wurden, wie sie sind. Mich überrascht, dass der Regisseur und Autor nicht auf die naheliegende Lösung kam, die Backstory der mörderischen Sippe in Form von ein paar wohlplatzierten Flashbacks zu erzählen. Der Italowestern-Einfluss auf seinen Film ist offensichtlich. Von Filmen wie Für ein paar Dollar mehr müsste Dixon eigentlich gelernt haben, wie man gerade durch Rückblenden die Spannung erhalten kann, ohne die Zuschauer*innen völlig unwissend zu lassen.
Es mag den Anschein haben, dass ich auf diesem Film in unangemessener Weise herumprügele, aber: Auch auf der stilistischen Ebene finde ich Wrath in mancher Hinsicht anstrengend. Zum einen baut Dixon ständig visuelle Anspielungen auf Horror- oder Thrillerklassiker wie Duel, Don’t Look Now und The Texas Chain Saw Massacre in seinen Streifen ein, immer mit Seitenblick auf das Publikum, was die Sache zu einem wenig subtilen »Na, habt ihr’s erkannt?« geraten lässt. Zum anderen ist da die Filmmusik. Auf critic.de bemerkt Michael Fleig, dass darin »immer wieder Elemente eines klassischen Italo-Western-Score aufklingen«. Das ist sehr freundlich ausgedrückt, denn Tatsache ist, dass in der Musik von Wrath immer wieder der Score eines ganz bestimmten Italowesterns aufklingt, auf fast schon aufdringlich zu nennende Weise. Ich sage nur: Mundharmonika und E-Gitarre.
Es ist ein bisschen schade. Hätte Dixon sich stärker auf auf Plotting, Charakterisierung und Sympathielenkung konzentriert – Wrath hätte bei mir vermutlich einen deutlich besseren Eindruck hinterlassen.
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¹ Zu diesem ›Revival‹, das vor allem aus uninspirierten Remakes bestand, trug Wolf Creek immerhin ein wenig Originalität bei.
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