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1. Dezember 2025

Spagvemberfest 2025

»Fists, Beans and Bullets Galore!«

 
 
  1. Massacro al Grande Canyon (1964) von Sergio Corbucci
  2. Perché uccidi ancora (1965) von José Antonio de la Loma
  3. Black Killer (1971) von Carlo Croccolo
  4. Il ritorno di Zanna Bianca (1974) von Lucio Fulci
  5. Matalo! (1970) von Cesare Canevari
  6. Navajo Joe (1966) von Sergio Corbucci
  7. Little Rita nel West (1967) von Ferdinando Baldi
  8. Vivi o preferibilmente morti (1969) von Duccio Tessari
  9. L’ultimo killer (1967) von Giuseppe Vari
  10. Un uomo, un cavallo, una pistola (1967) von Luigi Vanzi
  11. Lo straniero di silenzio (1968) von Luigi Vanzi
  12. Duello nel Texas (1963) von Ricardo Blasco
  13. La banda J. & S. – Cronaca criminale del Far West (1972) von Sergio Corbucci
  14. Il ritorno di Ringo (1965) von Duccio Tessari
  15. Tre pistole contro Cesare (1967) von Enzo Peri
  16. Vado ... l’ammazzo e torno (1967) von Enzo G. Castellari
  17. L’odio è il mio Dio (1969) von Claudio Gora
  18. Sella d’argento (1978) von Lucio Fulci
  19. Adios Gringo (1965) von Giorgio Stegani
  20. Django 2 – Il grande ritorno (1987) von Nello Rossati
  21. Requiescant (1967) von Carlo Lizzani
  22. Faccia a faccia (1967) von Sergio Sollima

Spagvemberfest 2024

16. November 2025

Black Killer (1971)

Inhaltshinweis: Sexuelle Gewalt.

* * *

Regie: Carlo Croccolo · Drehbuch: Luigi Angelo, Carlo Veo · Musik: Daniele Patucchi · Kamera: Franco Villa · Schnitt: Luigi Castaldi · Produktion: Virginia Cinematografica.

* * *

Carlo Croccolo war seines Zeichens Schauspieler. Wer im Jahr 1971 auf die Idee gekommen ist, ihn bei zwei Filmen Regie führen zu lassen, entzieht sich meiner Kenntnis. Im Fall von Black Killer lässt sich das Resultat seiner Regietätigkeit in etwa mit einem Jess-Franco-Flick vergleichen. Tatsächlich macht Croccolo es genau wie Franco, setzt seine Frau in Nacktszenen ein und castet sich selbst als zauselige Nebenfigur.¹ Kenner*innen werden aber einige entscheidende Unterschiede auffallen: Bei Croccolo fehlen der Jazz-Soundtrack und die häufigen Kamera-Zooms. Auch sind seine Nacktszenen erheblich kürzer und es wird viel mehr geredet.

Tombstone wird von den fünf Brüdern O’Hara terrorisiert, als da sind: Ramón »Chico« O’Hara (Antonio Cantafora), Pedro O’Hara (Enzo Pulcrano), Miguel O’Hara (Calogero Caruana), Ryan O’Hara (Roberto Danesi) und Slide O’Hara (Mimmo Maggio). Die einzelnen Mitglieder dieser irisch-mexikanischen Brüderschar sind nicht leicht auseinander zu halten, denn sie tragen allesamt schlechtsitzende Perücken und eine obszöne Menge Bräunungscreme im Gesicht. Drei von ihnen stechen aber doch hervor: Da ist zunächst Ramón alias Chico, der sich den Saloon der Stadt unter den Nagel gerissen hat und in seiner Freizeit die frühere Wirtin Consuelo (Tiziana Dini) belästigt. Auch zwei seiner Brüder sind relativ leicht zu erkennen, denn sie tragen statt Sombreros Stirnbänder und sind in bonbonbunte Charro-Anzüge (einer grün, einer rot) gekleidet.

Während die O’Haras ihre Herrschaft über Stadt und Umland immer weiter ausdehnen, trifft ein geheimnisvoller Fremder in Tombstone ein: James Webb (Klaus Kinski) schleppt einen Haufen Gesetzbücher mit sich herum, doch er behauptet, dass er in Tombstone nur Urlaub machen und sich keineswegs als praktizierender Anwalt niederlassen will. Nicht lange darauf reitet mit Burt Collins (Fred Robsahm) ein zweiter geheimnisvoller Fremder in die Stadt ein. Weil Burt mit ein paar goons der O’Haras kurzen Prozess macht, überredet Webb ihn, der neue Sheriff von Tombstone zu werden. Burt verspricht, mit den O’Haras aufzuräumen, und wird von Richter Wilson (Dante Maggio) eingeschworen.

An dieser Stelle muss den Drehbuchautoren aufgefallen sein, dass erst eine halbe Stunde Film vergangen ist, es also zu früh wäre, es jetzt schon zum Showdown kommen zu lassen. Burt reitet deshalb zu seinem Bruder Peter (Gerardo Rossi), der mit seiner indigenen Frau Sarah (Marina Rabissi) in einer Hütte außerhalb der Stadt lebt. Der nun folgende Dialog hört sich an, als sei er morgens vor Drehbeginn von einem unzureichend ausgenüchterten Filmstudenten geschrieben worden. Burt: »Seit dem Tod unserer Mutter ist mir keine Frau mehr über den Weg gelaufen, die mich verstanden hat.«

Leider sind die O’Haras nicht bereit, auf diesen candid moment unter Brüdern Rücksicht zu nehmen. Sie umzingeln die Hütte, erschießen Peter, prügeln Burt bis zur Besinnungslosigkeit und vergewaltigen Sarah. Am Ende stecken sie die Hütte mit Burt und Sarah darin in Brand.

Natürlich können die beiden sich aus den Flammen retten, und Burt will es nun ernsthaft mit den O’Haras aufnehmen. Auch Sarah will Vergeltung und beginnt, mit Pfeil und Bogen Jagd auf die bandidos zu machen. Kommt es also jetzt zum Showdown? Nein, denn es ist immer noch zu wenig Filmzeit vergangen. Gelegenheiten zur Konfrontation gibt es zwar genug, aber Burt versemmelt es ein ums andere Mal – obwohl die O’Haras als Gegner ihrerseits auch nicht sonderlich kompetent wirken.

Zum Glück gibt es da ja noch den anderen, den ersten geheimnisvollen Fremden in Tombstone, den Anwalt James Webb. Ich vermute, für ihn sah das Drehbuch zunächst eine recht begrenzte Rolle vor: Er sollte erstens Burt überreden, sich den Blechstern anstecken zu lassen; Burt zweitens hin und wieder zur Seite stehen (verborgen in seinen Gesetzbüchern führt er ein ganzes Arsenal von Pistolen mit sich); drittens dem zwielichtigen Richter Wilson das Handwerk legen. Aber da ist ja immer noch das leidige Problem, dass man den Film auf anderthalb Stunden Länge bringen muss. Deshalb gibt es zahlreiche Aufnahmen von Kinski als Webb, die reines Füllmaterial darstellen: Webb sitzt in seinem Hotelzimmer und fingert an seinen Pistolen herum. Webb führt redundante Gespräche mit Richter Wilson. Webb guckt aus dem Fenster, schaut hinter Vorhänge und späht durch geöffnete Türen. Und immer so weiter.

Obwohl Webb den ganzen Film über eher wenig zu tun hat, avanciert er am Ende sogar zur Titelfigur. Ich vermute jedenfalls, dass der Name Black Killer sich auf Webb bezieht, der einen schwarzen Advokatenanzug trägt. Dass Burt als Protagonist nicht sonderlich viel hermacht, ist ja auch nicht zu übersehen. Somit hat dieser Film einen Protagonisten, der nichts taugt, und einen Pseudo-Protagonisten, der eigentlich keiner sein sollte. Wie es dazu kam? Das werden sich die Beteiligten im Nachhinein auch gefragt haben.

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¹ Croccolo spielt einen Deputy. Schon in Freddy und das Lied der Prärie war er als ständig alkoholisierter Sheriff zu sehen.

3. November 2025

Perché uccidi ancora (1965)

Deutscher Titel: Jetzt sprechen die Pistolen · Regie: José Antonio de la Loma · Drehbuch: Edoardo Mulargia, Vincenzo Musolino · Musik: Felice Di Stefano · Kamera: Vitaliano Natalucci · Schnitt: Enzo Alabiso · Produktion: Atomo Films, Producciones Cinematográficas Balcázar.

* * *

López (José Calvo) sitzt im Rollstuhl, seit sein Erzfeind Donald McDougall (Armando Guarnieri) ihm eine Schussverletzung beibrachte. Nun hat López ihn in seine Gewalt gebracht. McDougall wird an einen Baum gebunden, dann geben López, sein Sohn Manuel (Hugo Blanco) und fünfzehn muchachos nacheinander einen Schuss auf ihn ab. Am Ende hängt McDougall von siebzehn Kugeln durchsiebt in seinen Fesseln.

McDougalls Sohn Steve (Anthony Steffen) ist bei der Kavallerie. Als er von den Ereignissen erfährt, desertiert er und kehrt in seine Heimatstadt zurück. Am Grab seines Vaters lauern ihm drei López-Männer auf, doch Steve schießt sie nieder. Im Haus der McDougalls leben noch seine Schwester Judy (Ida Galli) und Onkel Andy (ebenfalls Armando Guarnieri). Manuel López greift mit weiteren Männern das Haus an. Steve gelingt es, sie mit Andys Hilfe zurückzuschlagen. Später legt Steve Manuel auf offener Straße um und wirft dem älteren López den Leichnam seines Sohnes vor die Haustür. Er fordert López auf, innerhalb von zwei Tagen die Stadt zu verlassen.

López denkt gar nicht daran, sondern engagiert einen berüchtigten Killer, Gringo (Aldo Berti), der es mit Steve aufnehmen soll. Der trifft zunächst auf Gringos prahlerischen Bruder (Pasquale Simeoli), provoziert ihn zu einem Duell und erschießt ihn. López, der Boss eines Waffenschmuggelrings ist, schickt unterdessen einen Transport Gewehre in Richtung mexikanische Grenze los. Hier begeht Steve einen Fehler. Statt nach Hause zu gehen, hält er sich außerhalb der Stadt versteckt und überfällt den Waffentransport. Unterdessen dringt Gringo in das Haus der McDougalls ein, tötet Onkel Andy und nimmt Judy als Geisel.

Judy wird ins López-Anwesen verschleppt und von Gringo misshandelt. Steve muss wohl oder übel in die Stadt zurückkehren. Allerdings ist während seiner Abwesenheit ein Trupp Kavallerie unter Leutnant Driscoll (Willi Colombini) eingetroffen, der nach dem Deserteur sucht. Auch López ist längst nicht mehr Herr der Lage. In seinem Haus hat Gringo das Kommando übernommen, der seinerseits Rache für den Tod seines Bruders will ...

Perché uccidi ancora ist die erste Zusammenarbeit von Edoardo Mulargia und Vincenzo Musolino (bis 1967 sollten drei weitere folgen). Bei diesem Film verfassten Mulargia und Musolino gemeinsam das Drehbuch. Letzterer fungierte zusätzlich als Produzent. Außerdem heißt es, dass José Antonio de la Loma nur dem Namen nach Regisseur war, während tatsächlich Mulargia sich um die Regie kümmerte.

Sonderlich raffiniert waren Mulargias und Musolinos Filme weder in diesem Fall noch später, eher roh und einfach gehalten, aber bei Perché uccidi ancora fällt eines besonders auf – wie sehr darin alles auf das Wesentliche reduziert ist. Ausnahmslos alles dreht sich um die Feindschaft der Häuser López und McDougall, nach deren Gründen (außer rhetorisch im Titel) nicht gefragt wird. Es gibt keine erklärenden Flashbacks. Auch aus den Dialogen erfährt man nichts darüber, wie es eigentlich zu der Fehde kam. López, das ist klar, ist Waffenschmuggler. Aber McDougall? War er auch kriminell, oder ist er López auf anderen Wegen in die Quere gekommen? War er ursprünglich Angreifer oder Verteidiger? Man weiß es nicht, und es spielt letztlich auch keine Rolle.

Statt dessen konzentriert die Handlung sich ganz auf die gegenwärtige Spirale der Gewalt. Auf jede Aggression der einen Seite folgt sofort eine noch härtere Reaktion der anderen Seite, eine pausenlos sich steigernde Eskalation. Selbst die Kavallerie kann nichts dagegen tun. Am Ende, als alles vorbei ist, bleibt ihr nur die Aufgabe, Steve einzusammeln und zurück zu seinem Stützpunkt zu bringen. Dort erwartet ihn vermutlich ein Kriegsgericht. Oft heißt es, im italienischen Western ginge es allen nur um ihren eigenen Vorteil. In diesem Film ist es genau umgekehrt: Niemand zieht irgendeinen Gewinn aus dem blutigen Schlamassel.

Es gibt nur zwei Subplots. Da ist einmal Pilar (Gemma Cuervo), die Tochter von López. Sie liebt Steve und will ihn bewegen, auf Vergeltung zu verzichten. Er weist sie mit barschen Worten zurück. Steve ist eine Art Michael-Corleone-Figur. Schließlich ist er beim Militär und könnte diese Position nutzen, um seine Familiengeschichte hinter sich zu lassen. Aber der Tod seines Vaters lässt ihn sofort nach Hause eilen, wo er sich in einen Blutrausch hineinsteigert, der selbst die sadistische Hinrichtung, die den Film eröffnet, noch in den Schatten stellt. Und Pilar muss sich (ähnlich wie Kay Corleone) fragen, ob nicht Steve am meisten von allen Beteiligten zu fürchten ist.

Der andere Subplot betrifft Rojo (Pedro Sanchez), einen von López’ henchmen. Bei dem Mord an McDougall macht er nur zögerlich mit – aber er macht mit. Dennoch wird er von López als Feigling beschimpft. Später wird seine Haltung entschiedener. Er und Pilar sind die einzigen Figuren, die aktiv versuchen, den Kreislauf der Vergeltung zu unterbrechen. Rojo ist nur eine wenig entwickelte Nebenfigur, aber doch eine interessante frühe Rolle für Pedro Sanchez, der hier ausnahmsweise mal nicht den Clown geben muss.

Perché uccidi ancora hat einige unübersehbare Mängel. Es gibt mit dem Totengräber Sam (Franco Pesce) und seinem phlegmatischen Gehilfen (Franco Latini) zwei genretypische ›lustige‹ stock characters. Die hängen natürlich in praktisch jedem Italowesternstädtchen im Hintergrund herum und sind mal mehr, mal weniger unterhaltsam. Aber weil dieser Film sich sonst in jeder Hinsicht auf seine zentrale Handlung konzentriert (auf Rache folgt Gegenrache und wieder Rache), stören sie hier doch sehr. Irritierend ist auch Judy McDougall, die fast den gesamten Film über wie die personifizierte schluchzende Hilflosigkeit agiert. Zuletzt ist Anthony Steffen zu erwähnen, der seine Sache hier zwar ganz gut macht, aber eben im Rahmen seiner Fähigkeiten. Ich glaube, der Film hätte von einem Hauptdarsteller, der der Kamera mehr bietet als den einen Gesichtsausdruck, den man von Steffen kennt, enorm profitieren können.

Doch auch so ist Perché uccidi ancora, indem er Rache eher als Sucht denn als heroisches oder zynisch-cooles Unterfangen darstellt, ein interessanter, teils faszinierender Genre-Beitrag.

30. Mai 2025

Starblack (1966)

Deutscher Titel: Django – Schwarzer Gott des Todes · Regie: Giovanni Grimaldi · Drehbuch: Giovanni Grimaldi · Musik: Benedetto Ghiglia · Kamera: Guglielmo Mancori · Schnitt: Roberto Perpignani · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

⁕ ⁕ ⁕

Betrachtet man den Spaghetti-Western nur von seiner kanonischen Seite, etwa von Leone, Corbucci und Valerii her, dann lässt sich leicht übersehen, dass es im italienischen Kino immer auch eine Leidenschaft für maskierte Helden à la Zorro gab. Ausgestattet mit nachtblauer Strumpfmaske und einem überraschend vielseitigen Waffenarsenal (u.a. Wurfmesser, Bolas und zwei Revolver), ist Starblack so ein Held. Über die Leinwand ritt er ausgerechnet 1966, zur Blütezeit des Italowesterns. Nicht gerade die Kinosaison, in der man eine Figur erwarten würde, die geradewegs einem alten B-Western oder Serial entsprungen zu sein scheint. Allerdings: Wer bei Starblack harmlose Späße erwartet, mit Geheimgängen und akrobatischen Zweikämpfen auf dem Dachfirst, wird die eine oder andere Überraschung erleben.¹ Aber dazu später mehr.

Johnny Blyth (Robert Woods), Sohn eines wohlhabenden Minenbesitzers, kehrt nach Jahren der Abwesenheit in sein Heimatstädtchen in New Mexico zurück und findet die Dinge sehr verändert vor. Sein Vater Raphael ist tot, seine Mutter Martha (Jane Tilden) hat Johnnys Onkel, den Friedensrichter Harold King (Harald Wolff), geheiratet.² Johnny will die Erklärung, dass sein Vater durch einen unglücklichen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen sei, nicht glauben. Er öffnet das Grab des Vaters, entnimmt den Totenschädel und entdeckt, dass eine Kugel im Schädelknochen steckt. Sofort verdächtigt er Onkel Harold, seinen Vater ermordet zu haben.³

In der Stadt geht die Angst um. Der Saloonbesitzer und Bankier Curry (Franco Lantieri) treibt die ansässigen Farmer in die Schuldenfalle. Wer nicht zahlen kann, bekommt einen Besuch von Currys Pistoleros und ist sein Land los – und manchmal sein Leben. Vom Sheriff (Andrea Scotti) ist keine Hilfe zu erwarten. Der Gesetzeshüter mit dem Fu-Manchu-Bart tut alles, was Curry ihm sagt. Ein besonderes Interesse hegt Curry an Farmer Williams (Eugenio Galadini), der seine Zeit am liebsten am Spieltisch im Saloon verbringt. Curry hat es nämlich auf dessen Tochter Caroline (Elga Andersen) abgesehen. Die hasst Curry jedoch und liebt einen Mann, dessen Gesicht sie noch nie gesehen hat: Starblack.

Der maskierte Rächer ist die einzige Hoffnung der geplagten Bevölkerung. Wie aus dem Nichts taucht er auf seinem weißen Pferd auf und macht einen henchman nach dem anderen kalt. Dabei geht er ziemlich rabiat vor: Einmal nagelt er die Hände eines Pistoleros mit Wurfmessern fest. Einem anderen schießt er aus nächster Nähe eine Revolverkugel in die Stirn und eine weitere in die Wange. Solche (für die sechziger Jahre sehr expliziten) Gewaltdarstellungen gibt es in Starblack immer wieder. Sie bilden einen so grellen Kontrast zu den Swashbuckler- und B-Western-Einflüssen des Films, dass man unwillkürlich lachen muss.

Es wird niemanden allzu sehr überraschen, wenn ich verrate, dass Johnny Blyth Starblack ist. Ebenso wenig, dass Onkel Harold mit Bankier Curry unter einer Decke steckt und Johnnys Vater ermordet hat. Im Film vermutet allerdings kaum jemand, dass Johnny sich hinter der Strumpfmaske des Rächers verbirgt. Die Bewohner*innen der Stadt nennen ihn Little Blyth und spotten über seine Vorliebe für die Annehmlichkeiten des Lebens: Er trägt gern Seidenhalstücher und bestickte Morgenmäntel, verbringt seine Zeit mit Singen und Gitarrenspiel. Folgerichtig darf Darsteller Robert Woods den Titelsong croonen und wiederholt diese Darbietung später in einer Szene des Films. (Letzteres hätte er aber besser gelassen, denn man sieht etwas zu deutlich, dass Woods nur so tut, als könne er Gitarre spielen.)

Gedreht wurde in Slowenien und Italien, weshalb die darin gezeigten Landschaften dezidiert nicht wie der Südwesten der USA aussehen. Auch das trägt dazu bei, Starblack zu einem campy Filmerlebnis der eigenen Art zu machen: Während die Kamera auf üppige grüne Wälder draufhält, reden die Figuren davon, sich in New Mexico zu befinden. Übrigens hat man beim Schauen des Films den Eindruck, dass die Schauspieler*innen bei den Dreharbeiten ihren Spaß hatten. Möglicherweise war ihnen die Ironie ihres Tuns ja bewusst – jedenfalls kann ich mir schwer vorstellen, dass der Cast mit einer allzu ernsthaften Einstellung an Starblack mitwirkte.

Oder doch? Nur wenige Jahre zuvor war der Peplum das dominante Genre der italienischen Filmindustrie und zeichnete sich durch eine ganz ähnliche Naivität aus, die uns heute zwar ironisch vorkommt, es zu ihrer Zeit aber vielleicht gar nicht war. Was auch immer sich Regisseur/Auteur Gianni Grimaldi und Produzent Paolo Moffa bei Starblack gedacht haben (oder auch nicht gedacht haben), das Ergebnis ist einfach äußerst unterhaltsam. Zum einen liegt das an der überzogenen Gewaltdarstellung, die Starblack in der BRD eine Freigabe ab 18 einbrachte.

Zum anderen ist da der queere Subtext des Films. Starblack alias Johnny ist in ständiger Begleitung seines Freundes Jop (Renato Rossini), der sich als gehörlos ausgibt, um Starblacks Feind*innen besser belauschen zu können. Das ist eine Anspielung auf Zorro, dessen Diener Bernardo ebenfalls den Gehörlosen mimt.⁴ Es wird deshalb häufig angenommen, dass Jop Johnnys Diener sein muss – ist er aber nicht. Im Haus der Kings sitzt er beim Essen mit am Tisch, was einem Dienstboten wohl nicht erlaubt würde. Und, wie in einer Szene eindeutig zu sehen ist, er teilt sich mit Johnny ein Schlafzimmer.

Als am Ende alle Schurk*innen erledigt sind und Caroline endlich weiß, dass Little Blyth kein anderer als Starblack ist, gönnt er ihr wenigstens ein »Ich liebe dich auch« (was man ihm nicht recht glaubt), worauf sie ihn mit einem »Dann nimm mich mit« anfleht. »Wo ich hingehe, ist kein Platz für eine Frau«, erwidert Johnny (was man ihm sofort glaubt), während Jop wissend lacht. Die letzte Einstellung des Films spricht dann für sich: Dicht an dicht nebeneinander reiten Johnny und Jop davon, während Caroline ihnen enttäuscht nachschaut.

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¹ Aber ein Geheimgang kommt schon auch vor. Was sein muss, muss sein.

² Das wirft Fragen ganz eigener Art auf: Wenn Johnny mit Nachnamen Blyth heißt, müsste sein Onkel väterlicherseits ebenfalls Blyth und nicht King heißen. Hat Martha etwa ihren Bruder geheiratet? Hoffen wir einfach, dass Harold King ein Halbbruder von Raphael Blyth ist ...

³ Ich habe keine Ahnung, ob die Hamlet-Anspielungen versehentlich oder mit voller Absicht in diesen Film gelangt sind.

⁴ In Johnston McCulleys Curse of Capistrano (1919) ist Bernardo tatsächlich gehörlos. Die Idee, dass er nur so tut, als könne er nicht hören, wurde meines Wissens durch die Disney-Serie Zorro (1957–59) eingebracht.

17. Mai 2025

Mi chiamavano Requiescat ... ma avevano sbagliato (1973)

Deutscher Titel: Sing mir das Lied der Rache · Regie: Mario Bianchi · Drehbuch: Alberto Cardone, Eduardo Manzanos, Vittorio Salerno · Musik: Gianni Ferrio · Kamera: Emilio Foriscot · Schnitt: Giancarlo Venarucci · Produktion: Copercines.

⁕ ⁕ ⁕

Kurz nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs: Ein Trupp marodierender Südstaatler unter dem Befehl von Machedo (William Berger) überfällt ein Fort der Unionstruppen und tötet die gesamte Besatzung. Captain Madison (Alan Steel), der während des Überfalls auf Patrouille war, nehmen sie gefangen, demütigen ihn und zerschießen ihm die rechte Hand. Dann lassen sie ihn halbtot liegen und reiten davon.

Madison wird von Swan (Celine Bessy), einer indigenen Frau, wieder aufgepäppelt. Als schwarzgekleideter Rächer heftet er sich an die Fersen von Machedos Bande. Allerdings ist Madisons Hand zu beschädigt, um noch einen Revolver halten zu können. Zum Glück kennt er aus seiner Armeezeit den exzentrischen Büchsenschmied Smart (Paco Sanz), der sich des Problems annimmt und eine spezielle Prothese für Madison anfertigt.

Machedo und seine Soldateska ziehen unterdessen mordend und brandschatzend durch die Lande. Als sie eine Bank ausrauben, sieht Madison seine Gelegenheit gekommen. Er jagt den Südstaatlern die Beute ab und begibt sich mit ihr als Köder in eine Geisterstadt. Gemeinsam mit Swan bereitet er einen Hinterhalt vor, um endgültig Rache zu nehmen.

1973, als sich in staubigen frontier towns die Trinity-Klone tummelten, drehte Mario Bianchi diesen Western mit harter Rache-Story, als wolle er dem Zeitgeist trotzen. Allerdings wird in Mi chiamavano Requiescat auf ziemlich ausgetretenen Pfaden Rache geübt. Fast alles in diesem Film hat man schon mal gesehen: Die Konföderierten, die auch nach der Niederlage des Südens das Rauben und Morden nicht sein lassen können. Der komische Alte, der dem Helden zur Seite steht. Und natürlich der schweigsame Protagonist mit der unheilbar verletzten Schusshand. Neu (und zeitgeisty) ist, dass es eine Sexszene gibt.¹

Hauptdarsteller Alan Steel (eigentlich Sergio Ciani) war einer der wenigen gebürtigen Italiener, der regelmäßig als muskelbepackter Held in Sandalenfilmen zu sehen war.² Nach dem jähen Ende, den das Peplum-Genre Mitte der sechziger Jahre nahm, musste Steel sich andere Betätigungsfelder suchen. Obwohl Mi chiamavano Requiescat nicht sein einziger Western-Auftritt ist, hat es stark den Anschein, als würde er mit seiner Rolle fremdeln. In seiner schwarzen Rächerkluft scheint es ihm unbehaglich zu sein. Er wirkt etwas verloren. William Berger spielt dagegen den Chef-Psychopathen der konföderierten Marodeure gewohnt routiniert.

Abstoßend ist die Gewaltdarstellung in diesem Film. Die entspricht nicht den hochstilisierten Gewaltausbrüchen, wie sie für italienische Western charakteristisch sind (und sehr geschätzt werden), sondern ist pure, sado-homoerotische Exploitation, und zwar billig und brutal, ohne transgressive Qualitäten. Äußerst unangenehm anzusehen.

So gibt es leider wenig Gutes über diesen Streifen zu sagen – und was es gibt, relativiert sich oft wieder. Der finale Shootout in der Geisterstadt ist recht gekonnt inszeniert, viele andere Sequenzen leiden aber neben ihrem Exploitation-Charakter auch an dem homöopathisch dosierten Budget, das der Produktion zur Verfügung stand. Ganz interessant ist jedoch der jazzige Soundtrack.

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¹ Dies ist der letzte von drei Western, bei denen Mario Bianchi Regie führte. Danach wandte er sich dem Sexploitation-Film und anderen Genres zu.

² Viele Peplum-Stars waren aus den USA importierte Bodybuilder.

24. Februar 2025

Tutti per uno ... botte per tutti (1973)

Deutscher Titel: Alle für einen, Prügel für alle · Regie: Bruno Corbucci · Drehbuch: Peter Berling, Tito Carpi, Bruno Corbucci, Leonardo Martino · Musik: Carlo Rustichelli · Kamera: Rafael Pacheco · Schnitt: Vincenzo Tomassi · Produktion: Capitolina Produzioni Cinematografiche, Dieter Geissler Filmproduktion, Star Films.

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Dart (Giancarlo Prete) will in die Fußstapfen seines Vaters (Pietro Tordi) treten und Texas Ranger werden. Bevor er aufbricht, veranstaltet sein Heimatörtchen Cheese Valley ein Abschiedsfest, das in einer großen Schlägerei endet. Unterwegs kehrt Dart in einem Saloon-Hotel ein, in dem er mit einem gewissen Mendoza verwechselt wird, sehr zum späteren Missvergnügen des echten Mendoza (José Canalejas). Aufgrund der Verwechslung macht Dart die Bekanntschaft von Leduc (Eduardo Fajardo), einem schwerreichen Bankier aus New Orleans. Der will einem mexikanischen Caudillo im Austausch gegen geschäftliche Vorteile eine größere Menge Gold zuschanzen und wartet deshalb auf den Emissär des Caudillos, den besagten Mendoza.

Als nächstes trifft Dart auf McAthos (George Eastman), Portland (Cris Huerta) und Aramirez (Leo Anchóriz), drei geschasste Texas Ranger, die ihm berichten, dass aufgrund des bei den Rangern herrschenden Austeritätskurses leider keine Chancen auf eine Anstellung bestehen. Dart hat aber auch schon eine neue Idee. Er will der Ärztin Alice Ferguson (Karin Schubert) Geleitschutz geben, die eine Wagenladung Impfstoff nach San Fermín in Mexiko bringen soll. Die humanitäre Aktion ist aber nur ein Vorwand: Versteckt in einem doppelten Boden transportiert der Wagen das von Leduc gelieferte Gold. Auch McAthos, Portland und Aramirez spekulieren, dass der Wagen nicht nur Impfdosen geladen hat, und wanzen sich ebenfalls an Dr. Ferguson ran.

Natürlich erleben die Fünf auf ihrem Weg eine Reihe von Abenteuern mit stetig ansteigendem Albernheitsgrad, und natürlich führen diese Abenteuer immer wieder zu ausführlichen Prügeleien. So begegnen sie einer Bande in Felle gekleideter Outlaws, die mit Hilfe von Sprungstäben durch die Gegend hüpfen,¹ und kommen in ein von chinesischen Auswander*innen gegründetes Dorf, in dem Dart ungeahnte Fähigkeiten als Kung-Fu-Kämpfer entwickelt. Am Ende treffen sie auf einen Wanderzirkus, dessen deutscher Direktor Baron von Horn (Max Turilli) wie eine Cartoon-Version Erich von Stroheims aussieht.

Das Konzept, Die drei Musketiere als Prügelwestern nachzuerzählen, hat bei mir gewisse Erwartungen geweckt. Denn zumindest hätte die Orientierung an Dumas’ Mantel-und-Degen-Klassiker dem Film das verschafft, was den meisten Vertretern seines Subgenres von vornherein abgeht: einen Plot. Leider gerät das Konzept schnell in Vergessenheit. Bis etwa zu dem Zeitpunkt, als Dart auf Dr. Ferguson trifft, wird auf gar nicht mal so ungeschickte Weise etabliert, dass Dart natürlich D’Artagnan entspricht, Mendoza für Rochefort steht und Leduc für Richelieu. (Das Trio McAthos, Portland und Aramirez erklärt sich ohnehin selbst.) Aber leider hört es an dieser Stelle auch schon wieder auf. Dr. Ferguson ist keine Lady de Winter, und die Handlung löst sich in eine Reihe von Gaga-Episoden auf, wie sie für das Subgenre typisch sind.

Schauspielerisch sieht es auch nicht besser aus. Giancarlo Prete ist bemerkenswert unlustig, obwohl (oder weil) er in seiner Latzhose fast so clownhaft aussieht wie die später auftretende Zirkusmannschaft. George Eastman nuckelt ständig an einer Limonadenflasche und wirkt dadurch wie ein zwei Meter großer Achtjähriger. Cris Huerta versucht sich als billiger Bud-Spencer-Ersatz, der alle fünf Minuten nach einer Mahlzeit verlangt. Karin Schubert und Eduardo Fajardo geben sich durchaus Mühe, haben aber keine Chance, gegen den geballten Unsinn des Drehbuchs (so es denn eines gab) anzukommen.

Erstaunlich ist, dass für den Film in mancher Hinsicht durchaus Aufwand betrieben wurde. Die Kulissen und Drehorte wurden meinem Eindruck nach mit mehr Sorgfalt ausgesucht, als es für Produktionen dieser Art üblich war. Und für die Episode, die in dem chinesischen Dorf spielt, wurden die hauptsächlichen Mitglieder des Casts sogar nach Taiwan ausgeflogen. Mir scheint, dass Bruno Corbucci und seinem Team für Tutti per uno gar nicht mal wenig Geld zugesteckt wurde. Leider hat er es für eine Aneinanderreihung von visuellen Flachwitzen verprasst. Man hätte es sinnvoller nutzen können, um die Idee »drei Musketiere im Wilden Westen« wenigstens konsequent durchzuspielen. Das hätte nicht unbedingt einen gelungenen, aber vielleicht einen interessanten Film ergeben.

Andererseits gilt bei italienischen Westernkomödien das Prinzip: Schlimmer geht’s immer. Brunos Bruder Sergio bewies das zwei Jahre später auf schlagende Weise mit Il bianco, il giallo, il nero. Ganz so tief sinkt dieses Filmchen hier dann doch nicht.

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¹ Sonderlich überzeugend ist das nicht dargestellt, denn mehr als ein paar ungelenke Hopser bekommt man nicht zu sehen.

18. Dezember 2024

All’ultimo sangue (1968)

Deutscher Titel: Den Geiern zum Fraß · Regie: Paolo Moffa · Drehbuch: Enzo Dell’Aquila · Musik: Nico Fidenco · Kamera: Franco Villa · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

⁕ ⁕ ⁕

Paolo Moffa war hauptberuflich Filmproduzent. Mit seiner Firma S.A.C. verschaffte er einer Anzahl Italowestern die Finanzierung. 1968 brauchte er offenbar seinerseits dringend Geld und beschloss daher, selbst bei einem Western Regie zu führen – oder zumindest so zu tun, als führte er Regie.

Billy the Gun (Giovanni Cianfriglia) und seine Bande überfallen den Geldtransport einer Bank. Dann nehmen die Gangster die Identität der Bankangestellten an und rauben der US-Kavallerie eine größere Menge Gold. Die Army möchte ihre Peseten zurück haben und beauftragt Captain Clive Norton (Craig Hill) mit der Verfolgung von Billy & Co. Norton stellt nur eine Bedingung: Er will Ted Hunter, genannt El Chaleco (Ettore Manni), als Begleiter. Der hat mit Billy nämlich noch ein Hühnchen zu rupfen. Chaleco soll allerdings als Deserteur gehängt werden. Mit dem stillschweigenden Einverständnis seines vorgesetzten Offiziers (Luciano Doria) rettet Norton Chaleco vor dem Galgen und reitet mit ihm davon. Es folgt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden, das deutlich von Tucos und Blondies Durchquerung der Wüste in The Good, the Bad and the Ugly, ähem, ›inspiriert‹ ist. Als Norton endlich verrät, was das Ziel ihrer Unternehmung ist, erklärt sich Chaleco sofort bereit, ihn auf der Suche nach Billy zu unterstützen. Preisfrage: Warum hat Norton ihm das nicht einfach gleich gesagt?

Billy the Gun und seine Kumpane vertreiben sich unterdessen die Zeit damit, einen armen peón und seine Frau zu quälen. Norton und Chaleco werden aufgehalten, weil sie dem mexikanischen Outlaw Cordero (Francesco Santovetti) und seinen Jungs in die Hände fallen. Cordero lässt die beiden Helden der Army gefesselt und nur in ihre Union Suits gekleidet am Boden anpflocken. Zwischen ihnen stellt er eine Schale Milch auf, um Giftschlangen anzulocken. Im letzten Moment werden sie von zwei des Weges daherkommenden Fremden gerettet, denen sie Kleidung und Pferde stehlen, um Cordero nachzureiten. Wieder eine von einem Vorbild ›inspirierte‹ Szene – diesmal sind es zwei Episoden aus La resa dei conti, die miteinander kombiniert werden.

Angekommen in Corderos Heimatort San Pablito, vereinbaren Norton und Chaleco mit den Mexikanern einen Deal. Sie sollen ihnen gegen Billy beistehen und dafür einen Teil des Schatzes bekommen. Billy & Co. haben sich in einem alten Bergwerk versteckt. Von dort aus wollen sie zu geeigneter Zeit über die Grenze nach Mexiko fliehen. Chaleco schleicht sich ins Bergwerk und vermint es mit Dynamit. Dann klärt er Billy und seine Freundin Consuelo (José Greci) über die Situation auf: Gleich geht der Stollen in die Luft, und Cordero steht mit seinen Leuten zum Angriff bereit. Billy zögert nicht lang. Er lässt seine Bande im Stich und schafft mit Consuelo und Chaleco das Gold aus dem Bergwerk.

Draußen fordert Chaleco Billy zum Duell auf. Mittlerweile hat sich herausgestellt: Billy und Chaleco sind Brüder. Consuelo ist mit Chaleco verheiratet. Billy hat ihr weisgemacht, Chaleco sei tot, und sie gezwungen, mit ihm zu kommen. Chaleco und Billy liefern sich einen Zweikampf mit Messern, doch der verräterische Billy (der ja nicht grundlos »the Gun« heißt) schnappt sich einen Revolver und legt auf Chaleco an ...

Als erstes fällt an diesem Flick auf, dass er nicht nur einzelne Szenen aus verschiedenen Genre-Klassikern imitiert, Moffa bedient sich anderer Filme auch noch auf viel direktere Weise: Die Szene mit dem Überfall auf den Banktransport zu Beginn stammt aus Starblack. Der Raub des Army-Goldes gleich darauf ist aus Per il gusto di uccidere. Später kommt noch Material aus 4 dollari di vendetta hinzu. Es ist Footage aus anderen Filmen, mit dem Moffa sein eigenes Machwerk großzügig auspolstert. Durch die sehr unterschiedlichen Landschaften, in denen das jeweilige Material fotografiert wurde, fällt der Schwindel sofort ins Auge.

Der Plot ist bietet kaum Überraschungen: Alle sind hinter dem Gold her, es gibt wechselnde Allianzen, eine mexikanische Bande reitet immer mal wieder in die Handlung hinein und wieder hinaus, Rache kommt natürlich auch vor. Im ganzen Film treten nur zwei Frauen auf, die beide vom Hauptschurken Billy erschossen werden. Noch vorhersehbarer wird die Sache dadurch, dass es immer wieder (in diesem Fall von Moffa selbst gedrehte) Szenen gibt, in denen Norton und Chaleco durch die Gegend reiten und darüber reden, was sie als nächstes tun werden. Mit Hilfe dieses Füllmaterials schafft es Moffa, den Film auf fast 100 Minuten auszuwalzen. Die Handlung hätte allerdings auch in der Hälfte der Laufzeit bequem Platz gefunden.

Angesichts der dreisten Klauerei, der generischen Story und der problematischen weiblichen Rollen ist es nicht verwunderlich, dass All’ultimo sangue regelmäßig mit Spott und Ablehnung bedacht wird. Aber der Vollständigkeit halber muss gesagt werden: Es ist kein komplett misslungener Film. Hin und wieder weist er unerwartete Momente auf, die für sich genommen recht vielversprechend sind. Dazu gehört der Spaghetti-untypisch mit dem Messer ausgetragene Zweikampf zwischen Chaleco und Billy. Dazu gehört, wie sich die Rolle des Protagonisten im Laufe des Films in unerwarteter, aber folgerichtiger Weise von Craig Hill auf Ettore Manni verlagert. Und auch, dass der völlig unbekannte Darsteller Francesco Santovetti mit seinen hageren Gesichtszügen als mexikanischer Bandit ein gar nicht so schlechtes Bild abgibt.¹ Zudem ist die Musik von Nico Fidenco besser, als sie eigentlich sein dürfte.

Für mich folgt daraus, dass Moffa sich besser mal ein*e Regisseur*in gesucht hätte, statt sich diese Position selbst anzumaßen. Jemand mit der nötigen Erfahrung hätte die Geschichte packender erzählen können, und hätte hoffentlich gewusst, dass Frauen in Filmen keine Staffage sind, sondern Schauspielerinnen, die es verdient haben, eine Rolle zu spielen. Und die peinliche Sache mit dem geklauten Footage hätte sich dann vielleicht auch erledigt. Insofern: schade eigentlich.

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¹ Dass der stock character des mexikanischen Bandenchefs hier Cordero heißt, ist für sich genommen auch recht lustig (el cordero = das Lamm).

1. Dezember 2024

Spagvemberfest 2024

»30 Coffins Won’t Be Enough«

  1. Una pistola per Ringo (1965) von Duccio Tessari
  2. Ringo del Nebraska (1966) von Antonio Román
  3. I giorni della violenza (1967) von Alfonso Brescia
  4. Su le mani, cadavere! Sei in arresto (1971) von León Klimovsky
  5. La resa dei conti (1967) von Sergio Sollima
  6. Il mercenario (1968) von Sergio Corbucci
  7. Dio perdona ... io no! (1967) von Giuseppe Colizzi
  8. Zorro (1975) von Duccio Tessari
  9. Ringo – Il volto della vendetta (1967) von Mario Caiano

Spagvemberfest 2025

18. November 2024

I giorni della violenza (1967)

Deutscher Titel: Sein Wechselgeld ist Blei · Regie: Alfonso Brescia · Drehbuch: Mario Amendola, Antonio Boccacci, Gian Luigi Buzzi, Paolo Lombardo · Musik: Bruno Nicolai · Kamera: Fausto Rossi · Schnitt: Antonietta Zita · Produktion: Concord Film.

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Missouri während des Bürgerkriegs: Cowboy Hank (Lucio Rosato) belästigt Lizzy (Rosalba Neri), die Frau des foreman Clell Lee (Romano Puppo). Clells Bruder Johs¹ Lee (Peter Lee Lawrence) schreitet ein, und Lizzy und er verpassen Hank eine Abreibung. Von der Ranch vertrieben, kehrt Hank mit ein paar Spießgesellen zurück, um die Pferde des Ranchers Evans (Andrea Bosic) zu stehlen. Der Diebstahl kann jedoch mit Hilfe von Butch (Nello Pazzafini) verhindert werden. Butch ist Anführer einer Gruppe von Bushwhackers, die auf der Seite der Konföderierten einen Guerillakrieg gegen die Union führen. Butch hätte gern, dass Johs sich seiner Bande anschließt, doch der lehnt ab.

Johs hat auch anderes im Sinn. Er liebt Christine (Beba Lončar), die Tochter von Boss Evans, und sie liebt ihn. Der Rancher gibt sich zwar gern als glühender Anhänger von »the Cause«, aber hauptsächlich geht es ihm darum, seinen Besitz zusammenzuhalten. Wohl deshalb ist er nicht ganz abgeneigt, seine Tochter einen gewöhnlichen Cowboy wie Johs heiraten zu lassen.

Jedoch ist Hanks Rachsucht nach wie vor ungestillt. Er wendet sich an die Unionstruppen und behauptet, Evans’ Ranch diene als Versteck für Butch und seine Bande. Captain Clifford (Luigi Vannucchi) unternimmt daraufhin eine Razzia auf die Ranch. Zwar findet er keine Bushwhacker, aber er beschlagnahmt Evans’ Pferde und lässt Clell und Lizzy Lee tot im Staub zurück.

Notgedrungen schließt Johs sich nun doch den Bushwhackers an. Zwar geht es ihm gegen den Strich, dass Butch seine anti-unionistischen Unternehmungen mit Raubüberfällen finanziert, aber Butch macht ihn kurzerhand zum Mittäter.

Zwei Jahre später, nach dem Ende des Krieges, ist auf Johs’ Kopf eine Belohnung ausgesetzt. Auch Butch hat es geschafft, als Outlaw zu überleben. Clifford hingegen macht mit Hanks Unterstützung gute Geschäfte als Carpetbagger. Evans’ Ranch droht der Verfall. Seine vormals gehegten sezessionistischen Überzeugungen legt er ab, um sich mit den Yankees zu arrangieren. So kommt es ihm nicht ungelegen, dass Clifford um die Hand Christines anhält. Die hat aber weder den Mord an Clell und Lizzy noch ihre Liebe zu Johs vergessen.

Christine verlässt die Ranch und geht zu Johs, der gemeinsam mit Butch auf der Flucht vor Clifford und Hank ist. Christines Anwesenheit bewirkt das endgültige Zerwürfnis zwischen Johs und Butch, bevor es auf der Ranch zum großen Showdown kommt.

I giorni della violenza ist der Versuch, einen amerikanischen Bürgerkriegswestern auf Italienisch zu machen. Die Erzählweise, und auch die geschilderten moralischen Konflikte, sind ganz an den Hollywood-Vorbildern orientiert: Es geht um das Schicksal der Familien Evans und Lee, die durch den Krieg in ungeahnte Verstrickungen geraten. Johs Lee will sich zunächst auf keine Seite stellen, spricht von einem Bruderkrieg, wird aufgrund von Hanks Machenschaften zum Verfolgten und ergreift deshalb schließlich für den Süden Partei, ohne sich ganz mit ihm identifizieren zu können. Anders Rancher Evans, der zwar als Sezessionist anfängt, aber zwecks Bewahrung seiner Privilegien als Großgrundbesitzer keine Skrupel hat, sich mit dem Unionisten Clifford zu verbünden, sobald der Wind sich dreht. Christine Evans bleibt als Figur weitgehend passiv und richtet sich nach Johs.

Die Unionstruppen und ihre Verbündeten, verkörpert durch Clifford und Hank, werden als plündernde und mordende Invasoren dargestellt. Zwischentöne sucht man bei ihrer Charakterisierung vergeblich. Die Frage der Sklaverei wird weitgehend ausgeklammert. In einer Nebenrolle ist Harold Bradley als Nathan, Bediensteter auf der Evans-Ranch, zu sehen.² Es ist anzunehmen, dass Nathan ein Sklave ist, aber in dem Teil des Films, der nach Kriegsende spielt, ist er zu sehen, wie er weiterhin den Rancher bedient, ohne dass sein Verbleib in dieser Rolle irgendwie problematisiert wird.

Der Amerikanische Bürgerkrieg und seine Folgen waren im Spaghettiwestern, der sich für Historisches sonst ja nicht sonderlich interessierte, durchaus ein Politikum. Versprengte Trupps von konföderierten Soldaten, die auch nach dem Krieg das Kämpfen nicht sein lassen können oder sich in fememordende Banden (nach dem Vorbild des Ku Klux Klan) verwandeln, sind im Genre sehr häufig.³ Es ist unschwer zu erkennen, dass diese Darstellung von der Erfahrung des Faschismus beeinflusst ist. Mit Beginn der Bleiernen Jahre in Italien erwies sie sich als prophetisch, denn es zeigte sich, dass auch die neofaschistische Bewegung zu massiver terroristischer Gewalt in der Lage war.

In I giorni della violenza ist davon wenig zu merken. Mit seiner engen Orientierung an US-Vorbildern kauft er sich auch deren ganz anders geartete Ideologie ein, und zwar vor allem, indem er die Sklaverei ignoriert und die unionistische Seite stereotyp als Invasoren und Geschäftemacher hinstellt. Übrigens verwendet der Film einige Mühe darauf, historisch fundiert aufzutreten. Zu Beginn wird eine Texttafel eingeblendet, die die Situation Missouris im Bürgerkrieg (als in der Union verbliebener Sklavenstaat, in dem es beträchtliche sezessionistische Sympathien gab) erläutert. Es wird viel Wert darauf gelegt, die Geographie korrekt wiederzugeben. Das führt mitunter zu kuriosen Dialogen, da die Charaktere in Form von Infodumps erläutern, an welchem Ort sie sich gerade befinden und wo sie hinwollen.

Aber da dies ein Spaghettiwestern ist, gibt es unweigerlich auch einen geographischen Patzer, der dann wieder einigen Unterhaltungswert hat: In einer Szene mit Clifford und Hank kommt eine Landkarte vor, die Missouri zeigen soll – auf der aber, unschwer erkennbar, Texas zu sehen ist. Auch sonst fallen solche Details in I giorni della violenza umso mehr auf, gerade weil der Film sich so historisch gibt: Die Waffen der Unionssoldaten sind anachronistisch, und die Drehorte im Latium sehen nun mal nicht wie Missouri aus. Die Außenszenen auf der Evans-Ranch wurden in der Tenuta delle Capannacce gefilmt, die in zahlreichen Italowestern als herrschaftliche Ranch oder Estanzia zu sehen ist. In diesem Fall fällt es mir leider schwer, den mediterran anmutenden Gutshof mit seinen weißgetünchten Wänden und Zypressenbäumen als in den Ozarks oder am Ufer des Big Muddy gelegen vorzustellen. Ein Blockhaus wäre passender gewesen.⁴ Hinzu kommt, dass ein Streifen wie dieser Massenszenen gebraucht (und wohl auch gern gehabt) hätte, das Budget diese aber nicht hergab. Jedenfalls sind in den meisten Einstellungen kaum mehr als ein Dutzend Statist*innen im Bild zu sehen.

So weit könnte I giorni delle violenza von der Handlung und den Figuren her ein Film sein, wie man ihn etwa von Andrew V. McLaglen kennt. Hinterrücks schleichen sich aber doch typische Spaghetti-Elemente in Form des Subplots um Johs und Butch ein. Letzterer entspricht der bekannten Figur des älteren Revolverhelden, der einen jungen Mann die Kunst des Tötens lehrt. Natürlich kommt es dann zur Konfrontation zwischen dem jüngeren und dem älteren Mann, deren Ausgang Genre-Kenner*innen nicht überraschen wird. Nello Pazzafini in der Rolle des ebenso jovialen wie amoralischen Bushwhacker-Hauptmanns ist das Mitglied des Casts, das in diesem Film am meisten hervorsticht und die stärksten Szenen hat. Hauptdarsteller Peter Lee Lawrence, von dem ja in der Regel (so auch hier) keine großen schauspielerischen Leistungen zu erwarten sind, wird von Pazzafini glatt an die Wand gespielt.

Von Pazzafinis sehenswertem Auftritt einmal abgesehen, stellt sich bei diesem Film die Frage: Wozu das ganze? Wie so oft bei Italowestern, die sich eng an US-amerikanische Vorbilder anlehnen, kommt er an Hollywood nicht heran, liefert aber auch nicht das, was man von einem gelungenen Spaghettiwestern erwartet.

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¹ Das war wohl ein Tippfehler und sollte eigentlich Josh heißen. Aber da er anscheinend niemandem aufgefallen ist, hat »Johs« es in den fertigen Film geschafft. Jedenfalls sprechen die Charaktere den Namen stets Dschoos aus.

² Harold Bradley war zunächst Footballspieler, ging aber Ende der fünfziger Jahre mit Hilfe eines Kunststipendiums nach Rom, um dort Malerei studieren. Nebenher organisierte er Folk-Konzerte und schauspielerte, wobei er überwiegend in Sandalenfilmen zu sehen war. Die Rolle des Nathan ist meines Wissens sein einziger Auftritt in einem Italowestern.

³ Sie sind sogar noch in einem so späten Beitrag zum Genre wie Bruno Matteis Trash-Film Scalps (1987) zu sehen.

⁴ Das Landgut ist unter dem Spitznamen Villa Mussolini bekannt, weil der Diktator es als Reiterhof benutzte. Für Fans, die sich gern mit den Drehorten der Italowestern beschäftigen, hat I giorni della violenza immerhin den Vorzug, dass die Bauten der Tenuta so häufig wie selten im Bild zu sehen sind.

12. November 2024

Trinità & Bambino ... e adesso tocca di noi (1995)

Deutscher Titel: Trinity und Babyface / Ein Begräbnis und die Auferstehung der vier Fäuste · Regie: Enzo Barboni · Drehbuch: Marco Barboni · Musik: Stefano Mainetti · Kamera: Juan Amorós · Schnitt: Antonio Siciliano · Produktion: Rialto Film, Trinidad Film.

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Über 20 Jahre nach Vier Fäuste für ein Halleluja trugen Bud Spencer und Terence Hill sich mit der Idee, es noch einmal mit einem gemeinsamen Western zu versuchen. Es heißt, dass Altmeister Enzo Barboni dabei gerne Regie geführt hätte. Allerdings konnten Spencer–Hill auf der einen und Barboni auf der anderen Seite sich nicht so recht einigen, wie das geplante Projekt genau aussehen sollte. Sie gingen getrennte Wege und machten je einen eigenen Film.

Bei Spencer und Hill kam Botte di Natale alias Die Troublemaker (1994) dabei heraus, eine Art Remake von Vier Fäuste, mit dem sie an den Kinokassen scheiterten – und ihrem gemeinsamen Werk den Todesstoß versetzten. Barboni dagegen drehte Trinità & Bambino als Fortsetzung von Vier Fäuste, aber ohne die Mitwirkung von Spencer und Hill. Beide Filmprojekte waren Familienunternehmen: Bei Botte di Natale führte Terence Hill Regie, verfasste sein Sohn Jess das Drehbuch, und Bud Spencers Sohn Giuseppe Pedersoli fungierte als Produzent. Das Script von Trinità & Bambino wiederum stammt von Barbonis Sohn Marco. Mit solchen familiären Verflechtungen im Spiel ist es schwerlich ein Wunder, dass beide Seiten sich nicht einig werden konnten ...

Was Vater und Sohn Barboni da umzusetzen versuchten, ist also ein Spencer-und-Hill-Film ohne Spencer und Hill. Damit ist man eigentlich schon an dem Punkt angelangt, an dem man vernünftigerweise hätte sagen müssen: Lasst es lieber. (Andererseits: Wenn in der italienischen Western-Industrie immer vernünftig gehandelt worden wäre, wohin hätte das geführt? Jedenfalls nicht zu dem Genre, das wir kennen und lieben.)

Die Barbonis hatten die Idee, einen Film über die Söhne von Trinity und Bambino zu machen, die natürlich ebenfalls Trinity und Bambino heißen und ähnliche Abenteuer wie ihre Väter erleben. Dazu sahen sie sich nach Darstellern um, die Hill und Spencer möglichst ähnlich sein sollten. Als Hill-Ersatz verfielen sie auf den TV-Schauspieler Heath Kizzier, als Spencer-Epigone musste der Football-Spieler Keith Neubert herhalten. Auffällig ist, wie Kizzier sich redlich bemüht, Hills schauspielerische quirks nachzuahmen, und damit doch immer wieder nur zu erkennen gibt, dass er eben nicht Hill ist. Aber immerhin. Neubert dagegen beschränkt sich – wenig überzeugend – darauf, steif im Bild herumzustehen und ab und an ein knurrendes Geräusch von sich zu geben.

Daran lässt sich beobachten: Hill ist natürlich, rein technisch gesehen, ein besserer Schauspieler als Spencer es war. Aber Spencer ist es, der letztlich unersetzbar ist. Tatsächlich ist Spencer ja an der Seite von Darstellern wie Giuliano Gemma und Tomas Milian aufgetreten, die Hill-ähnliche Rollen spielten. Umgekehrt wäre so etwas schwer vorstellbar. Terence Hill neben einem Spencer-Ersatz? No way.

Zur Handlung: Bambino Junior ist zum Tod am Galgen verurteilt. Trinity Junior ›leiht‹ sich die schwarze Berufskleidung des Henkers und befreit seinen Cousin. Eine kleine Auseinandersetzung des Duos mit dem großspurigen Revolvermann Stinger Smith (Jorge Bosso) wird von einem Mann namens Pablo (Renato Scarpa) beobachtet. Pablo ist der Dorfälteste von San Clementino, einem hispanischen Örtchen, das von den elf Ramírez-Brüdern (u.a. Renato D’Amore) terrorisiert wird. Er bittet die Cousins, Sheriff und Deputy von San Clementino zu werden, um die Dorfbewohner*innen vor den regelmäßigen Übergriffen zu schützen.

Wer bei diesem Plot an das Vorbild von The Magnificent Seven denkt, liegt nicht falsch. Aber auch Plot-Elemente von Lo chiamavano Trinità ... tauchen immer wieder auf. Die Leute von San Clementino mit ihrem Oberhaupt Pablo erinnern sehr an die Mormon*innen mit ihrem Anführer Tobias aus dem älteren Film. Ebenso gibt es in beiden Filmen einen reichen Pferdezüchter (hier gespielt von Siegfried Rauch) und einen Sheriff (hier gespielt von Ronald Nitschke), der hinter Bambino her ist. Die Barbonis geben sich allerdings durchaus Mühe, ihren Film nicht zu einer bloßen Kopie von Lo chiamavano Trinità ... ausarten zu lassen.

Die obligatorischen Prügelszenen sind gut choreographiert (besser als in der Parallelproduktion Botte di Natale). Auch der Wortwitz ist stellenweise nicht schlecht, etwa wenn Pablo den Namen von Stinger Smith in fehlerhaftem Englisch wie »Stinky Smith« ausspricht.¹

Eine nette Anspielung für Fans enthält Trinità & Bambino ebenfalls: Bambino Junior wird auf einem Steckbrief unter dem Namen Joe Brown gesucht. In Renegade, Barbonis letztem Film mit Hill, zieht dieser nicht in Begleitung von Spencer, sondern mit einem Pferd namens Joe Brown durch den Westen. Ein weiteres Easter Egg ist der Cameo-Auftritt von Jack Taylor, der Trinity Juniors Ziehvater spielt.

Ziemlich cringe sind die Szenen, in denen Kizzier und Neubert mit Bonita (Yvonne de Bark) und Scintilla (Fanny Cadeo), zwei Mädels aus San Clementino, flirten. Ähnlich der Score von Stefano Mainetti. Der erinnert so penetrant an die Erkennungsmelodien von Sitcoms oder TV-Cartoons, dass man manchmal befürchtet, die Charaktere würden anfangen, in die Kamera zu zwinkern und über ihre eigenen Witze zu lachen.

Insgesamt würde ich sagen: Trinità & Bambino hätte ein relativ gelungener Versuch sein können, den Prügelwestern der siebziger Jahre zu erneuern. Alle Stärken und Schwächen des Films ändern aber nichts an dem Grundproblem, dass hier zwei Typen 100 Minuten lang so tun, als wären sie Bud Spencer und Terence Hill, es aber nicht sind. Das ist der Punkt, an dem die Sache unweigerlich scheitert und der Film misslungen ist.

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¹ Ich muss zugeben, ich mag simplen, effektiven Humor. Sonst wäre ich ja auch kein Spencer-und-Hill-Fan.

30. Oktober 2024

Il momento di uccidere (1968)

Deutscher Titel: Django – Ein Sarg voll Blut · Regie: Giuliano Carnimeo · Drehbuch: Tito Carpi, Bruno Leder, Francesco Scardamaglia · Musik: Francesco De Masi · Kamera: Stelvio Massi · Schnitt: Renato Cinquini, Ornella Micheli · Produktion: Produzioni Cinematografiche Europee, Terra Filmkunst.

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Il momento di uccidere steht zu Unrecht im Ruf, ein langweiliger Film zu sein. Langweilige Italo-Western gibt es zu hunderten, aber dieser gehört nicht dazu. Es handelt es sich um Giuliano Carnimeos Regie-Debüt aus dem Jahre 1968, oder besser gesagt: sein echtes Debüt, denn Carnimeo wurde zuvor schon als Co-Regisseur von George Shermans Komödie Panic Button geführt. Il momento di uccidere ist ein Gothic Spaghetti, der zwar seine schwachen Momente hat (und welcher Euro-Western hat die nicht), aber immer interessant ist. Ihn als langweilig abzutun, wird ihm nicht gerecht.

Ein Jahr nach dem Ende des Bürgerkriegs sind die Revolverhelden Lord (George Hilton) und Bull¹ (Walter Barnes) unterwegs, um sich mit Richter Warren (Rudolf Schündler) zu treffen. Der erzählt ihnen eine unglaubliche Geschichte: Kurz vor Kriegsende geriet ein sezessionistischer Colonel an Goldbarren im Wert von 500.000 Dollar aus dem konföderierten Staatsschatz und verbarg sie an einem unbekannten Ort. Obwohl die Unionstruppen versuchten, ihm sein Geheimnis mit Gewalt zu entlocken, starb der Colonel, ohne das genaue Versteck des Schatzes verraten zu haben. Mehr zu erfahren ist nur mit Hilfe Reginas (Loni von Friedl), der Tochter des Colonels, und eines Gedichtes namens Camelot. Doch Regina, die im Rollstuhl sitzt, ist spurlos verschwunden.

Der Richter phantasiert davon, mit Hilfe des Goldes die Confederacy erneut erstehen zu lassen. Bevor er mehr erzählen kann, wird er aus dem Hinterhalt erschossen. Lord und Bull haben vermutlich prosaischere Motive als Warren, was das Gold betrifft, doch auch sie sind in Gefahr: Eine Rotte von Pistoleros ist hinter ihnen her und lauert ihnen immer wieder auf. Die Pistoleros stehen in den Diensten des aristokratischen Ranchers Forrester (Arturo Dominici) und seines Dandy-Sprösslings Jason (Horst Frank). Forrester ist kein anderer als der Bruder des verstorbenen Colonels. Bruder und Neffe sind ebenfalls hinter dem verlorenen Gold her und stehen im Verdacht, Regina entführt zu haben.

Lord und Bull schleichen sich nachts in das Anwesen der Forresters und finden in der Bibliothek tatsächlich ein Bändchen mit dem Titel Camelot. Nachdem sie Jason Forrester aus der Reserve locken, indem sie ihn gezielt demütigen, gelingt es ihnen auch, die gekidnappte Regina in ihrem Versteck aufzuspüren. Das Katz-und-Maus-Spiel mit den Forresters spitzt sich zu, bis es zur finalen Konfrontation in einem Schlachthaus kommt.²

Was bei Il momento di uccidere am meisten ins Auge sticht, ist die Arbeit des Kameramannes Stelvio Massi. Der erhielt viel Raum, um mit den ungewöhnlichen Einstellungen und Perspektiven zu experimentieren, die man von ihm kennt. Zu einem Streifen wie diesen, der überwiegend in Innenräumen und auf nächtlichen Straßen spielt, passt das perfekt. Auch Francesco De Masis Score fügt sich gut in das Sujet des Films ein.

Dominici und Frank sind als Vater-und-Sohn-Gespann mit leicht psychopathischem Touch und ausgeprägt ödipaler Beziehung (in der das Gold die Rolle der abwesenden Mutter einnimmt) mehr als angemessen besetzt. Weniger gelungen ist die Dynamik zwischen Hilton und Barnes. Letzterer wirkt etwas fehl am Platze in seiner Rolle als bärbeißiger Sidekick, oder besser gesagt: Zwischen ihm und Hilton stimmt die Chemie einfach nicht richtig. Im Grunde hätte Hilton den Film als alleiniger Protagonist bestreiten können, ohne das etwas gefehlt hätte.

Aber Il momento di uccidere ist ein Western mit Krimi-Handlung, und das bedeutete für Regisseur Carnimeo, dass die Hauptfigur die Rolle des Privatdetektivs einnimmt und einen Begleiter braucht, einen foil character nach dem Vorbild von Dr. Watson. Das ist völlig in Ordnung, es ist nur in diesem Film nicht sonderlich gut umgesetzt.³ Übrigens ist Il momento eine deutsch-italienische Koproduktion, und nördlich der Alpen zeigte man wenig Verständnis für Carnimeos Ideen, sondern setzte lieber auf Nummer sicher. Der Film wurde als Django-Streifen vermarktet und die Werbematerialien stellten George Hilton als Star in den Mittelpunkt.

Bemerkenswert ist, dass Walter Barnes in diesem Film eine Melone trägt und in einer Szene eine Faustschlagtechnik anwendet, die wenige Jahre später unter dem Namen »der Dampfhammer« legendär werden sollte. Gut vorstellbar, dass ein Kameramann namens Enzo Barboni diesen Film sah und daraus ein paar Ideen für sein zukünftiges Schaffen gewann. Das sollte aber (ebensowenig wie der eingangs angesprochene Vorwurf der Langweiligkeit) dazu verleiten, den Film als bloßen Vorläufer von Trinità und Bambino abzutun. Il momento di uccidere ist, wie gesagt, ein nicht immer gelungener, aber immer interessanter Gothic Spaghetti von großer Eigenständigkeit.

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¹ Was Bull betrifft, müsste man eigentlich von einem Schrotflintenhelden sprechen, denn das ist seine bevorzugte Waffe.

² Man beachte die Namen wie Camelot, Regina und Forrester: Die Königin (von Camelot?) wird von einem Förster entführt und gefangen gehalten – wie in einem Märchen. In der Artussage wird Königin Guinevere von Maleagant entführt und von Lancelot befreit. Für solche überraschenden Anspielungen liebe ich das Spaghetti-Genre. Allerdings: Wer hofft, in Il momento di uccidere werde es zu einer Liebesgeschichte à la Lancelot und Guinevere kommen, wird enttäuscht sein.

³ Im Jahr darauf versuchte Carnimeo es in Sono Sartana, il vostro becchino erneut mit dieser Formel. Gianni Garko übernahm die Sherlock-, Frank Wolff die Watson-Rolle. Auch hier war Tito Carpi als Drehbuchautor beteiligt.

26. März 2024

Un minuto per pregare, un istante per morire (1968)

Alternativtitel: Dove vai ti ammazzo · Deutscher Titel: Mehr tot als lebendig · Regie: Franco Giraldi · Drehbuch: Ugo Liberatore · Musik: Carlo Rustichelli · Kamera: Aiace Parolin · Schnitt: Alberto Gallitti · Produktion: Documento Film.

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Clay McCord (Alex Cord) ist mit seinem Kumpel Fred Duskin (Giampiero Albertini) auf der Flucht vor dem Gesetz. McCord ist ein tödlicher Revolverschütze, aber er leidet an plötzlich auftretenden Krämpfen im rechten Arm, die ihn immer wieder kampfunfähig machen. Er glaubt, dieses Leiden von seinem Vater, einem Epileptiker, geerbt zu haben. Als Kind sah er hilflos zu, wie sein Vater an den Folgen eines epileptischen Anfalls starb.

McCord und Duskin sind auf dem Weg zu Padre Santana (Daniel Martín), von dem sie sich Linderung für McCords Krankheit erhoffen. Der Franziskanermönch wurde allerdings von zwei Kopfgeldjägern, Sean (Antonio Molino Rojo) und Jesús María (Aldo Sambrell), ermordet. Diese verschanzen sich in Santanas Kirche und lauern den beiden Outlaws auf. McCord macht jedoch kurzen Prozess mit ihnen. Duskin empfiehlt McCord, wegen seines Arms lieber einen Arzt aufzusuchen.

So reitet McCord nach Escondido, wo es einen Arzt geben soll. Escondido ist eine Art Refugium für Ausgestoßene und Verfemte, in dem anstelle des Gesetzes allerdings der grausame Kraut (Mario Brega) und seine Bande das Sagen haben. Die verfallende Ortschaft wird von den Deputies des Marshals von Tuscosa, Roy W. Colby (Arthur Kennedy), belagert. Als einige Bewohner Escondidos versuchen, unter weißer Flagge einen Wagen voller Lebensmittel in die Stadt zu geleiten, werden sie von den Deputies kurzerhand massakriert. McCord nimmt blutige Rache an den Gesetzeshütern und bringt den Wagen selbst in die Stadt.

Den Arzt findet er allerdings am Galgen baumelnd vor – aufgeknüpft von Kraut wegen angeblichen Falschspiels. McCord quartiert sich im Haus von Laurinda (Nicoletta Machiavelli) ein. McCords Anwesenheit ist Kraut ein Dorn im Auge. Er sieht darin eine Gefahr für seine Herrschaft über Escondido. So dauert es nicht lange, bis McCord einen von Krauts Männern, El Bailarín (José Manuel Martín), in Notwehr töten muss.

Lem Carter (Robert Ryan), der Gouverneur von New Mexico, verkündet unterdessen eine Amnesie für alle steckbrieflich gesuchten Outlaws. Wer sich beim Marshal meldet und seine Waffe abgibt, soll 50 Dollar und die Chance auf einen Neuanfang erhalten. McCord begibt sich im Schutz der Nacht nach Tuscosa zu Colby, merkt aber schnell, dass der Marshal nach wie vor entschlossen ist, die Bewohner*innen von Escondido auszurotten. McCord flieht, wird von einer Posse verfolgt und erhält einen Schuss ins Bein. Wieder in Escondido, versteckt er sich in Laurindas Haus, die seine Wunde verbindet.

Um Colby auf die Finger zu sehen, begibt sich Gouverneur Carter persönlich nach Tuscosa. Er bemerkt, dass der Marshal weiterhin Jagd auf die Gesetzlosen macht und dabei mit dem Einverständnis wohlhabender Bürger rechnen kann. Dennoch befiehlt er Colby, die Blockade von Escondido aufzuheben und eine Lieferung Lebensmittel in die Stadt zu schicken.

Kraut und seine Spießgesellen spüren McCord in Laurindas Haus auf. Sie ermorden Laurinda mit einem Schuss in den Rücken, verprügeln McCord und hängen ihn an den Armen auf. Anschließend trinken sie sich besinnungslos. Cheap Charlie (Renato Romano), der Händler, der in Carters Auftrag die Lebensmittel nach Escondido gebracht hat, nutzt die Gelegenheit, McCord aus der Stadt zu schmuggeln.

In einer abgelegenen Hütte trifft sich McCord mit dem Gouverneur und dem Marshal. Carter sichert ihm die versprochene Amnestie zu und lässt für den schwer Verletzten einen Arzt (Enzo Fiermonte) kommen. Der stellt fest, dass McCords Krämpfe nicht epileptisch sind, sondern von einer alten Schussverletzung herrühren und sich mit einer Operation beseitigen lassen.

Kraut und seine Banditen umzingeln die Hütte und setzen das Dach in Brand. Der Marshal und der Arzt werden getötet, bevor der geschwächte McCord die Widersacher mit einer Winchester erledigen kann. McCord reitet mit Carter zurück nach Tuscosa, wo er seine Waffen niederlegt und dafür 50 Dollar und den Amnestiebrief erhält. Auf dem Weg aus der Stadt wird McCord hinterrücks von Kopfgeldjägern erschossen. Den schützenden Brief lesen die Mörder erst, als McCord schon tot ist. Sie stehlen die 50 Dollar und lassen den Leichnam einfach liegen.

Mit Robert Ryan, Arthur Kennedy und Alex Cord bietet Un minuto per pregare gleich drei US-Stars auf. Das ist kein Wunder, denn bei der Produktion des Films war amerikanisches Studio-Geld im Spiel. Dementsprechend wurden bekannte Gesichter für die US-Kinoverwertung gebraucht. Als Regisseur soll zunächst Sergio Corbucci eingeplant gewesen sein, aber der zog sich wegen kreativer Differenzen wieder zurück und drehte stattdessen Il grande silenzio.

Tatsächlich herrscht in Un minuto per pregare eine ähnliche Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit wie in Corbuccis Meisterwerk. Die Outlaws des Films (mit Ausnahme von Kraut und seiner Bande) sind keine furchteinflößenden Banditen, sondern Ausgestoßene der Gesellschaft, die von Kopfgeldjägern ebenso wie von Colbys Deputies erbarmungslos gejagt werden. Und so wie Jean-Louis Trintignant in Il grande silenzio spielt Alex Cord einen todgeweihten Helden. Die gemeinsame Entstehungsgeschichte beider Filme zeigt sich auch darin, dass sie beide in einem ziemlichen sucker punch enden, wie sie dem Publikum selten zugemutet werden.

Mit Franco Giraldi, dem ehemaligen Assistenten Corbuccis, auf dem Regiestuhl ist es nur allzu naheliegend, Un minuto per pregare neben Il grande silenzio links liegen zu lassen. Das wäre aber nicht angebracht. Tatsächlich hat Giraldi einen durchaus eigenständigen Film geschaffen, der sich atmosphärisch auch von seinen früheren, komödiantisch angelegten Western abhebt.

Ungewöhnlich stark vertreten ist in Un minuto per pregare die katholisch-mediterrane Ikonographie, wie sie im Italo-Western immer wieder zum Vorschein kommt. McCord ist zu Beginn des Films nicht nur als um Heilung bittender Pilger auf dem Weg zu einer Kirche, mit seinem langen braunen Mantel sieht er auch selbst ein wenig wie ein Mönch aus. In Escondido lebt ein Teil der Bewohner*innen nicht in Häusern, sondern nach Art mittelalterlicher Einsiedler (oder wie Aussätzige in einem Bibelfilm) in Höhlen. Durch diese morbide Welt wandert McCord und wird auf Schritt und Tritt vom Tod verfolgt.

Mit der einsamen Ausnahme des Gouverneurs sterben alle, die McCord verbunden sind oder ihm helfen, einen brutalen Tod: Pater Santana wird von Kopfgeldjägern umgebracht, die an McCord herankommen wollen. Sein Freund Duskin wird später im Film ebenfalls von Kopfgeldjägern zur Strecke gebracht. Laurinda, Cheap Charlie und der Arzt werden von Kraut & Co. ermordet.

Der Italo-Western hat den Mythos des coolen Kopfgeldjägers hervorgebracht, personifiziert in Manco und Mortimer aus Für ein paar Dollar mehr. Mit Giraldis Film (und Corbuccis) wird der Mythos wieder demontiert, indem das Geschäft mit dem Kopfgeld als Mord mit Rückendeckung durch die Bourgeoisie dargestellt wird. Den amerikanischen Finanziers war so viel Genre-Radikalität zu viel. Sie bestanden darauf, dass für die USA eine eigene Schnittfassung erstellt wurde, mit einem alternativen Ende, das McCord lebendig davonkommen lässt.

Ein ganz großer Wurf ist Franco Giraldis letzter Western nicht geworden, aber ein sehr sehenswerter Film. Dazu trägt insbesondere Carlo Rustichellis ungewöhnlicher Score bei, der, inspiriert von Gustav Mahler, die düstere Atmosphäre des Films noch unterstreicht. Die Hauptrolle ist für Alex Cord (der kein Trintignant ist) etwas zu groß geraten, aber er gibt sich redlich Mühe. Mario Brega hat man leider keinen Gefallen getan, als man ihm für seine Rolle die Haare rotblond färbte. Die Rolle des Gouverneurs ist mit Robert Ryan gut besetzt.

9. Februar 2024

L’ira di Dio (1968)

Deutscher Titel: Der Einsame / Lonesome – Der Zorn Gottes / Django – Ein Silberdollar für einen Toten · Regie: Alberto Cardone · Drehbuch: Alberto Cardone, Italo Gasperini, Ugo Guerra, José Luis Martínez Mollá · Musik: Michele Lacerenza · Kamera: Mario Pacheco · Schnitt: Alberto Cardone · Produktion: Daiano Film.

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Mike Barnett (Brett Halsey¹) findet sein Haus verwüstet und seine Freundin Jane tot vor. Sieben Männer (u.a. Fernando Sancho) fallen über ihn her, prügeln auf ihn ein und lassen ihn für tot liegen. Als Mike wieder zu sich kommt, ist das Geld, mit dem Jane und er ein Stück Land kaufen wollten, mit den Männern verschwunden. Nur sieben Silberdollarmünzen sind zurückgeblieben. Mike reitet los und nimmt nacheinander Rache an den Männern. Bei jedem der sieben Toten lässt er einen Silberdollar zurück. Am Ende deckt er auf, wer die Männer zu ihrer Tat angestiftet hat.

That’s it. Das ist die gesamte Handlung dieses No-Budget-Streifens, die sich über eine Stunde und 36 Minuten hinzieht.

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¹ Halsey spielt unter dem Pseudonym Montgomery Ford mit. Er wird seine Gründe gehabt haben, warum er mit diesem Film nicht namentlich in Verbindung gebracht werden wollte – just kidding. Halsey benutzte diesen Künstlernamen häufiger.

6. Dezember 2023

Sfida a Rio Bravo (1964)

Deutscher Titel: Schnelle Colts für Jeannie Lee · Regie: Tulio Demicheli · Drehbuch: Tulio Demicheli, Gene Luotto, Natividad Zaro · Musik: Angelo Francesco Lavagnino · Kamera: Mario Capriotti, Guglielmo Mancori · Schnitt: Roberto Cinquini · Produktion: Flora Film, Llama Films, Société Nouvelle Pathé Cinéma, West Film.

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Silberbaron Zack Williams (Gérard Tichy) will in Arizona ein Monopol errichten. Dazu arbeitet er mit dem Banditen Pancho Bogan (Fernando Sancho) zusammen. Dessen Job ist es, Silbertransporte zu überfallen. Je mehr Unsicherheit Bogan stiftet, desto leichter fällt es Williams, eine Silbermine nach der anderen aufzukaufen. Nur Clementine Hewitt (José Greci) weigert sich noch, Williams ihre Silbermine zu überlassen, wird aber von dessen Pistoleros schwer bedrängt.

Zum Glück ist Clementines Freundin, die Saloonbesitzerin Jeannie Lee (Madeleine Lebeau), mit Wyatt Earp (Guy Madison) bekannt. Der legendäre Revolvermann reist incognito ins Städtchen Rio Bravo,¹ um es mit Williams und seinen Pistoleros aufzunehmen. Unterstützt wird er nicht nur von Jeannie, sondern auch von Leo (Massimo Serato), dem Sheriff des Städtchens. Leo hat zwar meistens einen sitzen, ist dafür aber nicht auf den Kopf gefallen (und außerdem mit Jeannie verlobt).

Sfida a Rio Bravo ist ein Italowestern der Prä-Leone-Ära,² der noch stark im Schatten der Hollywood-Vorbilder steht. Tatsächlich ging Regisseur Demicheli, der sich nach eigener Aussage bis dato mit Pferdeopern nicht auskannte, an die Sache heran, indem er sich zur Inspiration einige klassische Western ansah. Anhand von Namen und Inhalt seines Films ist unschwer zu erkennen, dass unter den Klassikern, die er sich zu Gemüte führte, My Darling Clementine und Rio Bravo waren.

Demichelis Streifen gehört auch zu den wenigen (meist frühen) Italowestern, deren Held eine historische Persönlichkeit des Old West ist. Allerdings versucht er eher, diese Tatsache herunterzuspielen: Wyatt Earp erklärt gleich zu Beginn der Handlung, dass er nicht erkannt werden möchte, und legt sich deshalb den Namen Laramie zu. Dabei bleibt es auch. Der Earp dieses Films hat kein Bedürfnis, seine Identität zu enthüllen, um seine Feinde zittern zu lassen. Fragt sich, warum der Held nicht einfach von vornherein als ein unbekannter Revolvermann namens Laramie konzipiert wurde?

Möglicherweise war es einfach eine Art Verlegenheitslösung. Man benannte den Helden nach einem legendären Westerner, weil man 1964 in Italien noch zu dem Glauben neigte, dass man das im Genre einfach so macht. Aber zugleich verspürte man offenbar schon das Bedürfnis, wenn auch noch nicht sehr ausgeprägt, mit der Form zu experimentieren. Aus heutiger Sicht ist Sfida a Rio Bravo ein etwas zu lang geratener Film, der am Scheideweg steht und Anschauungsmaterial für den Ablösungsprozess des italienischen Westerns von der US-Pferdeoper liefert. So stehen in Sfida solche Elemente, die direkt den Hollywood-Vorbildern entnommen wurden, neben solchen, die in den Jahren darauf zum typischen Inventar des Spaghetti-Westerns gehören sollten, 1964 aber noch recht neu waren.

Zu ersteren gehören Figuren wie Jeannie, die Saloon-Chefin mit dem goldenen Herzen, und Leo, der Sternträger mit dem Alkoholproblem, wie man ihn aus Rio Bravo und El Dorado kennt. Zu letzteren gehört Fernando Sanchos Rolle, der hier eine frühe Performance seines aus zahlreichen Spaghetti-Flicks bekannten mexikanischen Bandenchefs abliefert. Dabei wird er etwas nuancierter gezeichnet, als das später oft der Fall war, mit einer geradezu tragischen Sterbeszene. Eine sehr italienische Neuerung ist auch, dass der Hauptschurke des Films, Zack Williams, ein aalglatter Geschäftsmann ist.

Ein interessantes Detail ist, dass Jeannie von Madeleine Lebeau dargestellt wird. In Casablanca spielt sie Ricks Ex-Freundin Yvonne und schrieb Filmgeschichte mit der berühmten »Battle of the Anthems«-Szene, in der ihr beim Singen der Marseillaise die Tränen über das Gesicht laufen. Lebeau floh 1940 mit ihrem jüdischen Ehemann Marcel Dalio (der in Casablanca Emil, den Croupier, spielt) vor der heranrückenden Wehrmacht aus Frankreich. Lebeau und Dalio versuchten, nach Chile zu entkommen, aber ihre Visa stellten sich als Fälschungen heraus. Nach einer längeren Irrfahrt auf der Quanza, einem portugiesischen Frachter mit 317 vor den Nazis geflohenen Passagieren an Bord, gelangten sie schließlich in die USA. Lebeaus Erlebnisse wiesen also eine beträchtliche Ähnlichkeit mit denen der Charaktere aus Casablanca aus.

Nach dem Krieg kehrte Lebeau, mittlerweile von Dalio geschieden, nach Frankreich zurück und trat u.a. in Fellinis auf. Sfida a Rio Bravo ist meines Wissens ihr einziger Western. Als sie 2016 starb, war sie das letzte überlebende Mitglied des Casts von Casablanca. Schade, dass nicht sie, die eine weitaus interessantere Schauspielerin als Guy Madison ist, als Protagonistin von Sfida fungiert.

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¹ Ein Beispiel für die wackeligen Kenntnisse der US-Geographie, die so vielen europäischen Western unterliegen: Das wirkliche Rio Bravo liegt nicht in Arizona, sondern in Texas.

² Sfida hatte zwei Monate nach Per un pugno di dollari Premiere, ist aber erkennbar nicht von diesem beeinflusst.

6. Februar 2022

Bill il taciturno (1967)

Deutscher Titel: Django tötet leise / Django – Der lautlose Killer · Regie: Massimo Pupillo · Drehbuch: Renato Polselli · Musik: Berto Pisano · Kamera: Mario Parapetti · Schnitt: Lina Caterini, Marcello Malvestito · Produktion: Avis Film.

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Revolverheld Bill (George Eastman) wird Zeuge, wie Banditen die Familie Sanders ermorden. Natürlich mäht er die Banditen nieder.

Was folgt, ist ein Film, der voll und ganz aus Versatzstücken von Sergio Leones ersten beiden Dollar-Filmen zusammengestoppelt wurde: Es geht irgendwie um Waffenschmuggel und um Rache an Thompson (Luciano Rossi), der das Städtchen Santa Anna tyrannisiert. Eine junge Frau, Linda (Liana Orfei), ist auf der Flucht vor Thompson. Die obligatorische mexikanische Bande, deren Anführer hier El Santo heißt und von Mimmo Maggio gespielt wird, tritt ebenfalls auf. Daneben sind u.a. Spartaco Conversi und ein grimassierender Rick Boyd zu sehen.

Wie wenig Wert auf Eigenständigkeit er legt, zeigt dieser Flick übrigens schon ganz am Anfang: Das Titellied ist ein dreistes Plagiat von Ennio Morricones Musik für Per un pugno di dollari. Was die Hauptfigur angeht, bedient Bill il taciturno sich bei der Dollartrilogie auf ebenso freimütige Weise. Protagonist Bill ist ein Abklatsch des »Mannes ohne Namen«, so offensichtlich und einfallslos, wie ich es selten gesehen habe. Das geht bis in Details der Kleidung hinein: Clint Eastwood trägt in Für eine Handvoll Dollar eine Schaffellweste. Folgerichtig muss George Eastman hier eine Schaffelljacke tragen. (Nicht von Leone geklaut ist allenfalls, dass Linda als Bills love interest fungiert. Der Meister mochte seine Helden in der Dollartrilogie bekanntlich nicht in Liebesgeschichten verwickelt sehen.)

Zugegebenermaßen kommt kurzzeitig auch ein wenig Spannung auf, nämlich dann, wenn Luciano Rossi als theatralischer Gangsterboss Thompson seine ersten Auftritte hat. Bis dahin ist aber schon fast eine Stunde voller Vorhersehbarkeit vergangen.

Dem deutschen Filmverleih fiel dann auch nichts weiter ein, als den Protagonisten in Django umzubenennen. Das ist zwar schon weitaus besseren Streifen passiert, aber hier illustriert es die Austauschbarkeit des ganzen Machwerks auf unfreiwillig passende Weise.

3. Februar 2022

C’è Sartana ... vendi la pistola e comprati la bara! (1970)

Deutscher Titel: Django und Sabata – Wie blutige Geier / Django – Die Gier nach Gold / Django – Schieß mir das Lied vom Sterben · Regie: Giuliano Carnimeo · Drehbuch: Tito Carpi · Musik: Francesco De Masi · Kamera: Stelvio Massi · Schnitt: Ornella Micheli · Produktion: Colt Produzioni Cinematografiche.

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In C’è Sartana ... tritt zum ersten und einzigen Mal nicht Gianni Garko in der Hauptrolle auf, sondern George Hilton. Zudem bekommt Sartana einen Konkurrenten zugesellt, und zwar den aus Gianfranco Parolinis Filmen geklauten Sabata – hier allerdings nicht von Lee Van Cleef gespielt, sondern von Charles Southwood. 

Der deutsche Filmverleih, wie immer fest entschlossen, das Kinopublikum für dumm zu verkaufen, nahm den Besetzungswechsel zum Anlass, Sartana in Django umzutaufen. In der BRD lief der Film deshalb als Django und Sabata – Wie blutige Geier, später als Django – Die Gier nach Gold und (besonders originell) Django – Schieß mir das Lied vom Sterben. Aber zur Handlung.

Sartana beobachtet einen Überfall mexikanischer Banditen auf einen Goldtransport. Merkwürdigerweise nehmen die Outlaws das Gold nicht mit, sondern verminen den Wagen mit Dynamit. Kein Problem für Sartana: Er schleudert einfach seine Feldflasche in die Luft, schießt ein Loch hinein, und das herabspritzende Wasser löscht die Zündschnur. In den Goldsäcken, so stellt sich heraus, befindet sich nur Sand.

Als peón verkleidet verfolgt Sartana die Banditen nach Cementerio. Vor Ort angekommen, hilft er Maldita (Linda Sini), der Frau des Bandenchefs Mantas (Nello Pazzafini), vor ihrem tyrannischen Gatten zu fliehen. Zum Dank verrät sie ihm, dass der falsche Goldtransport aus der Minenstadt Appaloosa kam. Dorthin bricht Sartana nun auf.

In Appaloosa scheinen alle an dem verschwundenen Gold brennend interessiert zu sein: Auf der einen Seite die Saloonbesitzerin Trixie (Erika Blanc) und ihr Barkeeper Angelo (Aldo Barberito), auf der anderen Seite der Boss der Minengesellschaft Spencer (Piero Lulli) und seine rechte Hand Baxter (Carlo Gaddi). Sartana stürzt sich sofort in das Intrigenspiel, das er so liebt. Allerdings bekommt er einen Konkurrenten in ›Sabata‹, der dieses Spiel ebenso gut beherrscht ...

C’è Sartana ... erzählt mehr oder weniger die Story des ersten Films der Reihe noch einmal. Wieder geht es um einen Goldtransport, auf den ein fingierter Überfall verübt wird, und wieder will Sartana die Hintermänner aufspüren und sich das Gold unter den Nagel reißen. Neu ist, dass er mit ›Sabata‹ die genretypische Figur des ungewollten Partners zur Seite gestellt bekommt.

Obwohl in diesem dritten Sartana-Streifen Altbekanntes präsentiert wird (und der erste Teil insgesamt ein besserer Film ist), muss ich sagen, dass er mich bislang noch am ehesten von der Hauptfigur überzeugt. Anders als sein Vorgänger (und Nachfolger) Gianni Garko spielt George Hilton den Sartana mit einem gewissen Understatement. Der Kajalstrich um seine Augen lässt Hilton zudem unverschämt gut aussehen.

Im Vergleich zum eher schlappen zweiten Teil ist C’è Sartana ... deutlich dynamischer. Spaß macht vor allem Stelvio Massis verspielte Kameraarbeit.

Etwas versalzen wird die Suppe durch die Tatsache, dass der ›Sabata‹ dieses Films ein typischer Etikettenschwindel ist, wie man ihn aus dem Genre nur allzu gut kennt. Der echte, von Lee Van Cleef gespielte Sabata ist eine Weiterentwicklung der Figur des Colonel Mortimer (ebenfalls Van Cleef) aus Für ein paar Dollar mehr. Charles Southwoods ›Sabata‹ ist dagegen ein völlig anderer Charakter, ein jugendlicher Dandy, der einen hellen Anzug mit Strohhut trägt und einen Sonnenschirm mit sich führt. Wäre es denn wirklich zu viel verlangt, sich für diese augenscheinlich neue Figur einfach einen neuen, zu ihr passenden Namen auszudenken?

1. Februar 2022

Il giorno del giudizio (1971)

Deutscher Titel: Tag der Vergeltung / Zeig mir das Spielzeug des Todes · Regie: Mario Gariazzo · Drehbuch: Mario Gariazzo · Musik: Ennio Morricone · Kamera: Alvaro Lanzoni · Schnitt: Mario Gariazzo · Produktion: Times Films.

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Ein Kavallerist (Ty Hardin) kehrt heim und findet sein Haus niedergebrannt vor. Seine Frau (Rosalba Neri), eine Cheyenne, und sein kleiner Sohn sind tot. Der Soldat, der den ganzen Film über namenlos bleibt, klaubt ein Blechspielzeug seines Sohnes aus den Trümmern und macht sich auf, Rache zu üben. Jedes Mal, wenn er einem der Mörder gegenüber steht, zieht er zunächst das mechanische Spielzeug auf, das einen kleinen Trommler darstellt. Der Trommelwirbel signalisiert den Mördern, dass ihr Ende nah ist.

Mario Gariazzo realisierte 1971 Acquasanta Joe mit Ty Hardin in der Hauptrolle. Dieser Film hier, der im gleichen Jahr erschien, macht stark den Eindruck, als habe Gariazzo einfach ein paar zusätzliche Szenen mit Hardin gedreht, um sie zu einem zweiten Film zusammenzustoppeln. Es handelt sich sichtlich um eine No-Budget-Produktion: Die Kulissen sind zum Erbarmen und ein Drehbuch scheint gar nicht vorhanden gewesen zu sein. Die Musik ist geklaut; es handelt sich um Ennio Morricones Score für I crudeli von Sergio Corbucci. Ty Hardin tarnt sich auf seinem Feldzug mit Hilfe diverser Kostüme – leider sieht er darin nicht wie ein finsterer Rächer aus, sondern eher wie eine Vogelscheuche.

Im merkwürdigen Kontrast dazu steht, dass sich für Il giorno del giudizio die bewährten Darsteller des Genres ein Stelldichein geben. Nahezu jede Rolle ist mit einem bekannten Gesicht besetzt. Es treten u.a. Craig Hill, Gordon Mitchell, Rick Boyd und Raf Baldassarre auf. Angesichts der Tatsache, dass dieser Film, nun ja, nicht viel ist, stellt man sich unwillkürlich vor, dass sie dem Regisseur zufällig über den Weg gelaufen sein müssen: »Ach, hallo Raf, du hier? Das trifft sich gut. Stell dich doch mal eben vor die Kamera ...«

Die deutsche Kinofassung wurde um etwa eine Viertelstunde gekürzt. Dabei ging man quasi mit dem Hackebeilchen vor, wie sich an den abrupten Schnitten erkennen lässt. Mag sein, dass ich dem Film unrecht tue, weil ich ihn in einer unvollständigen Version gesehen habe. Aber eher glaube ich, dass Il giorno del giudizio so oder so ein unübertroffen schludriges Machwerk ist.

25. Januar 2022

Quinto: non ammazzare (1969)

Deutscher Titel: Blutige Dollars / Quinto, töte nicht · Regie: León Klimovsky · Drehbuch: Manuel Martínez Remís, Dino De Rugieriis · Musik: Piero Umiliani · Kamera: Giuseppe La Torre · Schnitt: Antonio Gimeno · Produktion: Cines Europa, R. M. Films.

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Blackie (Alfonso Rojas), Kate (Sarah Ross), Hank (Alfonso de la Vega), Jones (José Luis Lluch), Al (Joe Kamel), Navajo (José Marco), Sucre (Germán Cobos) und Vincent (Gonzalo de Esquiroz) überfallen eine Bank und richten dabei ein Blutbad an. Auf der Flucht bleibt Vincent angeschossen zurück und wird von den Stadtbewohner*innen gelyncht.

Die übrigen sieben Bandenmitglieder verstecken sich in einer zugigen Höhle in den Bergen. Als sie sich ans Aufteilen der Beute machen wollen, entdecken sie, dass das geraubte Geld verschwunden ist. Da sie während des Überfalls identische Masken trugen, verdächtigen sie sich alle gegenseitig.

Die Bürger, deren Geld auf der überfallenen Bank lag, beraten, was zu tun ist. Ein anonymer Fremder bietet an, die Bande für eine Belohnung von 10.000 Dollar aufzuspüren. Die braven Bürger akzeptieren das Angebot, aber nicht ohne festzulegen, dass der Fremde seinen Lohn nur dann bekommt, wenn er auch das geraubte Geld zurückbringt.

Die Bandit*innen verschanzen sich unterdessen in der Postkutschenstation Ghost Valley, die mitten im Nirgendwo liegt. Da sie die Köchin Gladys (Josefina Serratosa) erschossen haben, zwingen sie Bill (Giuseppe Cardillo), einen furchtsamen jungen Reisenden, dem Stationswirt William (Roberto Camardiel) in der Küche zur Hand zu gehen.

Die Bande verbringt ihre Tage damit, Whiskey zu trinken und zum Zeitvertreib den wehrlosen Bill zu quälen. Aber die Luft wird immer dicker und die Bandenmitglieder verdächtigen sich gegenseitig, das Geld unterschlagen zu haben. Nach einer Reihe von mysteriösen Mordanschlägen sind schließlich nur noch Blackie, Kate, Navajo und Sucre übrig. Zugleich beginnt Sucre (scheinbar aus einer Laune heraus), Bill das Schießen beizubringen ...

Quinto hat einen schlechten Ruf, und es gibt vieles, was diesen zu bestätigen scheint: Piero Umilianis Musik nervt mit unbeholfenen Gesangseinlagen. Das Make-up, das einigen Darsteller*innen aufgetragen wurde, sieht unterirdisch aus.¹ Die Dialoge (in der deutschen Synchronisation) sind dermaßen vernuschelt, dass man ihnen stellenweise kaum folgen kann. Überhaupt ist von der psychologischen Spannung, die der Film aufzubauen versucht, nicht immer etwas zu merken, denn der größte Teil des Casts glänzt nicht gerade, was die schauspielerische Leistung angeht.

Dennoch finde ich diesen Film bemerkenswert. Entstanden zu der Zeit, als dem Italowestern der kreative Impetus weitgehend abhanden gekommen war, geht Quinto mit seinem Whodunit-Plot sehr ungewöhnliche Wege. Der Film wartet außerdem mit einem false protagonist auf. Denn wer annimmt, der schüchterne Bill werde sich am Ende als echter Revolverheld erweisen und die Bande auslöschen, wird enttäuscht werden. Und wer ist eigentlich der Fremde, der die Bande für 10.000 Dollar erledigen will?

Mit Roberto Camardiel ist ein Mitglied des Casts hervorzuheben. In der Rolle des ruppig auftretenden, dabei aber sensiblen Wirts William geht er voll auf. William fungiert als eine Art archetypischer Schatten Bills (man beachte die Namensgleichheit). Beide befinden sich in der Gewalt der Outlaws, aber während Bill ängstlich und zurückhaltend agiert, sucht William, der nichts mehr zu verlieren hat, die offene Konfrontation mit den Mörder*innen seiner Frau Gladys.

Quinto gehört zu den Spaghetti-Produktionen, die mit minimaler italienischer Beteiligung in Spanien entstanden sind. Regisseur León Klimovsky war von Beruf eigentlich Zahnarzt und stammte aus Buenos Aires. In Argentinien gehörte er zu den Pionieren des Amateurfilms. In den fünfziger Jahren ließ er sich in Spanien nieder und etablierte sich als Regisseur von Genrefilmen. Das war zu jener Zeit nicht schwer, denn – der Kulturverachtung des Franquismus sei Dank – lag die spanische Filmkunst darnieder. So konnte ein Seiteneinsteiger wie Klimovsky sich schnell einen Namen machen.

Im Grunde blieb Klimovsky immer ein Amateur, ein Liebhaber des Kinos. Perfektionismus war seine Sache nicht, beim Filmemachen kam es ihm auf den Spaß an. Diese Unbekümmertheit führte mitunter zu recht dubiosen Ergebnissen. Es gibt mehrere Italowestern, bei denen er als Regisseur genannt ist – die tatsächliche Arbeit wurde aber von einem Regieassistenten gemacht. Solche Arrangements hatten den Zweck, Filme als internationale Koproduktionen zu deklarieren, denn für die gab es Subventionen. Man musste dazu ein internationales Team vorweisen – zur Not auch eins, das nur auf dem Papier existierte. Im Fall Klimovskys, des Argentiniers, wurde dies reichlich ausgenutzt. Nichtsdestotrotz konnte er mit einem Streifen wie Quinto (wenn auch unter Einsatz äußerst bescheidener Mittel) zeigen, dass er Filmemacher aus Leidenschaft war.

Interessanterweise enthält Quinto mit seinem isolierten, klaustrophobischen Setting verschiedene Szenen, die eher aus einem Giallo oder einem Horrorfilm als aus einem Western zu stammen scheinen. Horrorfilme machte in Spanien anfangs eigentlich nur Jess Franco. 1968 aber löste Darsteller und Drehbuchautor Paul Naschy mit La marca del hombre lobo, dem ersten von elf Filmen über den Werwolf Waldemar Daninsky, einen regelrechten Boom aus. 1970 gingen Naschy und Klimovsky eine Partnerschaft ein und realisierten im Laufe des Jahrzehnts acht gemeinsame Filme, die überwiegend dem Horror- und Giallo-Genre angehören. Sieht man sich Quinto an, kann man leicht den Eindruck bekommen, als habe Klimovsky auf eine solche Gelegenheit nur gewartet.

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¹ José Marco tritt peinlicherweise in Redface auf.

12. Januar 2022

Si può fare ... amigo! (1972)

Deutscher Titel: Halleluja ... Amigo / Der Dicke in Mexico / Die Brillenschlange und der Büffel · Regie: Maurizio Lucidi · Drehbuch: Rafael Azcona · Musik: Luis Bacalov · Kamera: Aldo Tonti · Schnitt: Renzo Lucidi · Produktion: Cineriz.

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Herumtreiber Coburn (Bud Spencer) begleitet den Waisenjungen Chip (Renato Cestiè) in das Städtchen Westland. Chip hat von seinem Onkel (Manuel Guitián) ein Stück Land mit einem Haus in der Nähe der Stadt geerbt. Das Haus erweist sich allerdings als Bruchbude¹ und Westland als gottverlassenes Nest. Chip ist nicht Coburns einziges Problem: Er wird von dem Zuhälter Sonny (Jack Palance) verfolgt, der überzeugt ist, Coburn habe seine Schwester Mary (Dany Saval) entehrt. Sonny will Coburn zwingen, Mary zu heiraten, und ihn gleich darauf erschießen.

Die Dinge spitzen sich zu, als Franciscus (Francisco Rabal) ein auffälliges Interesse an Chips Grundstück zeigt. Franciscus ist in Westland Pfarrer, Sheriff und Friedensrichter in einer Person, und entsprechend daran gewöhnt, seinen Willen durchzusetzen. Das aber lässt der schlagkräftige Coburn sich nicht gefallen.

Si può fare ... amigo! ist ein typischer Schnellschuss, der die Erfolgsformel der Westernkomödien Enzo Barbonis zu kopieren versuchte. Terence Hill stand anscheinend nicht zur Verfügung und wurde deshalb durch Jack Palance ersetzt. Wer aber glaubt, dass Palance hier den Hill gibt, wird enttäuscht werden. Er spielt einen Grimassen schneidenden Comedy-Schurken, der allmählich zum Verbündeten des Protagonisten wird. Sonderlich überzeugend wirkt er dabei nicht (und die Showgirls, als deren Manager er fungiert, noch weniger). Palance wurde hier leider falsch eingesetzt.

Nichtsdestotrotz: Lucidis Film weist für die Verhältnisse der Italowesternkomödie eine erstaunlich kohärente Handlung und zudem einen (leider sehr sparsam eingesetzten) Soundtrack von Luis Bacalov auf. Man muss Si può fare nicht gesehen haben, ganz klar. Aber Spencer-Fans kommen auf ihre Kosten. Bud hat in diesem Film wirklich etwas zu tun, statt nur zwischen einer obligatorischen Schlägerei und der nächsten mit verdrießlicher Miene vor einem Teller Bohnen zu sitzen. Er mochte offensichtlich Rollen, in denen er als bärbeißiger Beschützer von Kindern oder Tieren auftritt, und ist hier somit in seinem Element.

Übrigens: Das mit der kohärenten Handlung wollte der deutsche Filmverleih nicht auf sich beruhen lassen. So wurde von Karlheinz Brunnemann eine zweite Synchronisation des Films unter dem Titel Der Dicke in Mexico erstellt. Für diese Neufassung spricht eigentlich nur, dass sie um eine knappe Viertelstunde gekürzt wurde. Ihre völlig hirnverbrannten Dialoge warten u.a. mit einem sprechenden Pferd auf. Wer den Film sehen möchte, ohne am eigenen Verstand zu zweifeln, sollte unbedingt zur Erstsynchronisation (mit dem Titel Halleluja ... Amigo) greifen.

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¹ Hier wurde die Kulisse von Sweetwater aus Spiel mir das Lied vom Tod benutzt.

7. Januar 2022

Sono Sartana, il vostro becchino (1969)

Deutschter Titel: Sartana – Töten war sein täglich Brot · Regie: Giuliano Carnimeo · Drehbuch: Enzo Dell’Aquila, Ernesto Gastaldi · Musik: Vasco–Mancuso · Kamera: Giovanni Bergamini · Schnitt: Ornella Micheli · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

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In einem elaborierten heist wird die Northwestern Bank in Poker Falls um 300.000 Dollar erleichtert. Da die N.W. sich brüstet, die sicherste Bank im ganzen Westen zu sein, ist das Erschrecken groß. Der Anführer der Bankräuber trug die charakteristische Kleidung von Sartana (Gianni Garko), auf den umgehend ein Kopfgeld von 10.000 Dollar ausgesetzt wird.

Sartana, der mit der Sache nichts zu tun hat, begibt sich mit seinem Gefährten Buddy Ben (Frank Wolff) nach Poker Falls, um seinen Namen reinzuwaschen. Allerdings hat sich bereits eine Reihe von Kopfgeldjägern, darunter Shadow (José Torres), Hot Death¹ (Klaus Kinski) und Deguejo (Gordon Mitchell), an Sartanas Fersen geheftet ...

Bekanntlich ist Sartana der James Bond unter den einschlägigen Italowestern-Helden. Er hält sich gern in Spielcasinos auf und kämpft mit Tricks und allerlei Gadgets gegen Feind*innen, die seiner Finesse nicht gewachsen sind. Anders als sein Vorbild vom MI6 arbeitet Sartana jedoch nicht im Auftrag Ihrer Majestät, sondern auf eigene Rechnung. Ungewöhnlich ist, dass er in diesem Teil der Reihe mit Buddy Ben einen Sidekick verpasst bekommt.

Dabei muss man sich nichts vormachen: Die ganze Idee hat etwas von »scraping the barrel«. Ende der sechziger Jahre war kein Einfall zu abwegig, um nicht gleich eine ganze Reihe von Spaghetti-Flicks daraus zu machen. Der zweite Sartana-Film hat zwar eine übersichtlichere Handlung als der erste Teil, dafür aber eine ziemlich langweilige und vorhersehbare. Immerhin ist die Eröffnungsszene mit dem Banküberfall recht spannend inszeniert. Aber was nützt das, wenn dem Filmteam unmittelbar darauf die Luft ausgeht?

Dem Erfolg der Sartana-Filme tat das übrigens keinen Abbruch. Giuliano Carnimeo drehte noch drei Fortsetzungen, die alle 1970 ins Kino kamen. Damit die Kinogänger*innen sich nicht über einen Mangel an Wahlmöglichkeiten beklagen konnten?

Tja. Ich muss es wohl sagen: Ich bin einfach kein Sartana-Fan. Zwar mag ich sowohl Gianfranco Parolini (den Regisseur des ersten Teils) als auch Giuliano Carnimeo außerordentlich gern, aber ich vertrete die Minderheitsmeinung, dass insbesondere letzterer seine besten und interessantesten Filme außerhalb der Sartana-Reihe geschaffen hat.

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¹ Laut der deutschen Wikipedia heißt der Charakter Hot Death, laut der Spaghetti Western Database, der englischen Wikipedia und der IMDb Hot Dead, und laut der italienischen Wikipedia Hot Head. Man kann sich also aussuchen, welchen Namen man am wenigsten merkwürdig findet.