29.12.21

Vendo cara la pelle (1968)

Deutscher Titel: Zum Abschied noch ein Totenhemd · Regie: Ettore Maria Fizzarotti · Drehbuch: Giovanni Simonelli · Musik: Enrico Ciacci, Marcello Marrocchi · Kamera: Stelvio Massi · Schnitt: Daniele Alabiso · Produktion: Cinemar.

Shane (Mike Marshall) hat seine Familie an die Magdalena-Brüder Ralph (Dane Savours) und Domenique (Germano Longo) verloren. Jahre später ist Domenique Magdalena, seine kriminelle Vergangenheit bereuend, Franziskanermönch geworden. Ralph Magdalena treibt dagegen weiter sein Unwesen in dem Minenstädtchen, in dem Shanes Familie lebte. Als Shane zurückkehrt, sinnt er auf Rache und nimmt Magdalenas Spießgesellen einen nach dem anderen aufs Korn. Unterschlupf findet er bei der Witwe Bennett (Michèle Girardon), die von Benson (Spartaco Conversi), einem Mitglied der Bande, bedrängt wird. Christian (Valerio Bartoleschi), der Sohn der Witwe, beginnt zu Shane als Vaterfigur und Beschützer aufzusehen.

Öhm, ja. Im Jahr 1968 entstand in Italien also ein Remake von George Stevens’ Shane. Allerdings gibt Vendo cara la pelle (heißt übersetzt »Ich werde meine Haut teuer verkaufen«) diese Verknüpfung weder im Titel noch im Abspann zu, sondern tut hartnäckig so, als sei er der einzige Film mit dieser Story. Zu einer Zeit, als Italowestern am Fließband produziert wurden, konnte man damit anscheinend durchkommen.

Allerdings: Mike Marshall entspricht Alan Ladd als der Fremde. Michèle Girardon entspricht Jean Arthur als Mutter Marian. Valerio Bartoleschi entspricht Brandon deWilde als Sohn Joey. Es fehlt das Gegenstück zu Van Heflin als Vater Joe. Den Konflikt zwischen Shane und Joe lässt der italienische Film einfach weg.

Vendo cara la pelle ist weniger schlecht als – angesichts des Originals – überflüssig. Er ist routiniert gemacht, kein Zweifel. Allerdings verkitscht und versimpelt er die Geschichte, indem er die Jean-Arthur-Figur zur Witwe macht und somit einem Happy End mit ihr, Christian und Shane als glücklicher Kleinfamilie nichts im Wege steht. Das ist ungewöhnlich für den als ›hart‹ geltenden Italowestern und mag daran liegen, dass Regisseur Ettore M. Fizzarotti mit dem Genre nicht vertraut war. Vendo cara la pelle blieb sein einziger Western.

28.12.21

The Last Confederate: The Story of Robert Adams (2007)

Deutscher Titel: The Last Confederate – Kampf um Blut und Ehre · Regie: Julian Adams, A. Blaine Miller · Drehbuch: Julian und Weston Adams · Musik: Atli Örvarsson · Kamera: Shawn Lewallen · Schnitt: Billy Fox, Steve Purcell · Produktion: Strongbow Pictures.

Der Süden war die Stärke des Landes. Eine landwirtschaftliche Gemeinschaft, wo die Menschen noch tief verwurzelt waren, und sich an bestimmte Regeln hielten, die ihnen von ihren Vorfahren auferlegt wurden. 

So verkündet es zu Beginn eine Stimme aus dem Off – natürlich ohne zu erwähnen, dass eine dieser »bestimmten Regeln« die Sklaverei war. Dazu gibt es Bilder von spielenden Kindern, einer Kirche, einer Sklavenhütte (mit davor platzierter Familie, die aus einem Uncle-Ben’s-Werbespot entsprungen zu sein scheint), und zum Schluss ein besonders subtiles Tableau mit einem Sklaven und seinem wohlwollenden Master, die im Garten des big house eine Partie Schach spielen.

Fragt man sich, wer dieses mit einer klebrigen Schicht Kitsch überzogene Blut-und-Boden-Machwerk zu verantworten hat, stößt man auf das Vater-Sohn-Team Weston und Julian Adams. Vater Weston ist ein republikanischer Politiker, der unter Reagan Botschafter in Malawi war. Sohn Julian darf nicht nur die Hauptrolle spielen, sondern zeichnet auch als Co-Regisseur verantwortlich. Produziert und geschrieben haben die beiden den Film gemeinsam.

Es handelt sich um ein typisches vanity project: Hauptfigur ist Captain Robert Adams, ein historischer Vorfahre von Weston und Julian. Der konföderierte Offizier heiratete Eveline McCord (Gwendolyn Edwards), eine Gouvernante aus dem Norden. Leider entsprangen dieser Verbindung Nachkommen, die sich unehrlicherweise im Filmhandwerk versuchen.

Die beiden Adams beweisen anderthalb Stunden lang, dass sie aus ihrer Familiengeschichte nichts gelernt haben. Im Grunde muss man aber nur die beschriebene Eröffnungsszene gesehen haben, um über diesen Film, den die L.A. Weekly treffend als »softcore Civil War porn« bezeichnete, alles Notwendige zu wissen.

25.12.21

Johnny Oro (1966)

Deutscher Titel: Ringo mit den goldenen Pistolen · Regie: Sergio Corbucci · Drehbuch: Adriano Bolzoni, Franco Rossetti · Musik: Carlo Savini · Kamera: Riccardo Pallottini · Schnitt: Otello Colangeli · Produktion: Sanson Film.

Der mexikanische Bandit Paco Pérez (Nando Poggi) heiratet eine Frau gegen ihren Willen. Kaum tritt er vor die Kirche, wird er von dem Kopfgeldjäger Johnny Oro (Mark Damon) über den Haufen geschossen. Pacos kleiner Bruder Juanito (Franco De Rosa) bleibt am Leben. Auf ihn ist kein Kopfgeld ausgesetzt, und, so erklärt Johnny, das Töten lohnt sich nur, wenn man dafür mit Gold bezahlt wird. Nach getaner Tat geht Johnny über die Grenze ins Städtchen Coltstone. Dort sorgte Sheriff Bill Norton (Ettore Manni) für Recht, Ordnung und Spießigkeit – kein Feuerwasser an Indigene verkaufen! Jetzt will er mit Gattin Jane (Giulia Rubini) und Söhnchen Stan (Loris Loddi) in seine Bostoner Heimat zurückkehren. Doch Johnnys Ankunft macht ihm einen Strich durch die Rechnung.

Juanito Pérez dürstet es nämlich nach Rache. Zuerst lässt er Pacos Braut sowie den Priester und den Messknaben, die bei der Eheschließung zugegen waren, ermorden. Dann begibt er sich mit seiner Bande ebenfalls über die Grenze. Er schließt ein Bündnis mit dem Apache-Kriegshäuptling Sebastián (Giovanni Cianfriglia) und seinen Kriegern. Die Apache töten Nortons Nachfolger, der auf dem Weg nach Coltstone ist, und Juanito fordert die Auslieferung Johnnys. Anderenfalls werde Coltstone dem Erdboden gleichgemacht ...

Kurz bevor Sergio Corbucci mit Django das Western-Genre für immer veränderte, drehte er einen noch stark den klassischen US-Vorbildern verpflichteten Film. Johnny Oro variiert ein typisches Motiv des amerikanischen Westerns: Aufrechter Sheriff verteidigt sein Städtchen gegen gewissenlose Outlaws. Auch formell lehnt der Film sich an Hollywood an, etwa mit einer Gesangseinlage von Valeria Fabrizi in ihrer Rolle als Saloondame Margie.

Dennoch übt Corbucci auch hier schon auf subtile Weise Kritik an den großen Vorbildern. Hauptfigur Johnny Oro etwa sieht mit schwarzem Anzug, schwarzem Hut und Menjou-Bärtchen geradezu wie eine Karikatur des klassischen Western-Schurken aus. Doch Johnny ist nicht eindimensional böse, sondern eine eher ambivalente Figur. Zwar dreht sich sein ganzes Dasein um Gold. Er trägt einen goldenen Revolver und goldene Sporen. Er lehnt Papiergeld ab und besteht auf Bezahlung in Goldpesos.

Tatsächlich verpatzen die deutsche und die englische Fassung des Films diese Charakterisierung ein Stück weit, indem sie Johnny Oro in Johnny Ringo umtaufen (so auch in einem eigens aufgenommenen Titelsong, den Don Powell immer knapp am richtigen Ton vorbei schmettert). Duccio Tessaris Ringo-Filme hatten sich als Kassenschlager erwiesen, und durch die Umbenennung sollte der Eindruck erweckt werden, dass Corbuccis Werk ein Ringo-Sequel ist. Dabei ging verloren, dass Johnnys Nachname Oro buchstäblich das spanische Wort für Gold ist. In einer Schlüsselszene zu Beginn des Films spuckt Pacos unfreiwillige Braut auf den Leichnam ihres Gatten und wirft ihren Ehering fort. Johnny hebt den Ring auf, poliert ihn mit seinem Taschentuch und steckt ihn ein – immerhin ist er aus Gold.

Aber Johnny ist kein sadistischer Psychopath wie Juanito. Der lässt immerhin eine Frau, einen Priester und ein Kind umbringen, erweist sich also (nach Hollywood-Western-Maßstäben) als unnormal grausam. Ebensowenig ist Johnny ein angelsächsischer Tugendbold wie Sheriff Norton. Der steht zwar für Recht und Gesetz ein, übersieht dabei aber das wesentliche: Die braven Bürger von Coltstone, allen voran Saloonwirt Gilmore (Andrea Aureli), sind durch und durch gierig und korrupt. Auf der Suche nach Silbervorkommen haben sie den Apache ihr Land geraubt und Sebastián und seine Leute erst in Juanitos Arme getrieben. So ist Johnny letztlich weder gut noch böse, vielmehr hält er den anderen Figuren einen Spiegel vor.

Obwohl Johnny Oro handlungsmäßig noch solchen Westernklassikern wie Rio Bravo verpflichtet ist, ist Corbucci also doch schon dabei, die Genre-Konventionen zu demontieren. Wenn er dieses Vorhaben noch nicht ganz konsequent durchführt, dann liegt das wohl daran, dass er sich erst mit Django von den Handlungsschemata und dem Figurenensemble des Hollywood-Westerns lösen konnte. Auch Johnny ist noch an einen ›klassischen‹ Figurentypus angelehnt – der scheinbar gewissenlose Killer, der sich im Ernstfall dann doch auf die Seite von Recht und Gesetz schlägt. Corbuccis weitere Filme werden dann allerdings grundsätzlich in Frage stellen, was das eigentlich ist, ›Recht‹.

Aufmerksame Fans von Corbuccis Œuvre werden in Johnny Oro übrigens ein Gimmick bemerken, das der Regisseur im ungleich berühmteren Nachfolgewerk perfektionieren wird: die in einem (mehr oder minder) alltäglichem Gegenstand versteckte Waffe.