Deutscher Titel: Lederstrumpf – Der Wildtöter · Regie: Kurt Neumann · Drehbuch: Kurt Neumann, Dalton Trumbo, Carroll Young · Musik: Paul Sawtell, Bert Shefter · Kamera: Karl Struss · Schnitt: Jodie Copelan · Produktion: Regal Films.
Wildtöter (Lex Barker) und Chingachgook (Carlos Rivas) stehen dem weißen Händler Harry March (Forrest Tucker) bei, als dieser von Kriegern der Huronen überfallen wird. March erklärt, er sei auf dem Weg zu einem weißen Jäger namens Tom Hutter (Jay C. Flippen), mit dem er Geschäfte habe. Wildtöter und Chingachgook begleiten March zu Hutter, der mit seinen Töchtern Judith (Cathy O’Donnell) und Hetty (Rita Moreno) in einem Hausboot auf dem Lake Otsego lebt. Hutter erwartet, in Kürze ebenfalls von den Huronen angegriffen zu werden. Wildtöter und Chingachgook können sich aus den Geschichten des eigenbrötlerischen alten Mannes nicht so recht einen Reim machen. Er behauptet, ›Felle‹ an March zu verkaufen, aber nirgendwo auf dem Hausboot sind zum Trocknen aufgehängte Felle zu sehen. Außerdem hegt er einen fanatischen Hass auf alle Indigenen (Chingachgook eingeschlossen) und scheint es nicht zu mögen, Fremde bei sich zu beherbergen – auch dann nicht, wenn diese Fremden ihm gegen die Huronen beistehen wollen. Wildtöter und Chingachgook bleiben dennoch, nicht zuletzt, um herauszufinden, warum die Huronen es überhaupt auf Hutter abgesehen haben. Bald wird den beiden klar: Die ›Felle‹, mit denen Hutter sein Geld macht, stammen von Menschen. Er hat sich die Huronen zum Feind gemacht, weil er Skalpjäger ist.
Der aus Nürnberg stammende Regisseur Kurt Neumann ging zu Beginn der dreißiger Jahre nach Hollywood. In der Frühzeit des Tonfilms war es mangels fortgeschrittener Synchronisationstechnik üblich, Filme für die internationale Vermarktung in mehreren Sprachversionen zu drehen, manchmal sogar mit unterschiedlichem Cast.¹ Das war zunächst auch Neumanns Job: Er führte bei den deutschsprachigen Fassungen Regie, die die Studios für ihre Filme wünschten. Recht schnell etablierte sich Neumann jedoch als Genre-Regisseur aus eigenem Recht. Er drehte Komödien, Tarzanfilme und später SF-Streifen wie The Fly mit Vincent Price.
In den fünfziger Jahren realisierte Neumann mit Hiawatha (1952), Mohawk (1956) und dem hier besprochenen Deerslayer eine Reihe von Western, die auf naive Weise versuchten, die Perspektive der Indigenen zur Darstellung zu bringen (was nicht bedeutet, dass indigene Cast- oder Crew-Mitglieder an der Produktion beteiligt gewesen wären). Ein aus heutiger Sicht merkwürdiger Aspekt der zeitgenössischen Rezeption dieser Filme ist, dass ihnen »kommunistische Tendenzen« und mithin Antiamerikanismus vorgeworfen wurden. Tatsächlich waren mit Arthur Strawn und Dalton Trumbo Drehbuchautoren involviert, die in Hollywood auf der antikommunistischen Schwarzen Liste standen. Bizarr ist es dennoch, denn die betreffenden Filme sind ungefähr so antiamerikanisch wie Seifenopern oder Thanksgiving-Feiern – nämlich überhaupt nicht. Eher könne man ihnen vorwerfen, dass die Schilderung der Konflikte zwischen Indigenen und Siedler*innen in einem zu versöhnlichen Ton gehalten ist, als dass sie dem Thema gerecht werden könnten. Gerade wegen dieser Versöhnlichkeit wurde den Filmen allerdings »Pazifismus« unterstellt, und in der aufgeheizten Atmosphäre der McCarthy-Ära war Pazifismus offenbar gleichbedeutend mit Kommunismus.
Aber zurück zu The Deerslayer. Der hatte insbesondere in Deutschland eine ausgesprochen wechselhafte Geschichte. Zunächst wurde der etwa 80 Minuten lange Film für die deutschen Kinos auf magere 60 Minuten zusammengekürzt. Später wollte das ZDF ihn zeigen, hatte aber anscheinend zu viel Sendezeit zur Verfügung. Jedenfalls fand man in Mainz, dass 60 Minuten zu kurz waren. Statt sich um eine ungekürzte Kopie zu bemühen, schnitt man zu Beginn und in der Mitte des Films einige Szenen aus dem Sauerkraut-Western Die schwarzen Adler von Santa Fe (1965) hinein und erreichte damit eine Laufzeit von 75 Minuten. Doof nur, dass The Deerslayer in den 1740er Jahren an den Quellen des Susquehanna River spielt, während die Handlung von Die schwarzen Adler ungefähr 120 Jahre später in der Comanchería angesiedelt ist.
Um die eigentliche Filmhandlung mit den neu eingefügten Szenen zu verknüpfen, wurde eine neue Synchronisation erstellt. Treuherzig erklärt eine Erzählstimme aus dem Off (Hans Müller-Trenck) immer dann, wenn zu dem Material aus Die schwarzen Adler geschnitten wird, die folgenden Szenen spielten »weiter im Süden«. Natürlich kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass nichts daraus irgendetwas mit der Haupthandlung von The Deerslayer zu tun hat. Fabriziert hat den ganzen Spaß der Dokumentarfilmer Hans Schipulle, der in der ZDF-Fassung unter dem Pseudonym Clint Reinard als Co-Regisseur genannt ist. Und um der Sache die Krone aufzusetzen, wurde sie als »Extended Version« des Films auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.
Weiß man über diese Geschichte Bescheid, wirkt die ZDF-Version eher erheiternd. Es ist, als würde man einen Film mit Werbeunterbrechungen ansehen, in denen der Trailer für einen anderen Film läuft. Weiß man es nicht und hält die angebliche »Extended Version« für authentisch, wird man vermutlich vor allem irritiert sein. Jedenfalls ist es im Zweifel besser, auf die gekürzte 60-Minuten-Fassung zurückzugreifen. Die ist zwar unvollständig, aber es ist dennoch zu erahnen, dass The Deerslayer als Cooper-Verfilmung gar nicht mal so schlecht ist. Im Vergleich zu Mohawk, Neumanns unfreiwillig komisch geratenem Flick aus dem Vorjahr, wartet The Deerslayer mit einigen gelungenen Ansätzen auf.
Coopers Geschichte wurde für die Adaption an einigen Punkten geändert, auf überwiegend wohltuende Weise. So hat die Figur der Hetty anders als im Roman keine geistige Behinderung. Ihr Vater redet ihr dennoch ein, dass sie »nicht ganz richtig im Kopf« sei, um ihr Autonomiestreben einzuschränken. Denn Hetty streift gern umher und fühlt sich im Wald wohler als auf dem Hausboot des vom Hass zerfressenen Hutter mit seiner Belagerungsmentalität. Am Ende stellt sich heraus, dass der Alte sie belogen hat – Hutter hat sie als Baby aus einem indigenen Dorf geraubt, damit seine leibliche Tochter Judith eine Spielgefährtin hat. Diese Umkehrung eines typischen Western-Motivs (an die Stelle des von Indigenen entführten weißen Mädchens tritt ein indigenes Mädchen, das von einem Weißen entführt wurde), das ihm Jahr zuvor durch The Searchers ausgesprochen bekannt wurde, hätte ich einem Film wie diesem gar nicht zugetraut.²
Überhaupt ist Rita Moreno hinreißend. Auch Jay C. Flippen gibt den psychopathischen alten Skalpjäger auf überzeugende Weise, besonders in der Interaktion mit Forrest Tucker. Sie spielen Hutter und March so, dass beide sich nicht ausstehen können, aber aufgrund ihrer Gier und Furcht vor den Huronen geht es auch nicht ohne einander. March, der mit Judith verlobt ist, sieht diese zunächst als bloßes Mittel, um umso besser am einträglichen Skalpgeschäft ihres Vaters partizipieren zu können.
Im Vergleich zu diesem Ensemble mit all seinen pathologischen Verstrickungen bleibt Lex Barker, der ohnehin kein großer Schauspieler war, ein ziemlich blasser und eindimensionaler Wildtöter. Carlos Rivas’ Rolle als Chingachgook ist lediglich die eines wenig eigenständigen Sidekicks. (Letzteres mag auch daran liegen, dass etwa 20 Minuten des ursprünglichen Films fehlen.) Moreno, Flippen und Tucker sind es, die hier die Show stehlen.
Während die Neuerung, aus Hetty Hutter ein geraubtes indigenes Kind zu machen, eine gelungene Aktualisierung darstellt, ist das Ende des Films, das ebenfalls von Coopers Vorlage abweicht, in meinen Augen etwas konfliktscheu geraten. Dabei kommt die bereits angesprochene versöhnliche Haltung voll zum Tragen. Die sieht in diesem Fall vor, dass es einen redemptive arc geben muss, nämlich für Harry March. Ich muss gestehen, es hätte mir besser gefallen, wenn March am Ende die Rechnung für sein Verhalten präsentiert worden wäre. Insgesamt war Neumanns Deerslayer für mich aber interessanter, als ich erwartet hätte. Ich würde gern mal die Original-Kinofassung sehen.
¹ Das bekannteste Beispiel dafür stellen die englische und die spanische Version von Universals Dracula (1931) dar.
² 1960 erzählte John Huston in The Unforgiven eine ähnliche Geschichte, wobei er versuchte, Neumanns Kintopp durch ernsthaftes Drama zu ersetzen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen