30.1.22

Field of Lost Shoes (2014)

Deutscher Titel: North & South – Die Schlacht bei New Market · Regie: Sean McNamara · Drehbuch: Thomas Farrell, David M. Kennedy · Musik: Frederik Wiedmann · Kamera: Brad Shield · Schnitt: Jeff Canavan · Produktion: Tredegar FilmWorks.

Der alte Süden war das Land, in dem man gern tanzte und musizierte, sich gegenseitig half und freundlich zu Sklav*innen war – jedenfalls wenn man einem Film wie Field of Lost Shoes glauben schenkt. Es geht darin um die Schlacht bei New Market (1864), in der konföderierte Truppen unter General John C. Breckinridge eine Unionsarmee unter General Franz Sigel zurückschlugen. Auf konföderierter Seite kamen dabei auch 250 Kadetten des Virginia Military Institute zum Einsatz, von denen einige erst 15 Jahre alt waren. Das Schlachtfeld ist unter dem Namen »Feld der verlorenen Schuhe« bekannt, weil es so schlammig war, dass die Soldaten im Matsch ihre Schuhe verloren. Zehn der Kadetten kamen ums Leben.

Das Virginia Military Institute feiert dieses Ereignis bis heute mit einer pompösen Zeremonie. Es gehört zu den Lieblingsmythen des »Lost Cause«, also der Ideologie, dass es bei der Abspaltung des Südens um die Bewahrung einer altehrwürdigen, liebenswerten Lebensform gegangen sei, um eine noble Sache. Das mit der Sklaverei sei für die Union nur ein Vorwand gewesen, um in Old Dixie einzumarschieren und es zu zerstören.

Selbst wenn man versucht, von der Sklaverei einmal abzusehen (was kaum möglich sein dürfte), frage ich mich allerdings, was daran nobel sein soll, Kindersoldaten in die Schlacht zu schicken – und vor allem, warum man diese unselige Geschichte heute noch feiern muss. Aber wenn man liest, dass im Virginia Military Institute erst 1968 schwarze Kadetten zugelassen wurden, dass es dort üblich ist, den Ku Klux Klan zu verherrlichen, und dass vor dem Institut eine Statue des frömmelnden, sklavenhaltenden Südstaaten-Generals Stonewall Jackson steht, dann wundert mich eigentlich nichts mehr.

Field of Lost Shoes ist ein vanity project des Richmonder Kapitalisten Thomas Farrell, der den Film produzierte und auch am Drehbuch mitschrieb. Dem Bundesstaat Virginia gefiel das Projekt so sehr, dass er es gleich mit einer Million Dollar bezuschusste. Als Regisseur wurde Sean McNamara gewonnen, der normalerweise Kinderfilme macht. Da bietet es sich wohl an, auch mal einen Film über Kindersoldaten zu drehen.

Die Handlung folgt einer Gruppe befreundeter Kadetten in die Schlacht. Hauptperson ist John Wise (Luke Benward), Sohn des ehemaligen Gouverneurs von Virginia.¹ Hervorgehoben wird auch Moses Ezekiel (Josh Zuckerman), der einzige jüdische Kadett. Er liest am Ende seinem Freund, der verwundet im Lazarett liegt, aus dem Neuen Testament vor – ganz so, wie heute das evangelikale Amerika seine Juden gern hat.

General Breckinridge (Jason Isaacs), der konföderierte Kommandeur bei New Market, wird als gutmütiger Onkel gezeigt, der die jungen Kadetten nur unter schweren Gewissensbissen ins Gefecht schickt. Die eigentliche Schuld daran, suggeriert der Film, trägt ohnehin die Gegenseite: Ulysses S. Grant (Tom Skerritt) blickt mit toten Augen ins Leere und hält lange Monologe darüber, wie gründlich er den Süden vernichten will. Da wird es sogar Abe Lincoln (Michael Krebs) mulmig, wenn er diesem Psychopathen zuhören muss. Und General Sigel (Werner Daehn), der Kommandeur der Unionstruppen in der Schlacht, ist ein selbstherrlicher Karrierist mit mangelnder Impulskontrolle, denn der Hauch eines Widerspruchs sofort in kreischende Wutanfälle versetzt. Wenn es gegen solche Monster geht, soll das wohl heißen, dann muss man halt auch Kinder an die Front ziehen lassen.

Aber wie hält es der Film mit der Sklaverei? Ganz einfach: Er unterbricht regelmäßig die Handlung, um ultrapeinliche Episoden einzufügen, die zeigen sollen, wie gütig man sich im Süden gegenüber Sklav*innen verhielt. Einmal soll ein Sklave des Instituts (Keith David) gehängt werden, weil er Lebensmittel hortet. Sofort bieten die Kadetten an, sich an seiner Stelle hängen zu lassen. Ihre Vorgesetzten sind davon so gerührt, dass sie den Sklaven laufen lassen. Ein anderes Mal unterbrechen die Kadetten ihren Marsch an die Front, um einer jungen Sklavin (Tiffany Flournoy) zu helfen, deren Bein unter einem umgestürzten Karren eingeklemmt ist. Bezeichnenderweise zeigt der Film die versklavte Frau auf der Flucht vor den anrückenden Unionstruppen – denn wer will schon frei sein, wenn man sich in der Not von höflichen jungen Gentlemen in grauen Uniformen helfen lassen kann.

Diese letztere Episode halte ich für besonders perfide. Tatsächlich war es in der Regel so, dass Sklav*innen die Flucht hinter die Linien der Unionstruppen versuchten, sobald sich ihnen die Gelegenheit bot. Das traf auch auf vergleichsweise privilegierte house slaves zu. Da zum patriarchalischen Selbstverständnis der sezessionistischen Staaten die Behauptung gehörte, dass die Sklav*innen mit ihrem Los im Grunde zufrieden seien, löste dieser offenkundige Widerspruch eine Welle von Hass und Gewalt gegen Schwarze aus, die nach dem Krieg nahtlos in die Lynchmorde und die Aktionen des KKK überging.

Filme wie Field of Lost Shoes oder The Last Confederate sind mehr als nostalgische Geschichtsklitterei, sie sind reine Propaganda, die ihre Botschaft mit stupider Aufdringlichkeit verbreitet.

¹ Wise Senior (John Rixey Moore), der Ex-Gouverneur, wird im Film als Gegner der Sezession und der Sklaverei dargestellt. Sein historisches Vorbild allerdings stimmte für die Sezession und nannte die Sklaverei wortwörtlich ein »Geschenk des Himmels«.

25.1.22

Quinto: non ammazzare (1969)

Deutscher Titel: Quinto, töte nicht / Blutige Dollars · Regie: León Klimovsky · Drehbuch: Manuel Martínez Remís, Dino De Rugieriis · Musik: Piero Umiliani · Kamera: Giuseppe La Torre · Schnitt: Antonio Gimeno · Produktion: Cines Europa, R. M. Films.

Blackie (Alfonso Rojas), Kate (Sarah Ross), Hank (Alfonso de la Vega), Jones (José Luis Lluch), Al (Joe Kamel), Navajo (José Marco), Sucre (Germán Cobos) und Vincent (Gonzalo de Esquiroz) überfallen eine Bank und richten dabei ein Blutbad an. Auf der Flucht bleibt Vincent angeschossen zurück und wird von den Stadtbewohner*innen gelyncht.

Die übrigen sieben Bandenmitglieder verstecken sich in einer zugigen Höhle in den Bergen. Als sie sich ans Aufteilen der Beute machen wollen, entdecken sie, dass das geraubte Geld verschwunden ist. Da sie während des Überfalls identische Masken trugen, verdächtigen sie sich alle gegenseitig.

Die Bürger, deren Geld auf der überfallenen Bank lag, beraten, was zu tun ist. Ein anonymer Fremder bietet an, die Bande für eine Belohnung von 10.000 Dollar aufzuspüren. Die braven Bürger akzeptieren das Angebot, aber nicht ohne festzulegen, dass der Fremde seinen Lohn nur dann bekommt, wenn er auch das geraubte Geld zurückbringt.

Die Bandit*innen verschanzen sich unterdessen in der Postkutschenstation Ghost Valley, die mitten im Nirgendwo liegt. Da sie die Köchin Gladys (Josefina Serratosa) erschossen haben, zwingen sie Bill (Giuseppe Cardillo), einen furchtsamen jungen Reisenden, dem Stationswirt William (Roberto Camardiel) in der Küche zur Hand zu gehen.

Die Bande verbringt ihre Tage damit, Whiskey zu trinken und zum Zeitvertreib den wehrlosen Bill zu quälen. Aber die Luft wird immer dicker und die Bandenmitglieder verdächtigen sich gegenseitig, das Geld unterschlagen zu haben. Nach einer Reihe von mysteriösen Mordanschlägen sind schließlich nur noch Blackie, Kate, Navajo und Sucre übrig. Zugleich beginnt Sucre (scheinbar aus einer Laune heraus), Bill das Schießen beizubringen ...

Quinto hat einen schlechten Ruf, und es gibt vieles, was diesen zu bestätigen scheint: Piero Umilianis Musik nervt mit unbeholfenen Gesangseinlagen. Das Make-up, das einigen Darsteller*innen aufgetragen wurde, sieht unterirdisch aus.¹ Die Dialoge (in der deutschen Synchronisation) sind dermaßen vernuschelt, dass man ihnen stellenweise kaum folgen kann. Überhaupt ist von der psychologischen Spannung, die der Film aufzubauen versucht, nicht immer etwas zu merken, denn der größte Teil des Casts glänzt nicht gerade, was die schauspielerische Leistung angeht.

Dennoch finde ich diesen Film bemerkenswert. Entstanden zu der Zeit, als dem Italowestern längst der kreative Impetus abhanden gekommen war, geht Quinto sehr ungewöhnliche Wege. Das betrifft nicht nur den Whodunit-Plot, bei dem ausgerechnet eine Gruppe von Bankräuber*innen sich gegenseitig des Diebstahls bezichtigt. Der Film wartet außerdem mit einem false protagonist auf. Denn wer annimmt, der schüchterne Bill werde sich am Ende als echter Revolverheld erweisen und die Bande auslöschen, wird enttäuscht werden. Und wer ist eigentlich der Fremde, der die Bande für 10.000 Dollar erledigen will?

Mit Roberto Camardiel ist ein Mitglied des Casts hervorzuheben. In der Rolle des ruppig auftretenden, dabei aber sensiblen Wirts William geht er voll auf. William fungiert als eine Art archetypischer Schatten Bills (man beachte die Namensgleichheit). Beide befinden sich in der Gewalt der Outlaws, aber während Bill ängstlich und zurückhaltend agiert, sucht William, der nichts mehr zu verlieren hat, die offene Konfrontation mit den Mörder*innen seiner Frau Gladys.

Quinto gehört zu den Spaghetti-Produktionen, die mit minimaler italienischer Beteiligung in Spanien entstanden sind. Regisseur León Klimovsky war von Beruf eigentlich Zahnarzt und stammte aus Buenos Aires. In Argentinien gehörte er zu den Pionieren des Amateurfilms. In den fünfziger Jahren ließ er sich in Spanien nieder und etablierte sich als Regisseur von Genrefilmen. Das war zu jener Zeit nicht schwer, denn (der Kulturverachtung des Franquismus sei Dank) lag die spanische Filmkunst darnieder. So konnte ein Seiteneinsteiger wie Klimovsky sich schnell einen Namen machen.

Im Grunde blieb Klimovsky immer ein Amateur, ein Liebhaber des Kinos. Perfektionismus war seine Sache nicht, beim Filmemachen kam es ihm auf den Spaß an. Diese Unbekümmertheit führte mitunter zu recht dubiosen Ergebnissen. Es gibt mehrere Italowestern, bei denen er als Regisseur genannt ist – die tatsächliche Arbeit wurde aber von einem Regieassistenten gemacht. Solche Arrangements hatten den Zweck, Filme als internationale Koproduktionen zu deklarieren, denn für die gab es Subventionen. Man musste dazu ein internationales Team vorweisen – zur Not auch eins, das nur auf dem Papier existierte. Im Fall Klimovskys, des Argentiniers, wurde dies reichlich ausgenutzt. Nichtsdestotrotz konnte er mit einem Streifen wie Quinto (wenn auch unter Einsatz äußerst bescheidener Mittel) zeigen, dass er Filmemacher aus Leidenschaft war.

Interessanterweise enthält Quinto mit seinem isolierten, klaustrophobischen Setting verschiedene Szenen, die eher aus einem Giallo oder einem Horrorfilm als aus einem Western zu stammen scheinen. Horrorfilme machte in Spanien anfangs eigentlich nur Jess Franco. 1968 aber löste Darsteller und Drehbuchautor Paul Naschy mit La marca del hombre lobo, dem ersten Film über den Werwolf Waldemar Daninsky, einen regelrechten Boom aus. 1970 gingen Naschy und Klimovsky eine Partnerschaft ein und realisierten im Laufe des Jahrzehnts acht gemeinsame Filme, die überwiegend dem Horror- und Giallo-Genre angehören. Sieht man sich Quinto an, kann man leicht den Eindruck bekommen, als habe Klimovsky auf eine solche Gelegenheit nur gewartet.

¹ José Marco tritt peinlicherweise in Redface auf.

12.1.22

Si può fare ... amigo! (1972)

Deutscher Titel: Halleluja ... Amigo / Der Dicke in Mexico · Regie: Maurizio Lucidi · Drehbuch: Rafael Azcona · Musik: Luis Bacalov · Kamera: Aldo Tonti · Schnitt: Renzo Lucidi · Produktion: Cineriz.

Herumtreiber Coburn (Bud Spencer) begleitet den Waisenjungen Chip (Renato Cestiè) in das Städtchen Westland. Chip hat von seinem Onkel (Manuel Guitián) ein Stück Land mit einem Haus in der Nähe der Stadt geerbt. Das Haus erweist sich allerdings als Bruchbude und Westland als gottverlassenes Nest. Chip ist nicht Coburns einziges Problem: Er wird von dem Zuhälter Sonny (Jack Palance) verfolgt, der überzeugt ist, Coburn habe seine Schwester Mary (Dany Saval) entehrt. Sonny will Coburn zwingen, Mary zu heiraten, und ihn gleich darauf erschießen.

Die Dinge spitzen sich zu, als Ferguson¹ (Francisco Rabal) ein auffälliges Interesse an Chips Grundstück zeigt. Ferguson ist in Westland Pfarrer, Sheriff und Friedensrichter in einer Person, und entsprechend gewöhnt, seinen Willen durchzusetzen. Das aber lässt der schlagkräftige Coburn sich nicht gefallen.

Si può fare ... amigo! ist ein typischer Schnellschuss, der die Erfolgsformel der Westernkomödien Enzo Barbonis zu kopieren versuchte. Terence Hill stand anscheinend nicht zur Verfügung und wurde deshalb durch Jack Palance ersetzt. Wer aber glaubt, dass Palance hier den Hill gibt, wird enttäuscht werden. Er spielt einen Grimassen schneidenden Comedy-Schurken, der allmählich zum Verbündeten des Protagonisten wird. Sonderlich überzeugend wirkt er dabei nicht (und die Showgirls, als deren Pimp er fungiert, noch weniger).

Nichtsdestotrotz: Lucidis Film weist für die Verhältnisse der Italowesternkomödie eine erstaunlich kohärente Handlung und zudem einen (leider sehr sparsam eingesetzten) Soundtrack von Luis Bacalov auf. Man muss ihn nicht gesehen haben, ganz klar. Aber Spencer-Fans kommen auf ihre Kosten. 

Im Unterschied zu manchen späteren Auftritten ist das Typecasting nämlich noch nicht so ausgeprägt. Spencer der Schauspieler hat in diesem Film wirklich etwas zu tun, statt nur zwischen einer obligatorischen Schlägerei und der nächsten mit verdrießlicher Miene vor einem Teller Bohnen zu sitzen. Spencer mochte Rollen, in denen er als bärbeißiger Beschützer von Kindern oder Tieren auftritt, und hier war er in seinem Element.

Übrigens: Das mit der kohärenten Handlung wollte der deutsche Filmverleih nicht auf sich beruhen lassen. So wurde von Karlheinz Brunnemann eine zweite Synchronisation des Films unter dem Titel Der Dicke in Mexico erstellt. Für diese Neufassung spricht eigentlich nur, dass sie um eine knappe Viertelstunde gekürzt wurde. Ihre völlig hirnverbrannten Dialoge warten u.a. mit einem sprechenden Pferd auf. Wer den Film sehen möchte, ohne am eigenen Verstand zu zweifeln, sollte unbedingt zur Erstsynchronisation (mit dem Titel Halleluja ... Amigo) greifen.

¹ Ferguson heißt in einigen Sprachfassungen des Films Franciscus.

7.1.22

Sono Sartana, il vostro becchino (1969)

Deutschter Titel: Sartana – Töten war sein täglich Brot · Regie: Giuliano Carnimeo · Drehbuch: Enzo Dell’Aquila, Ernesto Gastaldi · Musik: Vasco–Mancuso · Kamera: Giovanni Bergamini · Schnitt: Ornella Micheli · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

In einem elaborierten heist wird die Northwestern Bank in Poker Falls um 300.000 Dollar erleichtert. Da die N. W. sich brüstet, die sicherste Bank im ganzen Westen zu sein, ist das Erschrecken groß. Der Anführer der Bankräuber trug die charakteristische Kleidung von Sartana (Gianni Garko), auf den umgehend ein Kopfgeld von 10.000 Dollar ausgesetzt wird.

Sartana, der mit der Sache nichts zu tun hat, begibt sich mit seinem Gefährten Buddy Ben (Frank Wolff) nach Poker Falls, um seinen Namen reinzuwaschen. Allerdings hat sich bereits eine Reihe von Kopfgeldjägern, darunter Shadow (José Torres), Hot Death (Klaus Kinski) und Deguejo (Gordon Mitchell), an Sartanas Fersen geheftet ...

Bekanntlich ist Sartana der James Bond unter den einschlägigen Italowestern-Helden. Er hält sich gern in Spielcasinos auf und kämpft mit Tricks und allerlei Gadgets gegen Feind*innen, die seiner Finesse nicht gewachsen sind. Anders als sein Vorbild vom MI6 arbeitet Sartana jedoch nicht im Auftrag Ihrer Majestät, sondern auf eigene Rechnung. 

Dabei muss man sich nichts vormachen: Die ganze Idee hat etwas von »scraping the barrel«. Ende der sechziger Jahre war kein Einfall zu abwegig, um nicht gleich eine ganze Reihe von Spaghetti-Flicks daraus zu machen. Dieser zweite Sartana-Film hat zwar eine übersichtlichere Handlung als der erste Teil, dafür aber eine ziemlich langweilige und vorhersehbare. Immerhin ist die Eröffnungsszene mit dem Banküberfall recht spannend inszeniert. Aber was nützt das, wenn dem Filmteam unmittelbar darauf die Luft ausgeht?

Dem Erfolg der Sartana-Filme tat das übrigens keinen Abbruch. Giuliano Carnimeo drehte noch drei Fortsetzungen, die alle 1970 ins Kino kamen. Damit die Kinogänger*innen sich nicht über einen Mangel an Wahlmöglichkeiten beklagen konnten?

Außerdem gab es (nicht anders als bei Ringo, Django, Sabata und Trinità) im Anschluss eine Schwemme von inoffiziellen Sartana-Filmen, sowie von solchen, in denen der Held qua Synchronisation in Sartana umbenannt wurde.

6.1.22

La strada per Fort Alamo (1964)

Deutscher Titel: Der Ritt nach Alamo · Regie: Mario Bava · Drehbuch: Livia Contardi, Vincenzo Gicca Palli, Francesco Prosperi · Musik: Piero Umiliani · Kamera: Ubaldo Terzano · Schnitt: Mario Serandrei · Produktion: Protor Film, Achille Piazzi Produzioni, Comptoir Français du Film Production.

Der Südstaatler Bud¹ (Ken Clark) verlor seinen Lebensmittelpunkt, als Unionstruppen im Bürgerkrieg seine Farm niederbrannten. Seitdem streift er ziellos durch den Westen. Als er einen Haufen von Osage-Indigenen getöteter Kavalleristen findet, glaubt er an eine Wende in seinem Leben. Bei der Leiche eines Offiziers findet er einen Scheck über 150.000 Dollar – anscheinend waren die Soldaten unterwegs, um ausstehende Soldzahlungen abzuholen.

Bud freundet sich mit dem jungen Banditen Kincaid (Alberto Cevenini) an. Dessen Bande, geführt von Carson (Michel Lemoine), soll ihm helfen, den Scheck unauffällig zu Geld zu machen. Gekleidet in die Uniformen der toten Soldaten, betreten Bud und die Outlaws die Bank. Doch Carson erweist sich als unfähig, auch nur für einige Minuten in seiner Rolle zu bleiben. Als der Coup aufzufliegen droht, schießt er kurzerhand den Sheriff und eine unbeteiligte Bankkundin nieder.

Bud und Kincaid haben angesichts des Blutvergießens Gewissensbisse, worauf Carson sie unbewaffnet in der Einöde zurück lässt. Mit seinen restlichen Leuten und zwei Satteltaschen voller Geldscheine macht Carson sich davon.

Gerettet werden Bud und Kincaid von einem Konvoi, den Captain Hull (Antonio Gradoli) befehligt. Er besteht aus einer Gruppe von Offiziersfrauen und ihrer Eskorte, die das Gebiet der Osage durchqueren, um zum Kavalleriestützpunkt Fort Alamo zu gelangen. Hull ist ein aufgeblasener Kommisskopp und nicht bereit, angesichts der gefährlichen Umstände auch nur einen Millimeter von seiner geliebten militärischen Disziplin abzuweichen. Ebenfalls bei dem Konvoi befindet sich Janet (Jany Clair), die als Häftling nach Fort Alamo gebracht wird. Sie hat einen Soldaten getötet, der sie vergewaltigen wollte. Nun soll ihr vor einem Standgericht der Prozess gemacht werden. Janet und Bud kommen sich bald näher.

Der scharfsinnige Sergeant Warwick (Gustavo De Nardo) merkt schnell, dass Bud und Kincaid keine versprengten Soldaten sind, sondern verkleidete Gesetzlose. Aber er verrät sie nicht, denn ihm ist klar, dass sie über mehr frontier-Erfahrung verfügen als sämtliche anderen Mitglieder des Konvois. Und angesichts von Captain Hulls Ignoranz ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Wagenzug den Osage ausgeliefert ist. Warwicks Befürchtungen bestätigen sich, als auch Carson von dem Konvoi aufgegriffen wird. Er hat nur noch eine der beiden wertvollen Satteltaschen bei sich. Die andere ist den anrückenden Osage in die Hände gefallen ...

Mario Bavas Westernfilme genießen keinen guten Ruf: Der Regisseur, der in den Genres des Gothic Horror und des Giallo brillierte, habe sich im Westernbereich als völlig untalentiert erwiesen. Ich glaube, dass diese Einschätzung zumindest in Bezug auf La strada per Fort Alamo nicht zutrifft. Im Jahr 1964 hatte man in Italien gerade erst angefangen, Western zu produzieren. Der Erfolg der westdeutschen Karl-May-Filme seit 1962 hatte gezeigt, dass man in Europa überhaupt Wildwestfilme machen konnte. Daran wollte die italienische Filmindustrie anknüpfen, aber würde es funktionieren? Ein allzu großes Risiko wollte man vorerst nicht eingehen.

Angesichts dessen ist es nicht weiter verwunderlich, dass Mario Bava, als er einen der ersten italienischen Western drehte, mit dem Studio um jede einzelne Lira kämpfen musste. Dem Film ist das deutlich anzusehen. Eine Einstellung, die im Dunkeln spielen soll, wurde bei hellem Tageslicht gefilmt. Und die künstlichen Kakteen, die allenthalben in der Landschaft herumstehen, lassen die berüchtigten Styroporfelsen der Sandalenfilme geradezu naturalistisch wirken. Auch sonst zeigt der Film in zahlreichen Details mehr Enthusiasmus als Sachkenntnis.²

Den widrigen Umständen zum Trotz beweist Bava seine Eigenständigkeit, indem er das konventionelle Figurenarsenal des Kavalleriewesterns total gegen den Strich bürstet: Captain Hull ist kein braver Befehlshaber, sondern ein selbstgerechter Leuteschinder, der während des Bürgerkriegs degradiert wurde, weil er seine Truppen sinnlos ins feindliche Feuer hetzte. Die Offiziersgattinnen sind keine bodenständigen Siedlerfrauen, sondern verhalten sich hochnäsig und sind allein auf ihren Komfort bedacht. Carson versagt als Bandenchef völlig, indem er erst den heist in der Bank verpatzt und sich dann auch noch die Hälfte der Beute abjagen lässt. Nicht einmal Bud und Kincaid wirken als Held und Sidekick sonderlich souverän, sondern stolpern eher von einer verfänglichen Situation in die nächste.

Bavas Prinzip ist, Figuren zu zeigen, die den Herausforderungen der frontier schlicht nicht gewachsen sind. In einer Szene lässt er die Soldaten rätseln, warum die Osage Carson eine der Satteltaschen mit Geldscheinen abgenommen haben. Schließlich sei allgemein bekannt, dass Indianer mit Papiergeld nichts anfangen könnten. Aber es dauert nicht lang, bis die Osage-Krieger zeigen, dass sie doch etwas mit den Banknoten anfangen können: In der unvermeidlichen Konfrontation zwischen der Kavallerie und den Osage lagern die verfeindeten Gruppen an den entgegengesetzten Ufern eines Flusses. Die Osage lassen die Dollarscheine nach und nach den Fluss heruntertreiben, und immer wieder vermögen einzelne Soldaten der Gier nicht zu widerstehen, stürzen sich zum Wasser hinunter und geraten in die Schusslinie der Osage.

Im Grunde sind die einzigen Figuren, die wirklich gut davonkommen, die wehrhafte Janet und der bauernschlaue Sergeant Warwick – was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass sie Bud im finalen Duell mit Carson den Arsch retten.

Sergio Leones Per un pugno di dollari entstand etwa zeitgleich mit Bavas Film. Leones neuartige Ästhetik sorgte dafür, dass nahezu alle künftigen Italowestern ihm als Vorbild nacheiferten. Bavas Film ist dagegen noch frei von den Manierismen, die Leone etablierte. Anders als Leones Werk hätte La strada per Fort Alamo auch kaum ein eigenes Western-Subgenre etablieren können. Aber wer einen Film zu schätzen weiß, der mit eher unauffälliger Ironie die Hollywood-Vorbilder kommentiert, kann damit nicht falsch liegen.

¹ Die Namen der Figuren variieren je nach Synchronisation. Ich halte mich hier an die deutschsprachige Fassung des Films.

² Auf anziehende Weise komisch finde ich zum Beispiel, dass die Autor*innen des Films angesichts der zeitgenössischen Inflation der Lira augenscheinlich keine Vorstellung davon hatten, was für eine gewaltige Summe 150.000 US-Dollar im 19. Jahrhundert waren.

4.1.22

... se incontri Sartana prega per la tua morte (1968)

Deutscher Titel: Sartana – Bete um deinen Tod · Regie: Gianfranco Parolini · Drehbuch: Werner Hauff, Renato Izzo, Gianfranco Parolini · Musik: Piero Piccioni · Kamera: Sandro Mancori · Schnitt: Edmondo Lozzi · Produktion: Paris Étoile Film, Parnass Film.

El Moreno (Sal Borgese) überfällt im Auftrag des mexikanischen Räubergenerals Tampico (Fernando Sancho) eine Postkutsche, die eine Kiste Gold geladen hat. Die Beute wird jedoch unverzüglich von Lasky (William Berger) und seiner Bande ein zweites Mal geraubt. Lasky wiederum hat keine Lust, mit seinen Leuten zu teilen, und massakriert sie kurzerhand mit einer Gatling Gun. Aber als er die Kiste öffnet, enthält sie nichts als Steine. Sartana (Gianni Garko) beobachtet die blutigen Geschehnisse aus dem Hintergrund heraus.

Fortan sind alle hinter dem verschwundenen Gold her – El Tampico, der Bandit Lasky, und nicht zuletzt die Bank, der das Gold gehört. Alle haben sie ihre eigenen schmutzigen Absichten, doch merken sie nicht, dass sie von Sartana gegeneinander ausgespielt werden.

1966 spielte Gianni Garko in Alberto Cardones Film 1000 dollari sul nero eine Figur namens Sartana. In Westdeutschland lief der Streifen recht erfolgreich unter dem Titel Sartana im Kino. Daraus entstand die Idee, ›Sartana‹ zum Helden einer Filmreihe auszubauen, ähnlich wie Clint Eastwoods ikonische Figur aus der Dollar-Trilogie. Darsteller Gianni Garko war einverstanden, aber unter einer Bedingung: Sartana sollte keine generische Rächergestalt sein. Gianfranco Parolini, der vorgesehene Regisseur, war ein großer Bond-Fan und schlug vor, ihn zu einer Art James Bond des Wilden Westens zu machen. So blieben zwar der Darsteller und der Name gleich, es entstand aber eine völlig neue Figur, die zwischen 1968 und 1970 in fünf Filmen auftrat. Cardones 1000 dollari, der die Inspiration lieferte, gilt deshalb nicht als offizieller Beitrag zur Reihe.

Der neue Sartana ist in der Tat der international man of mystery des Italowesterns. Er läuft nicht in einem abgerissenen Poncho oder Staubmantel herum, sondern ist mit Krawatte und schwarzem Cape mit roter Fütterung tadellos gekleidet. Im Kampf benutzt er gern ausgefallene Gadgets. Zudem scheint er mit geradezu übernatürlichen Fähigkeiten der Tarnung und Täuschung ausgestattet zu sein.

Der erste Film der Sartana-Reihe folgt auch im Handlungsschema dem Vorbild der Bond-Filme: Was da passiert und warum, ist kaum zu überblicken und ohnehin nicht so wichtig. Es kommt allein darauf an, dass immer aberwitzigere Konfrontationen stattfinden. Leider geht dieses Konzept in ... se incontri Sartana nicht immer gut auf. Der Film enthält zahlreiche unentwickelte Keime, die erst in Parolinis späteren Streifen so richtig zur Geltung kommen sollten. Parolini hätte die Hauptfigur auch gern weiterentwickelt (und insbesondere das Mysteriöse an ihr noch stärker betont), konnte sich mit seinen Vorstellungen aber nicht durchsetzen. Folgerichtig verließ er die Sartana-Reihe gleich wieder, um sich seinem neuen Helden Sabata, gespielt von Lee Van Cleef, zu widmen. Die Sartana-Fortsetzungen wurden dagegen allesamt von Giuliano Carnimeo inszeniert.

In Nebenrollen sind Sydney Chaplin als glattzüngiger Strippenzieher, Klaus Kinski als messerwerfender Killer und Franco Pesce als kalauernder Totengräber zu sehen.