24.2.25

Tutti per uno ... botte per tutti (1973)

Deutscher Titel: Alle für einen, Prügel für alle · Regie: Bruno Corbucci · Drehbuch: Peter Berling, Tito Carpi, Bruno Corbucci, Leonardo Martino · Musik: Carlo Rustichelli · Kamera: Rafael Pacheco · Schnitt: Vincenzo Tomassi · Produktion: Capitolina Produzioni Cinematografiche, Dieter Geissler Filmproduktion, Star Films.

Dart (Giancarlo Prete) will in die Fußstapfen seines Vaters (Pietro Tordi) treten und Texas Ranger werden. Ihm zu Ehren veranstaltet Darts Heimatörtchen Cheese Valley ein Abschiedsfest, das in einer großen Schlägerei endet. Unterwegs kehrt Dart in einem Saloon-Hotel ein, in dem er mit einem gewissen Mendoza verwechselt wird, sehr zum späteren Missvergnügen des echten Mendoza (José Canalejas). Aufgrund der Verwechslung macht Dart die Bekanntschaft von Leduc (Eduardo Fajardo), einem schwerreichen Bankier aus New Orleans. Der will einem mexikanischen Caudillo im Austausch gegen geschäftliche Vorteile eine größere Menge Gold zuschanzen und wartet deshalb auf den Emissär des Caudillos, den besagten Mendoza.

Als nächstes trifft Dart auf McAthos (George Eastman), Portland (Cris Huerta) und Aramirez (Leo Anchóriz), drei geschasste Texas Ranger, die ihm berichten, dass aufgrund des bei den Rangern herrschenden Austeritätskurses leider keine Chancen auf eine Anstellung bestehen. Dart hat aber auch schon eine neue Idee. Er will der Ärztin Alice Ferguson (Karin Schubert) Geleitschutz geben, die eine Wagenladung Impfstoff nach San Fermín in Mexiko bringen soll. Die humanitäre Aktion ist aber nur ein Vorwand: Versteckt in einem doppelten Boden transportiert der Wagen das von Leduc gelieferte Gold. Auch McAthos, Portland und Aramirez spekulieren, dass der Wagen nicht nur Impfdosen geladen hat, und wanzen sich ebenfalls an Dr. Ferguson ran.

Natürlich erleben die Fünf auf ihrem Weg eine Reihe von Abenteuern mit stetig ansteigendem Albernheitsgrad, und natürlich führen diese Abenteuer immer wieder zu ausführlichen Prügeleien. So begegnen sie einer Bande in Felle gekleideter Outlaws, die mit Hilfe von Sprungstäben durch die Gegend hüpfen,¹ und kommen in ein von chinesischen Auswander*innen gegründetes Dorf, in dem Dart ungeahnte Fähigkeiten als Kung-Fu-Kämpfer entwickelt. Am Ende treffen sie auf einen Wanderzirkus, dessen deutscher Direktor Baron von Horn (Max Turilli) wie eine Cartoon-Version Erich von Stroheims aussieht.

Das Konzept, Die drei Musketiere als Prügelwestern nachzuerzählen, hat bei mir gewisse Erwartungen geweckt. Denn zumindest hätte die Orientierung an Dumas’ Mantel-und-Degen-Klassiker dem Film das verschafft, was den meisten Vertretern seines Subgenres von vornherein abgeht: einen Plot. Leider gerät das Konzept schnell in Vergessenheit. Bis etwa zu dem Zeitpunkt, als Dart auf Dr. Ferguson trifft, wird auf gar nicht mal so ungeschickte Weise etabliert, dass Dart natürlich D’Artagnan entspricht, Mendoza für Rochefort steht und Leduc für Richelieu. (Das Trio McAthos, Portland und Aramirez erklärt sich ohnehin selbst.) Aber leider hört es an dieser Stelle auch schon wieder auf. Dr. Ferguson ist keine Lady de Winter, und die Handlung löst sich in eine Reihe von Gaga-Episoden auf, wie sie für das Subgenre typisch sind.

Schauspielerisch sieht es auch nicht besser aus. Giancarlo Prete ist bemerkenswert unlustig, obwohl (oder weil) er in seiner Latzhose fast so clownhaft aussieht wie die später auftretende Zirkusmannschaft. George Eastman nuckelt ständig an einer Limonadenflasche und wirkt dadurch wie ein zwei Meter großer Achtjähriger. Cris Huerta versucht sich als billiger Bud-Spencer-Ersatz, der alle fünf Minuten nach einer Mahlzeit verlangt. Karin Schubert und Eduardo Fajardo geben sich durchaus Mühe, haben aber keine Chance, gegen den geballten Unsinn des Drehbuchs (so es denn eines gab) anzukommen.

Erstaunlich ist, dass für den Film in mancher Hinsicht durchaus Aufwand betrieben wurde. Die Kulissen und Drehorte wurden meinem Eindruck nach mit mehr Sorgfalt ausgesucht, als es für Produktionen dieser Art üblich war. Und für die Episode, die in dem chinesischen Dorf spielt, wurden die hauptsächlichen Mitglieder des Casts sogar nach Taiwan eingeflogen. Mir scheint, dass Bruno Corbucci und seinem Team für Tutti per uno gar nicht mal wenig Geld zugesteckt wurde. Leider hat er es für eine Aneinanderreihung von visuellen Flachwitzen verprasst. Man hätte es sinnvoller nutzen können, um die Idee »drei Musketiere im Wilden Westen« wenigstens konsequent durchzuspielen. Das hätte nicht unbedingt einen gelungenen, aber vielleicht einen interessanten Film ergeben.

Andererseits gilt bei italienischen Westernkomödien das Prinzip: Schlimmer geht immer. Brunos Bruder Sergio bewies das zwei Jahre später auf schlagende Weise mit Il bianco, il giallo, il nero. Ganz so tief sinkt dieses Filmchen hier dann doch nicht.

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¹ Sonderlich überzeugend ist das nicht dargestellt, denn mehr als ein paar ungelenke Hopser bekommt man im Bild nicht zu sehen.

18.2.25

Der letzte Mohikaner (1965)

Regie: Harald Reinl · Drehbuch: Joachim Bartsch · Musik: Peter Thomas · Kamera: Ernst Kalinke · Schnitt: Hermann Haller · Produktion: International Germania Film.

Gleich nach dem Kassenerfolg von Der Schatz im Silbersee (1962) plante der Constantin-Filmverleih, neben den Karl-May-Flicks ein weiteres Western-Franchise zu etablieren. Coopers Leatherstocking Tales boten sich dafür an. Sie waren gemeinfrei und beim deutschen Publikum so bekannt wie beliebt, allerdings meist in Form von gekürzten, »für die Jugend bearbeiteten« Übersetzungen. Die Originale kannte so gut wie niemand. Für eine Verfilmung war das nicht unbedingt ein Nachteil, denn es bedeutete, dass man mit den Vorlagen relativ frei umgehen konnte. Am Ende dauerte es dann etwas länger (Stammregisseur Reinl war mit den May-Filmen und anderen Projekten vollauf beschäftigt) und anstelle eines Franchise wurde nur ein Cooper-Film realisiert.¹ Das mag verschiedene Gründe gehabt haben. Doch stellt sich die Frage, ob bei dieser Version von Der letzte Mohikaner nicht zu frei mit der Vorlage umgegangen wurde.

Mit der Herstellung beauftragt wurde die Firma International Germania Film, die auf deutsch-spanische Koproduktionen spezialisiert war. Gedreht wurde in Spanien. Wohl um den Film näher an die Karl-May-Welle heranzuführen, verlegte man die Handlung in die Zeit nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg in den fernen Westen.² Aus den Rotröcken der Vorlage wurden Soldaten der U.S. Cavalry. Aus den Franzosen wurde eine Bande von Outlaws. Die wichtigsten Figuren wurden (mit leichten Namensänderungen) übernommen. So weit passt das auch. Offen bleibt aber die Frage, wie es die mohikanischen und huronischen Ureinwohner*innen aus Coopers Roman in diese Zeit und diese Gegend verschlagen haben soll.

Der Film beginnt mit dem Angriff der Krieger Maguas (Ricardo Rodríguez) auf das Zeltdorf der Mohikaner*innen. Diese haben aus Maguas Sicht Verrat geübt, weil sie mit den Weißen in Frieden leben. Als einzige entgehen der mohikanische Häuptling Chingachgook (Mike Brendel) und sein Sohn Unkas (Daniel Martín) dem Tod. Doch Chingachgook erliegt bald seinen schweren Verletzungen. Unkas zieht mit seinem weißen Freund Falkenauge (Anthony Steffen) los, um sich an Magua zu rächen.

Magua hat sich mit dem Banditen Roger (Stelio Candelli) und seiner Gang verschworen. Gemeinsam überfallen sie einen Transport der Kavallerie, der aus einem Wagen voller Gold und einem Wagen voller Schießpulver besteht. Das Schießpulver fällt ihnen in die Hände. Der Wagen mit Gold wird von einigen überlebenden Kavalleristen in die stark befestigte Ranch von Oberst Munroe (Carl Lange) gerettet. Fortan belagern Maguas Krieger und Rogers Banditen die Ranch.

Magua fängt eine Botschaft an Oberst Munroe ab: Seine Töchter Cora (Karin Dor) und Alice (Marie France) befinden sich auf dem Weg zur Ranch, wurden aber durch eine beschädigte Brücke aufgehalten. Begleitet werden sie von einer Kavallerie-Eskorte unter dem Befehl von Hauptmann Bill Hayward (Joachim Fuchsberger). Magua gibt sich gegenüber Hayward als Scout aus, der von Oberst Munroe geschickt wurde, um die Reisenden auf dem Weg durch eine Schlucht zur Ranch zu führen. In der Schlucht liegen Maguas Krieger im Hinterhalt. Das rechtzeitige Eintreffen Unkas’ und Falkenauges verhindert ein Gemetzel.

Es gelingt den Verbündeten, sich durch den Belagerungsring zur Ranch durchzuschlagen. Jedoch plant Roger, mit dem erbeuteten Schießpulver eine oberhalb von Munroes Anwesen gelegene Klippe zu sprengen, um den Palisadenzaun der Ranch durch eine Steinlawine zu zerstören ...

Abgesehen von den bereits erwähnten Abweichungen fällt auf, wie sehr Unkas und Falkenauge auf Winnetou und Old Shatterhand getrimmt sind. Sogar ihre Synchronsprecher (Thomas Eckelmann und Horst Niendorf) sind die von Pierre Brice und Lex Barker. Ebenso wie Winnetou redet Unkas gern in der dritten Person; häufig ist sein »Herz betrübt«, wenn Uneinigkeit unter Indigenen und Weißen herrscht. Einen bemerkenswerten Unterschied gibt es aber: Unkas steht klar im Mittelpunkt. Während Winnetou und Shatterhand als gleichberechtigtes Duo auftreten, ist hier Unkas der Protagonist. Falkenauge bleibt eine ziemlich schwach konturierte Nebenfigur. Sein Darsteller Anthony Steffen (in seiner ersten Westernrolle) darf nur wenige Dialogzeilen sprechen.

Das wirft die Frage auf: Wenn Der letzte Mohikaner als Auftakt zu einem Franchise gedacht war, wie hätte dieses aussehen sollen? Entsprechend der Vorlage stirbt Unkas am Ende des Films. Ganz und gar nicht entsprechend der Vorlage ist sein Vater Chingachgook zu Beginn nur einige Minuten lang zu sehen, bevor er ebenfalls stirbt. Wer hätte also in einer möglichen Fortsetzung die Hauptfigur sein sollen? Etwa Falkenauge, der hier kaum als eigenständiger Charakter realisiert ist? Ich werde den Eindruck nicht los, dass diese Produktion sich durch den äußerst sorglosen Umgang mit Coopers Story selbstverschuldet in eine Situation brachte, in der es kaum möglich gewesen wäre, eine Fortsetzung zu konzipieren, die einigermaßen sinnvoll an den Film anknüpft.

Insofern wundert es mich nicht, dass es nie zu einer Fortsetzung kam. Obwohl dieser Letzte Mohikaner auch seine Stärken hat. Für Harald Reinl typische aufwändige set pieces, Pyrotechnik im großen Stil und gelungene Massenszenen sind etwas, wovon etwa die meisten zeitgenössischen Spaghetti-Produktionen nur träumen konnten. All das hätte man aber auch dann umsetzen können, wenn man etwas näher an Coopers Fabel geblieben wäre.

Statt einer Fortsetzung gab es andere Versuche, Cooper als Eurowestern zu verfilmen. Im gleichen Jahr 1965 spielte Daniel Martín erneut den Uncas (so die eigentliche Schreibweise) in einer spanisch-italienischen Low-Budget-Produktion, an der Seite von Jack Taylor, Luis Induni und Paul Muller. Zwei Jahre später zog die DEFA mit einer Verfilmung von The Deerslayer nach, in der (natürlich) Gojko Mitić als Chingachgook zu sehen war und wesentlich werkgetreuer vorgegangen wurde. 1969 folgte noch eine ZDF-Serie, die in deutsch-französischer Koproduktion entstand.³

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¹ So denn wirklich ein Franchise daraus werden sollte. Ich entnehme diese Informationen der deutschsprachigen Wikipedia, die an dieser Stelle leider keinen direkten Beleg angibt. Es gibt aber wenig Grund, daran zu zweifeln. Der westdeutschen Filmindustrie war es nur recht, wenn sie aus einem erfolgreichen Film gleiche eine Reihe von Filmen machen konnte – ob die Vorlage nun von Karl May, Edgar Wallace oder Alexander Wolf stammte.

² Coopers Roman spielt während des Siebenjährigen Kriegs im heutigen Bundesstaat New York.

³ Erwähnt werden muss an dieser Stelle, dass es schon viel früher eine deutsche Cooper-Verfilmung gab. 1920 lief mit Lederstrumpf ein zweiteiliger Film von Arthur Wellin im Kino. In der Rolle des Chingachgook war kein geringerer als Bela Lugosi zu sehen. Die Außenaufnahmen entstanden an einem Brandenburger See südlich von Berlin. Entsprechend dem Brauch der Stummfilmzeit, deutsche Western nach ihrem Drehort zu unterscheiden (man sprach von Neckar-Western und Isar-Western), muss man Lederstrumpf wohl als märkischen Western betrachten. Der erste Teil des Films ist in einer Fassung mit englischen Texttafeln erhalten. Der jüdische Regisseur Wellin wurde in den 1940er Jahren von den Nazis ermordet.