30.1.22

Field of Lost Shoes (2014)

Deutscher Titel: North & South – Die Schlacht bei New Market · Regie: Sean McNamara · Drehbuch: Thomas Farrell, David M. Kennedy · Musik: Frederik Wiedmann · Kamera: Brad Shield · Schnitt: Jeff Canavan · Produktion: Tredegar FilmWorks.

Der alte Süden war das Land, in dem man gern tanzte und musizierte, sich gegenseitig half und freundlich zu Sklav*innen war – jedenfalls wenn man einem Film wie Field of Lost Shoes glauben schenkt. Es geht darin um die Schlacht bei New Market (1864), in der konföderierte Truppen unter General John C. Breckinridge eine Unionsarmee unter General Franz Sigel zurückschlugen. Auf konföderierter Seite kamen dabei auch 250 Kadetten des Virginia Military Institute zum Einsatz, von denen einige erst 15 Jahre alt waren. Das Schlachtfeld ist unter dem Namen »Feld der verlorenen Schuhe« bekannt, weil es so schlammig war, dass die Soldaten im Matsch ihre Schuhe verloren. Zehn der Kadetten kamen ums Leben.

Das Virginia Military Institute feiert dieses Ereignis bis heute mit einer pompösen Zeremonie. Es gehört zu den Lieblingsmythen des »Lost Cause«, also der Ideologie, dass es bei der Abspaltung des Südens um die Bewahrung einer altehrwürdigen, liebenswerten Lebensform gegangen sei, um eine noble Sache. Das mit der Sklaverei sei für die Union nur ein Vorwand gewesen, um in Old Dixie einzumarschieren und es zu zerstören.

Selbst wenn man versucht, von der Sklaverei einmal abzusehen (was kaum möglich sein dürfte), frage ich mich allerdings, was daran nobel sein soll, Kindersoldaten in die Schlacht zu schicken – und vor allem, warum man diese unselige Geschichte heute noch feiern muss. Aber wenn man liest, dass im Virginia Military Institute erst 1968 schwarze Kadetten zugelassen wurden, dass es dort üblich ist, den Ku Klux Klan zu verherrlichen, und dass vor dem Institut eine Statue des frömmelnden, sklavenhaltenden Südstaaten-Generals Stonewall Jackson steht, dann wundert mich eigentlich nichts mehr.

Field of Lost Shoes ist ein vanity project des Richmonder Kapitalisten Thomas Farrell, der den Film produzierte und auch am Drehbuch mitschrieb. Dem Bundesstaat Virginia gefiel das Projekt so sehr, dass er es gleich mit einer Million Dollar bezuschusste. Als Regisseur wurde Sean McNamara gewonnen, der normalerweise Kinderfilme macht. Da bietet es sich wohl an, auch mal einen Film über Kindersoldaten zu drehen.

Die Handlung folgt einer Gruppe befreundeter Kadetten in die Schlacht. Hauptperson ist John Wise (Luke Benward), Sohn des ehemaligen Gouverneurs von Virginia.¹ Hervorgehoben wird auch Moses Ezekiel (Josh Zuckerman), der einzige jüdische Kadett. Er liest am Ende seinem Freund, der verwundet im Lazarett liegt, aus dem Neuen Testament vor – ganz so, wie heute das evangelikale Amerika seine Juden gern hat.

General Breckinridge (Jason Isaacs), der konföderierte Kommandeur bei New Market, wird als gutmütiger Onkel gezeigt, der die jungen Kadetten nur unter schweren Gewissensbissen ins Gefecht schickt. Die eigentliche Schuld daran, suggeriert der Film, trägt ohnehin die Gegenseite: Ulysses S. Grant (Tom Skerritt) blickt mit toten Augen ins Leere und hält lange Monologe darüber, wie gründlich er den Süden vernichten will. Da wird es sogar Abe Lincoln (Michael Krebs) mulmig, wenn er diesem Psychopathen zuhören muss. Und General Sigel (Werner Daehn), der Kommandeur der Unionstruppen in der Schlacht, ist ein selbstherrlicher Karrierist mit mangelnder Impulskontrolle, denn der Hauch eines Widerspruchs sofort in kreischende Wutanfälle versetzt. Wenn es gegen solche Monster geht, soll das wohl heißen, dann muss man halt auch Kinder an die Front ziehen lassen.

Aber wie hält es der Film mit der Sklaverei? Ganz einfach: Er unterbricht regelmäßig die Handlung, um ultrapeinliche Episoden einzufügen, die zeigen sollen, wie gütig man sich im Süden gegenüber Sklav*innen verhielt. Einmal soll ein Sklave des Instituts (Keith David) gehängt werden, weil er Lebensmittel hortet. Sofort bieten die Kadetten an, sich an seiner Stelle hängen zu lassen. Ihre Vorgesetzten sind davon so gerührt, dass sie den Sklaven laufen lassen. Ein anderes Mal unterbrechen die Kadetten ihren Marsch an die Front, um einer jungen Sklavin (Tiffany Flournoy) zu helfen, deren Bein unter einem umgestürzten Karren eingeklemmt ist. Bezeichnenderweise zeigt der Film die versklavte Frau auf der Flucht vor den anrückenden Unionstruppen – denn wer will schon frei sein, wenn man sich in der Not von höflichen jungen Gentlemen in grauen Uniformen helfen lassen kann.

Diese letztere Episode halte ich für besonders perfide. Tatsächlich war es in der Regel so, dass Sklav*innen die Flucht hinter die Linien der Unionstruppen versuchten, sobald sich ihnen die Gelegenheit bot. Das traf auch auf vergleichsweise privilegierte house slaves zu. Da zum patriarchalischen Selbstverständnis der sezessionistischen Staaten die Behauptung gehörte, dass die Sklav*innen mit ihrem Los im Grunde zufrieden seien, löste dieser offenkundige Widerspruch eine Welle von Hass und Gewalt gegen Schwarze aus, die nach dem Krieg nahtlos in die Lynchmorde und die Aktionen des KKK überging.

Filme wie Field of Lost Shoes oder The Last Confederate sind mehr als nostalgische Geschichtsklitterei, sie sind reine Propaganda, die ihre Botschaft mit stupider Aufdringlichkeit verbreitet.

¹ Wise Senior (John Rixey Moore), der Ex-Gouverneur, wird im Film als Gegner der Sezession und der Sklaverei dargestellt. Sein historisches Vorbild allerdings stimmte für die Sezession und nannte die Sklaverei wortwörtlich ein »Geschenk des Himmels«.

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