30.5.25

Starblack (1966)

Deutscher Titel: Django – Schwarzer Gott des Todes · Regie: Giovanni Grimaldi · Drehbuch: Giovanni Grimaldi · Musik: Benedetto Ghiglia · Kamera: Guglielmo Mancori · Schnitt: Roberto Perpignani · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

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Betrachtet man den Spaghetti-Western nur von seiner kanonischen Seite, etwa von Leone, Corbucci und Valerii her, dann lässt sich leicht übersehen, dass es im italienischen Kino immer auch eine Leidenschaft für maskierte Helden à la Zorro gab. Ausgestattet mit nachtblauer Strumpfmaske und einem überraschend vielseitigen Waffenarsenal (u.a. Wurfmesser, Bolas und zwei Revolver), ist Starblack so ein Held. Über die Leinwand ritt er ausgerechnet 1966, zur Blütezeit des Italowesterns. Nicht gerade die Kinosaison, in der man eine Figur erwarten würde, die geradewegs einem alten B-Western oder Serial entsprungen zu sein scheint. Allerdings: Wer bei Starblack harmlose Späße erwartet, mit Geheimgängen und akrobatischen Zweikämpfen auf dem Dachfirst, wird die eine oder andere Überraschung erleben.¹ Aber dazu später mehr.

Johnny Blyth (Robert Woods), Sohn eines wohlhabenden Minenbesitzers, kehrt nach Jahren der Abwesenheit in sein Heimatstädtchen in New Mexico zurück und findet die Dinge sehr verändert vor. Sein Vater Raphael ist tot, seine Mutter Martha (Jane Tilden) hat Johnnys Onkel, den Friedensrichter Harold King (Harald Wolff), geheiratet.² Johnny will die Erklärung, dass sein Vater durch einen unglücklichen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen sei, nicht glauben. Er öffnet das Grab des Vaters, entnimmt den Totenschädel und entdeckt, dass eine Kugel im Schädelknochen steckt. Sofort verdächtigt er Onkel Harold, seinen Vater ermordet zu haben.³

In der Stadt geht die Angst um. Der Saloonbesitzer und Bankier Curry (Franco Lantieri) treibt die ansässigen Farmer in die Schuldenfalle. Wer nicht zahlen kann, bekommt einen Besuch von Currys Pistoleros und ist sein Land los – und manchmal sein Leben. Vom Sheriff (Andrea Scotti) ist keine Hilfe zu erwarten. Der Gesetzeshüter mit dem Fu-Manchu-Bart tut alles, was Curry ihm sagt. Ein besonderes Interesse hegt Curry an Farmer Williams (Eugenio Galadini), der seine Zeit am liebsten am Spieltisch im Saloon verbringt. Curry hat es nämlich auf dessen Tochter Caroline (Elga Andersen) abgesehen. Die hasst Curry jedoch und liebt einen Mann, dessen Gesicht sie noch nie gesehen hat: Starblack.

Der maskierte Rächer ist die einzige Hoffnung der geplagten Bevölkerung. Wie aus dem Nichts taucht er auf seinem weißen Pferd auf und macht einen henchman nach dem anderen kalt. Dabei geht er ziemlich rabiat vor: Einmal nagelt er die Hände eines Pistoleros mit Wurfmessern fest. Einem anderen schießt er aus nächster Nähe eine Revolverkugel in die Stirn und eine weitere in die Wange. Solche (für die sechziger Jahre sehr expliziten) Gewaltdarstellungen gibt es in Starblack immer wieder. Sie bilden einen so grellen Kontrast zu den Swashbuckler- und B-Western-Einflüssen des Films, dass man unwillkürlich lachen muss.

Es wird niemanden allzu sehr überraschen, wenn ich verrate, dass Johnny Blyth Starblack ist. Ebenso wenig, dass Onkel Harold mit Bankier Curry unter einer Decke steckt und Johnnys Vater ermordet hat. Im Film vermutet allerdings kaum jemand, dass Johnny sich hinter der Strumpfmaske des Rächers verbirgt. Die Bewohner*innen der Stadt nennen ihn Little Blyth und spotten über seine Vorliebe für die Annehmlichkeiten des Lebens: Er trägt gern Seidenhalstücher und bestickte Morgenmäntel, verbringt seine Zeit mit Singen und Gitarrenspiel. Folgerichtig darf Darsteller Robert Woods den Titelsong croonen und wiederholt diese Darbietung später in einer Szene des Films. (Letzteres hätte er aber besser gelassen, denn man sieht etwas zu deutlich, dass Woods nur so tut, als könne er Gitarre spielen.)

Gedreht wurde in Slowenien und Italien, weshalb die darin gezeigten Landschaften dezidiert nicht wie der Südwesten der USA aussehen. Auch das trägt dazu bei, Starblack zu einem campy Filmerlebnis der eigenen Art zu machen: Während die Kamera auf üppige grüne Wälder draufhält, reden die Figuren davon, sich in New Mexico zu befinden. Übrigens hat man beim Schauen des Films den Eindruck, dass die Schauspieler*innen bei den Dreharbeiten ihren Spaß hatten. Möglicherweise war ihnen die Ironie ihres Tuns ja bewusst – jedenfalls kann ich mir schwer vorstellen, dass der Cast mit einer allzu ernsthaften Einstellung an Starblack mitwirkte.

Oder doch? Nur wenige Jahre zuvor war der Peplum das dominante Genre der italienischen Filmindustrie und zeichnete sich durch eine ganz ähnliche Naivität aus, die uns heute zwar ironisch vorkommt, es zu ihrer Zeit aber vielleicht gar nicht war. Was auch immer sich Regisseur/Auteur Gianni Grimaldi und Produzent Paolo Moffa bei Starblack gedacht haben (oder auch nicht gedacht haben), das Ergebnis ist einfach äußerst unterhaltsam. Zum einen liegt das an der überzogenen Gewaltdarstellung, die Starblack in der BRD eine Freigabe ab 18 einbrachte.

Zum anderen ist da der queere Subtext des Films. Starblack alias Johnny ist in ständiger Begleitung seines Freundes Jop (Renato Rossini), der sich als gehörlos ausgibt, um Starblacks Feind*innen besser belauschen zu können. Das ist eine Anspielung auf Zorro, dessen Diener Bernardo ebenfalls den Gehörlosen mimt.⁴ Es wird deshalb häufig angenommen, dass Jop Johnnys Diener sein muss – ist er aber nicht. Im Haus der Kings sitzt er beim Essen mit am Tisch, was einem Dienstboten wohl nicht erlaubt würde. Und, wie in einer Szene eindeutig zu sehen ist, er teilt sich mit Johnny ein Schlafzimmer.

Als am Ende alle Schurk*innen erledigt sind und Caroline endlich weiß, dass Little Blyth kein anderer als Starblack ist, gönnt er ihr wenigstens ein »Ich liebe dich auch« (was man ihm nicht recht glaubt), worauf sie ihn mit einem »Dann nimm mich mit« anfleht. »Wo ich hingehe, ist kein Platz für eine Frau«, erwidert Johnny (was man ihm sofort glaubt), während Jop wissend lacht. Die letzte Einstellung des Films spricht dann für sich: Dicht an dicht nebeneinander reiten Johnny und Jop davon, während Caroline ihnen enttäuscht nachschaut.

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¹ Aber ein Geheimgang kommt schon auch vor. Was sein muss, muss sein.

² Das wirft Fragen ganz eigener Art auf: Wenn Johnny mit Nachnamen Blyth heißt, müsste sein Onkel väterlicherseits ebenfalls Blyth und nicht King heißen. Hat Martha etwa ihren Bruder geheiratet? Hoffen wir einfach, dass Harold King ein Halbbruder von Raphael Blyth ist.

³ Ich habe keine Ahnung, ob die Hamlet-Anspielungen versehentlich oder mit voller Absicht in diesen Film gelangt sind.

⁴ In den Zorro-Erzählungen Johnston McCulleys ist Bernardo tatsächlich gehörlos. Die Idee, dass er nur so tut, als könne er nicht hören, wurde meines Wissens durch die Disney-Serie Zorro (1957–59) eingebracht.

17.5.25

Mi chiamavano Requiescat ... ma avevano sbagliato (1973)

Deutscher Titel: Sing mir das Lied der Rache · Regie: Mario Bianchi · Drehbuch: Alberto Cardone, Eduardo Manzanos, Vittorio Salerno · Musik: Gianni Ferrio · Kamera: Emilio Foriscot · Schnitt: Giancarlo Venarucci · Produktion: Copercines.

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Kurz nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs: Ein Trupp marodierender Südstaatler unter dem Befehl von Machedo (William Berger) überfällt ein Fort der Unionstruppen und tötet die gesamte Besatzung. Captain Madison (Alan Steel), der während des Überfalls auf Patrouille war, nehmen sie gefangen, demütigen ihn und zerschießen ihm die rechte Hand. Dann lassen sie ihn halbtot liegen und reiten davon.

Madison wird von Swan (Celine Bessy), einer indigenen Frau, wieder aufgepäppelt. Als schwarzgekleideter Rächer heftet er sich an die Fersen von Machedos Bande. Allerdings ist Madisons Hand zu beschädigt, um noch einen Revolver halten zu können. Zum Glück kennt er aus seiner Armeezeit den exzentrischen Büchsenschmied Smart (Paco Sanz), der sich des Problems annimmt und eine spezielle Prothese für Madison anfertigt.

Machedo und seine Soldateska ziehen unterdessen mordend und brandschatzend durch die Lande. Als sie eine Bank ausrauben, sieht Madison seine Gelegenheit gekommen. Er jagt den Südstaatlern die Beute ab und begibt sich mit ihr als Köder in eine Geisterstadt. Gemeinsam mit Swan bereitet er einen Hinterhalt vor, um endgültig Rache zu nehmen.

1973, als sich in staubigen frontier towns die Trinity-Klone tummelten, drehte Mario Bianchi diesen Western mit harter Rache-Story, als wolle er dem Zeitgeist trotzen. Allerdings wird in Mi chiamavano Requiescat auf ziemlich ausgetretenen Pfaden Rache geübt. Fast alles in diesem Film hat man schon mal gesehen: Die Konföderierten, die auch nach der Niederlage des Südens das Rauben und Morden nicht sein lassen können. Der komische Alte, der dem Helden zur Seite steht. Und natürlich der schweigsame Protagonist mit der unheilbar verletzten Schusshand. Neu (und zeitgeisty) ist, dass es eine Sexszene gibt.¹

Hauptdarsteller Alan Steel (eigentlich Sergio Ciani) war einer der wenigen gebürtigen Italiener, der regelmäßig als muskelbepackter Held in Sandalenfilmen zu sehen war.² Nach dem jähen Ende, den das Peplum-Genre Mitte der sechziger Jahre nahm, musste Steel sich andere Betätigungsfelder suchen. Obwohl Mi chiamavano Requiescat nicht sein einziger Western-Auftritt ist, hat es stark den Anschein, als würde er mit seiner Rolle fremdeln. In seiner schwarzen Rächerkluft scheint es ihm unbehaglich zu sein. Er wirkt etwas verloren. William Berger spielt dagegen den Chef-Psychopathen der konföderierten Marodeure gewohnt routiniert.

Abstoßend ist die Gewaltdarstellung in diesem Film. Die entspricht nicht den hochstilisierten Gewaltausbrüchen, wie sie für italienische Western charakteristisch sind (und sehr geschätzt werden), sondern ist pure, sado-homoerotische Exploitation, und zwar billig und brutal, ohne transgressive Qualitäten. Äußerst unangenehm anzusehen.

So gibt es leider wenig Gutes über diesen Streifen zu sagen – und was es gibt, relativiert sich oft wieder. Der finale Shootout in der Geisterstadt ist recht gekonnt inszeniert, viele andere Sequenzen leiden aber neben ihrem Exploitation-Charakter auch an dem homöopathisch dosierten Budget, das der Produktion zur Verfügung stand. Ganz interessant ist jedoch der jazzige Soundtrack.

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¹ Dies ist der letzte von drei Western, bei denen Mario Bianchi Regie führte. Danach wandte er sich dem Sexploitation-Film und anderen Genres zu.

² Viele Peplum-Stars waren aus den USA importierte Bodybuilder.