13. Oktober 2025

Wolf Town (2011)

Regie: Roel Reiné · Drehbuch: Paul Hart-Wilden, Asabi Lee · Musik: Steve Davis · Kamera: Roel Reiné · Schnitt: Herman P. Koerts, Todd C. Ramsay · Produktion: Rebel Entertainment.

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Vier kalifornische College-Studis der Gegenwart machen einen Ausflug in die Geisterstadt Paradise. Die wurde im Zuge des Goldrausches von 1849 gegründet, aber nur ein Jahr später verschwanden ihre Bewohner*innen auf mysteriöse Weise. Kyle (Levi Fiehler), der die Idee zu dem Ausflug hat, will vorgeblich das Geheimnis dieses Verschwindens aufklären. Eigentlich geht es ihm aber um eine Gelegenheit, sich an seine Kommilitonin Jess (Alicia Ziegler) ranzumachen. Sozusagen zur Tarnung überredet er seinen Kumpel Ben (Max Adler), sich der Exkursion anzuschließen. Ben hält dem verklemmten Kyle vor, dass er Jess nicht einfach um ein Date gebeten hat, lässt sich dann aber doch breitschlagen. Zu Kyles Unmut erscheint Jess allerdings nicht allein zur Abfahrt in die Geisterstadt, sondern schleppt ihren Freund Rob (Josh Kelly) an, mit dem sie seit einem halben Jahr liiert ist.

Robs Anwesenheit führt dazu, dass Kyle während der gesamten Fahrt nach Paradise pampig drauf ist und dem ohnehin nur widerwillig anwesenden Ben gehörig auf die Nerven geht. Der versucht darauf, Small Talk mit dem konsternierten Rob zu betreiben, was wiederum Kyles schlechte Laune verstärkt. Jess dagegen versucht, mit aufgesetzter Fröhlichkeit die Stimmung aufzulockern. Beim Betrachter erzeugt das schon nach zehn Minuten den Wunsch, die nervtötenden Vier allesamt einen schnellen und blutigen Tod sterben zu sehen. Leider dauert es aber noch ganze 74 Minuten bis zum Ende des Films, und es gibt eine enttäuschende Überlebensrate von 50 %.

Angekommen in der Geisterstadt, sehen Kyle, Jess und Rob sich den verlassenen Saloon an, während der erboste Ben allein einen Spaziergang unternimmt. Im Saloon finden Kyle und Jess ein altes Tagebuch, das Aufklärung über das Schicksal der Stadtbevölkerung verspricht. Da taumelt Ben, mit blutigen Wunden bedeckt, durch die Schwingtüren in den Schankraum. Er wurde von wilden Wölfen angefallen. Ein Versuch, die Geisterstadt zu verlassen und Ben in ein Krankenhaus zu bringen, scheitert – die Zündkabel von Kyles Cabrio wurden durchtrennt. Handyempfang gibt es in der abgelegenen Gegend natürlich auch nicht. Also wird der schwerverletzte Ben wieder in den Saloon geschleppt, um den herum sich bald die Wölfe einfinden.

Aus dem Tagebuch erfährt Kyle, dass die Leute von Paradise vor 160 Jahren in den Bäuchen des Wolfsrudels endeten. Ein Versuch Robs, zu Fuß aus der Stadt zu entkommen und Hilfe zu holen, scheitert. Ben erliegt seinen Verletzungen. Während Kyle am liebsten in Selbstmitleid versinken würde, findet Rob the Jock eine Kiste Dynamit und will damit den Kampf gegen die unnatürlich schlauen Vierbeiner aufnehmen.

Das alles ist natürlich sehr vorhersehbar, und das weiß auch Roel Reiné, der nicht nur als Regisseur fungiert, sondern auch die wackelige Handkamera bedient. Als erfahrener Macher von billigen Direct-to-DVD-Filmchen weiß er, was zu tun ist: Immer dann, wenn Spannung und Dynamik aufkommen soll, wackelt er einfach noch ein bisschen mehr mit der Kamera herum. Den Rest erledigt das Sound Department, indem es Wolfsgeheul und -geknurre einspielt.

Überhaupt, die Wölfe. Die sehen einfach zu knuffig aus, um bedrohlich zu wirken. Zudem sind nie mehr als vier Tiere zugleich im Bild zu sehen – viel zu wenig, um eine ganze frontier town¹ zu belagern. Und wenn Reiné das Kamerawackeln zwischendurch mal unterlässt, sieht man auch, dass sie Halsbänder tragen. Dann lieber wieder etwas mehr gewackelt, damit die Details nicht so zu erkennen sind. Dennoch werde ich den Verdacht nicht los, dass die Tierchen gar keine echten Wölfe, sondern Hunde sind. Zu oft tragen sie ihren Schwanz eingerollt, während Wölfe ihn normalerweise nach unten hängen lassen.

Ein Film wie dieser legt es mit all seinen Unzulänglichkeiten nahe, als schlichte Trash-Fantasie angesehen zu werden, aber dafür ist Wolf Town wiederum nicht naiv genug. Sein Vulgärfreudianismus kommt sehr explizit daher. Es liegt allzu nahe, dass der quengelige, unentschlossene, von Kastrationsangst geplagte (sein Auto zündet nicht!) Kyle sich insgeheim wünscht, sowohl Ben mit seiner »I told you so«-Attitüde als auch den Nebenbuhler Rob von Wölfen gefressen zu sehen.

Für alle, denen das noch nicht deutlich genug ist, hält Wolf Town am Ende folgende Szene bereit: Kyle zieht dem von den Wölfen ausgeweideten Rob eine Stange Dynamit aus der Jeanstasche. Die Stange fest umklammert haltend, verlässt Kyle mit Jess im Schlepptau die Geisterstadt – und die Wölfe lassen die beiden von da an völlig in Ruhe. Ich denke, man muss kein Psychologiestudium an einem kalifornischen College absolviert haben, um das ein bisschen zu on the nose zu finden ...

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¹ Dafür, dass sie seit 160 Jahren verlassen stehen, sind die Häuser von Paradise übrigens in einem erstaunlich guten Zustand. Und die Tatsache, dass in der Stadt das Wrack eines Traktors vor sich hin rostet, erscheint mir fast noch mysteriöser als die Wölfe.

6. Oktober 2025

The Warrior’s Way (2010)

Inhaltshinweis: Sexuelle Gewalt.

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Regie: Sngmoo Lee · Drehbuch: Sngmoo Lee · Musik: Javier Navarrete · Kamera: Kim Woo-hyung · Schnitt: Jonathan Woodford-Robinson · Produktion: Fuse Media, Relativity Media, Sad Flutes.

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Irgendwo in Ostasien: Yang (Jang Dong-gun) ist der gefürchtetste Schwertkämpfer des Sad Flute Clan. Wie jedes Mitglied seines Clans hat er geschworen, ausnahmslos alle Angehörigen des gegnerischen Clans zu töten, mit dem die Sad Flutes seit Jahrhunderten verfeindet sind. Doch als er losgeschickt wird, dem letzten Mitglied des feindlichen Clans den Garaus zu machen, findet er ein wehrloses Baby (Analin Rudd) vor. Von da an hat Yang genug von seinem Mordhandwerk und flieht mit dem Baby, das er April nennt, in den Westen Nordamerikas. Er ist nun vogelfrei und wird nun seinerseits vom Sad Flute Clan gejagt.

In der Wüstenstadt Lode hofft Yang, seinen alten Freund Smiley zu treffen, der dort eine Wäscherei betreibt. Doch es stellt sich heraus, dass Smiley seit drei Jahren tot ist. Auch die Stadt hat ihre besten Tage längst hinter sich. Einst war sie eine blühende Prospektorensiedlung, doch seit sie von Banditen überfallen wurde, sind die meisten Einwohner*innen weitergezogen. Unter den Gebliebenen sind ein gestrandeter Wanderzirkus, der Trunkenbold Ronald (Geoffrey Rush) und eine junge Frau namens Lynne (Kate Bosworth). Letztere stellt sich Yang als Freundin des verstorbenen Smiley vor und überredet den Neuankömmling, mit ihrer Hilfe die Wäscherei wieder zu eröffnen.

Von Zirkusdirektor Eight-Ball (Tony Cox) erfährt Yang, dass die Banditen bei ihrem Überfall auf die Stadt Lynnes Eltern und Bruder ermordet haben. Als anschließend der Colonel genannte Bandenchef (Danny Huston) Lynne zu vergewaltigen versuchte, schüttete sie ihm kochendes Öl ins Gesicht. Seitdem verbirgt der Colonel sein entstelltes Gesicht hinter einer ledernen Maske. Lynne wiederum wartet auf die unvermeidliche Wiederkehr der Banditen und hofft, endgültig Rache für ihre Familie nehmen zu können.

Yang erkennt, dass Lynne von ihm (wie zuvor von Smiley) Unterstützung für ihre Rachepläne erwartet. Doch er hat sein Schwert in der Scheide festgeschweißt, um es nie wieder ziehen zu können. Immerhin erklärt er sich bereit, Lynne den Kampf mit Messern beizubringen. Und je näher die Rückkehr der Banditen rückt, desto klarer wird ihm, dass er Lynne, die Zirkusleute und die restliche Stadtbevölkerung gegen die Banditen beistehen muss. Also beginnt er mit Eight-Balls Hilfe, die Artist*innen auf den bevorstehenden Angriff vorzubereiten. Unerwartete Unterstützung wird ihm dabei von Ronald, dem Säufer, zuteil.

Die Bande des Colonels ist allerdings nicht Yangs einziges Problem. Die Vergangenheit droht ihn einzuholen: Während seiner und Aprils Reise über den Pazifik hat er Spuren hinterlassen. Der Sad Flute Clan mit Yangs altem Meister Saddest Flute (Ti Lung) hat sich an seine Fersen geheftet und ist ebenfalls auf dem Weg nach Lode.

The Warrior’s Way ist ein Genre-Mix, der Purist*innen aller Façon missfallen dürfte. Die koreanisch-neuseeländische Koproduktion vereint nicht nur Elemente des Westerns und des Wuxia-Films,¹ sondern schreckt auch sonst vor kaum einem Anachronismus zurück. So sind z.B. die Banditen des Colonels in Steampunk-Kostüme gekleidet. Mir gefällt das Potpourri allerdings, und wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass Anachronismen schon immer Bestandteil des Western-Genres waren. Das trifft insbesondere auf Spaghetti-Western zu, auf die dieser Film immer wieder Bezug nimmt,² vor allem musikalisch: Javier Navarretes Score hört sich so an, wie es sich anhören soll, wenn Navarrete der Dollartrilogie-Musik Ennio Morricones Tribut erweist. Manchmal ist es doch ganz nett, wenn Erwartungen einfach erfüllt werden ...

Weniger gut gefällt mir, dass The Warrior’s Way sich viel zu sehr auf CGI verlässt. Es gibt in diesem Film CGI-Schiffe, CGI-Gebäude, CGI-Reiter, fontänenweise CGI-Blut und immer noch mehr CGI. Natürlich haben computergenerierte Effekte ihre Berechtigung, aber insbesondere bei Schwertkämpfen ist es unabdingbar, auf solide Handwerksarbeit zu setzen. Außerdem finde ich, dass Westernstadt-Kulissen möglichst aus echten Brettern zusammengenagelt werden sollten. Der übermäßige CGI-Einsatz ist der Grund, warum ich mir diesen Film wohl kein zweites Mal ansehen werde, obwohl er sonst ganz amüsant ist.

Die Schauspielerei, insbesondere die von Kate Bosworth, ist ungefähr so over the top, wie man es bei einem Flick dieser Art erwartet. Und die Miene, die Jang Dong-gun zieht, erinnert lustigerweise an den gequälten Gesichtsausdruck, den Tony Anthony in seinen Filmen so gern aufsetzte. Danny Huston ist vielleicht keine ganz überzeugende Wahl für die Rolle des überlebensgroßen, sadistischen Gangsters. Aber das macht im Grunde nichts, denn die meiste Zeit trägt er ohnehin seine Phantom-der-Oper-Maske. Hongkong-Veteran Ti Lung sieht man natürlich immer gern. Geoffrey Rushs Auftritt als Thekenschwamm kam mir zunächst wie der Versuch vor, einen westlichen name actor allein deshalb zu engagieren, um ihn notfalls aufs DVD-Cover setzen zu können. Er spielt seine Rolle aber recht unterhaltsam und hat (etwas spät) während des Finales dann auch eine Funktion für die Handlung.

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¹ Ich hoffe, es ist kein allzu großer Fauxpas, in Bezug auf einen koreanischen Film von Wuxia zu sprechen.

² Ohnehin waren es italienische Western, die zuerst mit »East meets West«-Szenarien aufwarteten.