12.3.25

Untamed (1955)

Deutscher Titel: Die Unbezähmbaren · Regie: Henry King · Drehbuch: Michael Blankfort, Frank Fenton, Talbot Jennings · Musik: Franz Waxman · Kamera: Leo Tover · Schnitt: Barbara McLean · Produktion: 20th Century Fox.

Nach ersten britischen Versuchen unter der Regie von David MacDonald versuchte sich 1955 auch Hollywood an einem in Südafrika spielenden Western. Herausgekommen ist eine Kuriosität namens Untamed, eine Kintopp-Version von Gone with the Wind im Veldt. Regie führte Henry King. Bei der hanebüchenen Story, die Untamed erzählt, will man allerdings kaum glauben, dass es sich um den Regisseur handelt, der für solche Genre-Klassiker wie Jesse James und The Gunfighter verantwortlich war.

Der Bure Paul van Riebeck (Tyrone Power) ist bei dem Gentleman-Pferdezüchter O’Neill (Henry O’Neill) in Irland zu Gast. Er will Pferde für seine Reitermiliz kaufen. O’Neills Tochter Katie (Susan Hayward) findet Pauls brüske Art offenbar anziehend und verliebt sich in ihn. Doch Paul erklärt, dass er keine Zeit für irgendetwas anderes als die Gründung einer unabhängigen Burenrepublik hat, und reist zu Katies großer Enttäuschung ab. Hätte Paul nur mal an einem anderen Ort (einem etwas näher an Südafrika gelegenen vielleicht) Pferde gekauft – ihm und sämtlichen Figuren des Films wäre eine Menge Ärger erspart geblieben.

Squire O’Neill fällt wenig später der Großen Hungersnot zum Opfer. Katie heiratet ihren langweilig-braven Nachbarn Shawn Kildare (John Justin) und wandert mit ihm und der Familienfreundin Aggie O’Toole (Agnes Moorehead) nach Südafrika aus. Während der Überfahrt bekommt sie ihr erstes Kind. Angekommen in Kapstadt, erfährt Katie, dass in den nächsten Tagen ein Wagentrek, geführt von Simon Hout (Jack Macy), ins Landesinnere aufbricht. Pauls Kommando¹ soll den Trek eskortieren. Sofort überredet Katie ihren Mann und Aggie, sich dem Trek anzuschließen. Am vereinbarten Treffpunkt ist aber von Paul und seinen Reitern, wiederum zu Katies großer Enttäuschung, nichts zu sehen. Dafür hat Kurt Hout (Richard Egan), der Sohn des Trekführers, ein Auge auf sie geworfen. Als ein Zulu-Impi den Trek angreift, werden die Siedler*innen im letzten Augenblick von Paul und seinem Kommando gerettet. Katie ist überglücklich, ihre große Liebe wiederzusehen. Praktischerweise haben die Zulu den nun überflüssigen Shawn während des Angriffs getötet, und der aufdringliche Kurt wird von Paul davongejagt.

Katies Glück ist vollkommen, als sie merkt, dass Paul seinen Traum vom Burenstaat vorübergehend vergessen zu haben scheint. Katie und er lassen sich auf einer Farm nieder. Leider fällt Paul seine patriotische Pflicht gerade dann wieder ein, als Katie zum zweiten Mal schwanger ist, und er macht sich erneut aus dem Staub. Sofort springt Kurt Hout ein und bewirtschaftet die Farm gemeinsam mit Katie. Allerdings stimmen seine Vorstellungen nicht mit ihren überein: Während Katie Kurt als kostenlose Arbeitskraft betrachtet, hat er nach wie vor mehr im Sinn. Ein Gewitter zerstört die Ernte, und Kurt verliert durch einen selbstverschuldeten Unfall sein rechtes Bein. Erneut macht er sich geschlagen davon.

Wegen der ausgefallenen Ernte verlegt Katie sich darauf, ihre aus Irland mitgebrachte Couture an die benachbarten Bantu zu verkaufen, und gerät auf diese Weise an einen Beutel Goldnuggets und einen großen Diamanten. Mit ihren Kindern und Aggie kehrt Katie nach Kapstadt zurück, wo sie dank des erschwindelten Reichtums ein luxuriöses Leben führen kann. In Kapstadt läuft ihr auch Paul wieder über den Weg, der verblüfft feststellt, dass Katie und er einen Sohn haben. Als Paul ihr Vorwürfe macht, ihn nicht über den Nachwuchs informiert zu haben (offenbar übersteigen gewisse Zusammenhänge sein Vorstellungsvermögen), wirft sie ihn aus dem Haus.

Katie verprasst ihr Gold- und Diamantenvermögen und ist erneut mittellos. Wie immer mit Aggie und den Kindern im Schlepptau bricht sie nach Colesberg auf, wo es weitere Diamantenfunde gibt. Unterwegs erfährt Katie, dass Colesberg von einer Bande Gesetzloser eingenommen wurde, die den Bürgermeister ermordet haben. Diese Nachricht bewegt sie allerdings nicht zur Umkehr. Vor Ort stellt sich heraus, dass der Anführer der Gesetzlosen kein anderer als Kurt ist. Paul und sein Kommando greifen an, um die Banditen aus der Stadt zu vertreiben. Kurt nimmt Katies und Pauls Sohn als Geisel, wird aber von Pauls Diener Chaka (Paul Thompson) mit einem Assegai getötet. Jetzt endlich kehrt Paul, dem offenbar die Ausreden ausgegangen sind, mit Katie und den Kindern (und Aggie natürlich, die sich überall hin mitschleppen lässt) auf die Farm zurück.

Sagte ich bereits, dass die Handlung dieses Films völlig hanebüchen ist? Ich habe irgendwann gar nicht mehr mitgezählt, wie oft Katie ihre Existenzgrundlage verliert und wie viele Male Paul und Kurt in ihrem Leben auftauchen und wieder abhauen.

Erwähnt werden muss, dass Untamed mit spektakulären Landschaftsaufnahmen aus Irland und KwaZulu-Natal aufwartet. Leider sind die Hauptdarsteller*innen Hayward, Power und Egan nie in diesen Aufnahmen zu sehen. Lediglich einige Szenen in Kapstadt wurden mit Hayward und Power on location gedreht. Die restlichen Szenen entstanden auf einer Filmranch der 20th Century Fox, der man allerdings auf den ersten (und auch auf den zweiten und dritten) Blick ansieht, dass sie nicht in Südafrika liegt.

Tyrone Power hatte wenig Lust auf diesen Film, war aber aus vertraglichen Gründen verpflichtet, die männliche Hauptrolle zu spielen. Entsprechend lustlos und unglaubwürdig füllt er seinen Part aus. Aufgrund der Tatsache, dass die irischen, burischen und Bantu-Charaktere dieses Films von einem fast durchgängig US-amerikanischen Ensemble gespielt werden, darf man es aber ohnehin nicht so genau nehmen. Denn was macht Powers müde Darstellung angesichts der ganzen Absurdität dieses Streifens schon für einen Unterschied?

Um die kolonialen Verwicklungen, die etwa in Diamond City Thema sind, macht Untamed eher einen Bogen. Pauls burischer Nationalismus wird mit Sympathie dargestellt, aber an keiner Stelle geht der Film darauf ein, was den Konflikt zwischen den Bur*innen und der britischen Kolonialmacht eigentlich ausmacht. Ähnlich verhält es sich mit den racial politics. Die kommen nur am Rande vor, indem etwa den Zulu die Rolle zugeschrieben wird, die in amerikanischen Western die Prärievölker einnehmen. Ihre Aufgabe besteht folgerichtig darin, den weißen Siedlertrek zu überfallen und von der im letzten Moment eintreffenden Kavallerie ... äh, den im letzten Moment eintreffenden Kommandos in die Flucht geschlagen zu werden.²

Gar nicht erst problematisiert wird, wie Katie ihre Bantu-Nachbar*innen bescheißt, indem sie sich ihren Plunder mit Gold und Diamanten bezahlen lässt. Dafür wird ein weiteres Western-Klischee auf südafrikanische Verhältnisse übertragen: Kurt Hout ist stets in Begleitung seiner Liebhaberin Julie (Rita Moreno) – übrigens auch dann, wenn er Katie den Hof macht. Dabei wird Julie von Kurt grundsätzlich wie Dreck behandelt, ist ihm aber treu ergeben. Die Implikation ist wohl, dass Julie zu den Coloureds gehört, also zu dem Teil der Kap-Bevölkerung, der teils burische, teils indigene Vorfahr*innen hat. Der Charakter entspricht dem bekannten Stereotyp der »halfbreed harlot«, der sexuell freizügigen, zugleich hitzköpfigen und unterwürfigen Frau von gemischter Abstammung, wie sie etwa in den frühen Tonfilm-Western von John Ford zu sehen ist.

Mein Fazit: Diesen Ausflug ins Veldt hätte Hollywood besser mal gelassen.

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¹ Kommandos waren mobile, leicht bewaffnete burische Milizen. Von ihnen leitet sich die englische Bezeichnung commandoes für Angehörige einer militärischen Spezialeinheit ab.

² So macht es auch ein späterer Biltong-Western: The Jackals (1967) ist ein südafrikanisches Remake von Yellow Sky, das die im Original vorkommenden Apache durch Tsonga-Krieger ersetzt.

3.3.25

Diamond City (1949)

Deutscher Titel: Männer, Mädchen, Diamanten · Regie: David MacDonald · Drehbuch: Roland Pertwee · Musik: Clifton Parker · Kamera: Reginald H. Wyer · Schnitt: Esmond Seal · Produktion: Gainsborough Pictures.

Die vierziger und fünfziger Jahre waren die Blütezeit des Hollywood-Westerns. Westernproduktionen außerhalb der USA erschienen zu dieser Zeit nur vereinzelt. Die große Eurowestern-Welle begann erst in den sechziger Jahren, als Hollywood sich vom Genre zunehmend abwandte, die Pferdeopern ins neue Massenmedium Fernsehen migrierten und die europäischen Kinos Nachschub aus anderer Quelle brauchten.

Es gab allerdings eine Kinonation, die sich schon in der goldenen Zeit des Westerns nicht mit der US-Dominanz abfinden wollte: Die britische Filmindustrie wollte ihre eigenen Western. Aber wo diese drehen? Weil man mit den former colonies nicht wirklich konkurrieren konnte, verfiel man auf die gegenwärtigen Kolonien. Als Resultat entstand eine Reihe von Filmen, die in den Dominions Kanada, Australien und Südafrika spielen. Sie alle beruhen auf der durchaus gewagten Behauptung, dass das British Empire seine eigene frontier hat. Aber kann das sein? Die gängige Annahme ist ja, dass so etwas wie der Wilde Westen überhaupt nur zustande kommen konnte, weil der rugged individualism der weißen amerikanischen Siedler*innen sich gegen die imperialen Ansprüche der englischen Krone durchsetzte. Wenn das stimmt, (tut es in der Form natürlich nicht, aber dennoch die Frage:) wie soll dann innerhalb des britischen Herrschaftsbereichs so etwas wie die frontier der Western-Mythologie möglich sein?

Wenig überraschend führten die Bemühungen, so etwas wie den Wilden Westen innerhalb der Grenzen des Commonwealth zu finden, zu eher durchwachsenen Ergebnissen. Am erfolgreichsten lief es in Australien. Dort gab es wie in den USA eine weiße Siedlerbevölkerung, die (aus guten Gründen) nicht immer eine hohe Meinung vom kolonialen Mutterland hatte, und auch eine von den Weißen (aus sehr unguten Gründen) als feindselig und vernichtungswürdig empfundene indigene Bevölkerung. Aus diesen Voraussetzungen entstand tatsächlich eine durchgängige Tradition von zunächst britischen, später australischen Filmen, sogenannte Meat-Pie-Western. In letzter Zeit führte diese Tradition sogar dazu, dass der Genozid an den Aborigines in Filmen wie Sweet Country (2017), The Nightingale (2018) und High Ground (2020) dargestellt wurde, auf eine so ungeschönte und erschütternde Weise, dass keine vergleichbare US-Produktion über Native Americans an sie herankommt.

Vielleicht am wenigsten überraschend ist, dass es in Südafrika nicht zu einer solchen Entwicklung kam, dass die Idee eines »südafrikanischen Westerns« letztlich einfach nicht funktioniert. Denn im Vergleich zu Australien oder den USA war Südafrika sehr viel mehr ein klassischer Kolonialstaat. Es bestand kein Interesse daran, die einheimische Bevölkerung vollständig zu verdrängen und ihren Platz einzunehmen. Man wollte sie entrechten und unterdrücken, aber der Grund dafür war, dass man sie als billige Arbeitskräfte brauchte. Unter solchen Bedingungen konnte kein Zustand der Gesetzlosigkeit entstehen, wie er mit der amerikanischen frontier assoziiert wird. Es handelte sich vielmehr um klassische imperiale Ordnungspolitik, die gerade keinen rechtsfreien Raum will, sondern ein System ungleicher Rechte für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen – mit einem Wort: Apartheid.¹

Aber ob er nun funktioniert oder nicht, den Versuch des südafrikanischen Westerns gibt es, und seine Ära umfasst (so weit ich das überblicken kann) in etwa die fünziger und sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Da es meines Wissens noch keinen kulinarischen Namen (analog zum Spaghetti-, Sauerkraut- oder Meat-Pie-Western) für ihn gibt, schlage ich kurzerhand vor, ihn als Biltong-Western zu bezeichnen.

Der erste Film dieser Art ist David MacDonalds Diamond City (1949), eine rein britische Produktion. Darin dreht sich alles um das Diamentenfieber der 1870er Jahre. Ort der Handlung ist das formell unabhängige Gebiet Griqualand West, nördlich des Oranje-Flusses, in dem die Griqua unter ihrem Kapitän² Nicolaas Waterboer dominierten. Griqualand West grenzte im Westen an die Burenrepubliken Oranje-Freistaat und Transvaal, im Süden an die britische Kapkolonie. Beide Mächte beanspruchten das Gebiet für sich, und zwar umso mehr, nachdem 1870 in Klipdrift Diamanten gefunden wurden und eine große Zahl weißer Diamantengräber*innen über den Oranje-Fluss zu strömen begann. Klipdrift wurde zu einer typischen boomtown. Die britischen Glücksritter wollten den burischen Anspruch auf die Diamantenfelder nicht akzeptieren – und schon gar nicht wahrhaben, dass die Griqua irgendwelche Anrechte auf das Land haben könnten. In dieser Situation gelang es einem exzentrischen Engländer namens Stafford Parker, zum Machtbroker zu werden. Indem er die Diamantengräber*innen organisierte und sich sogar zum Präsidenten einer kurzlebigen »Diamond Diggers Republic« ausrufen ließ, bereitete er die Annektion von Griqualand West durch die britische Kapkolonie vor, die 1873 erfolgte.

In Diamond City wird der Konflikt zwischen Parker (David Farrar), den Griqua und den Bur*innen in personalisierter Form erzählt, als Auseinandersetzung zwischen Parker auf der einen Seite und einer (glaube ich) fiktiven Person auf der anderen, dem burischen Händler Hans Muller (Niall MacGinnis). Als Parker von dem Diamantenfund in Klipdrift hört, bricht er sofort aus Hopetown am Oranje-Ufer auf und spricht beim Griqua-Kapitän Jan Bloem (Norris Smith) vor.³ Er überredet Bloem, ihm eine Kommission zu erteilen, derzufolge allein Parker dafür zuständig ist, auf den Diamantenfeldern für Recht und Ordnung zu sorgen. Jeder gefundene Diamant soll registriert werden und ein Anteil an seinem Erlös an Bloem ausgezahlt werden. Hans Muller ist mit diesem Arrangement ausgesprochen unzufrieden. Er zieht es vor, schwarzen Minenarbeiter*innen die Diamanten direkt abzukaufen und sie dafür mit Schnaps zu bezahlen. Mullers Verbündeter unter den Griqua ist Jan Bloems Neffe Piet Quieman (Philo Hauser).

Aber zunächst hat Stafford Parkers System Erfolg. In Klipdrift agiert er als Sheriff und Friedensrichter in einer Person, wobei die Gerichtsverhandlungen im Saloon stattfinden.⁴ Die Stadt zieht immer mehr Menschen an, darunter Parkers Geliebte, die Sängerin und Tänzerin Dora (Diana Dors), die sich gegenüber Parkers Plänen stets leicht skeptisch gibt. Dora bekommt bald Konkurrenz in Person der braven, blonden Missionarstocher Mary Hart (Honor Blackman), die gemeinsam mit ihrem Vater (Mervyn Johns) der Bevölkerung von Klipdrift ihre lasterhaften Sitten austreiben will. Natürlich verguckt sich Parker in Mary und verlobt sich sogar mit ihr. Zu seinem Entsetzen verlangt sie aber, dass er in Klipdrift ein Glücksspiel- und Alkoholverbot erlässt.

Parkers Gegenspieler Hans Muller ist unterdessen nicht untätig. Über Piet Quieman gelingt es ihm, Zugang zu Jan Bloem zu erhalten. Muller legt Bloem dar, dass Parker sich rein gar nicht wie ein Kommissär des Griqua-Kapitäns verhält, sondern einfach tut und lässt, was er will. Das ist nicht mal gelogen. Denn Parker weiß, dass die Eingliederung von Griqualand West durch das British Empire kurz bevor steht. Ihm geht es allein darum, in der Zwischenzeit Tatsachen zu schaffen, indem er den burischen Einfluss zurückdrängt und den Interessen der Digger zur Durchsetzung verhilft. Jan Bloem begibt sich mit seinem Gefolge nach Klipdrift, um Parker zur Rede zu stellen. Doch der reagiert mit unverhohlenen Drohungen gegen die Griqua, woraufhin sich Bloem unverrichteter Dinge wieder zurückzieht. Muller dagegen entschließt sich, mit seinen henchmen den offenen Angriff auf Klipdrift zu wagen.

Die historischen Ereignisse, auf denen Diamond City basiert, bieten reichlich Stoff für eine spannende Story. Leider nutzt der Film sie vor allem dazu, um jingoistische Kolonialpropaganda zu betreiben. Dabei steht Stafford Parker als Wegbereiter eines ordentlichen, sauberen Kolonialismus. Sein Kontrahent Muller agiert nicht weniger, sondern anders kolonialistisch. Er bevorzugt zwielichtige Deals in Form von Schnaps und Intrigen. Parker symbolisiert britische Korrektheit, Muller die burische Barbarei. Aus Sicht von Diamond City ist das der entscheidende Unterschied. Wer dagegen nichts zu melden hat, ist die einheimische Bevölkerung: Als Muller Bloem auffordert, sich seinem Angriff auf Klipdrift anzuschließen, lehnt dieser ab. Parkers Drohungen gegen die Griqua haben Wirkung gezeigt. Den Einheimischen bleibt nur, sich passiv zu verhalten, während die weißen Männer um das Land kämpfen.

Parker wird dabei als eine Figur des Übergangs dargestellt. Persönlich entspricht er nicht gerade dem Bild des stocksteifen britischen Kolonialbeamten: Er trinkt, er spielt, er verschafft sich am liebsten unter Einsatz seiner Fäuste Recht. Ihm ist klar, dass in der neuen kolonialen Ordnung, die er selbst herbeiführt, kein Platz für ihn ist. Am Ende des Films wird über Klipdrift feierlich der Union Jack gehisst, der für die Souveränität des Empire steht. Aber Parker nimmt an der Zeremonie nicht teil. Er beobachtet sie aus dem Hintergrund und reitet dann allein über das Veldt davon. Parkers zwei Seiten – als Ordnungsstifter und als  Abenteurer – werden symbolhaft dargestellt in den beiden Frauen in seinem Leben, der viktorianisch-frommen Mary und der selbständigen, überlebenstüchtigen Dora.⁵

Solche Übergangsfiguren gibt es viele im amerikanischen Western: Sie bereiten der weißen Besiedlung den Weg, wohl wissend, dass sie selber in der neuen Welt der Straßen und Städte gar nicht leben können. Deren Tragik geht dem Stafford Parker von Diamond City aber weitgehend ab. Die Idee der unanfechtbaren britischen Weltherrschaft, die er in Griqualand zu etablieren hilft, war schon im Erscheinungsjahr des Films eine anachronistische, ja beinahe lächerliche Vorstellung. Die Tragödie des amerikanischen Westerners, das Verschwinden der frontier, wird zur Farce, wenn man sie auf das Empire zu übertragen versucht.

An der Kinokasse brachte Diamond City – vielleicht folgerichtig – wenig ein. Regisseur MacDonald, selber ein Kind des britischen Kolonialismus, ließ sich davon allerdings nicht beirren. Schon 1951 veröffentlichte er mit The Adventurers einen zweiten Film über den südafrikanischen Diamantenrausch.

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¹ Ein Ausdruck, der natürlich erst mit der Machtübernahme der burisch-nationalistischen National Party 1948 zum offiziellen Regierungsprogramm wurde, dessen Gehalt aber in den (die Rechte der einheimischen Bevölkerung immer weiter beschneidenden) Natives Acts früherer Jahrzehnte vorweggenommen wurde.

² Das afrikaanse Wort kaptein (Kapitän) entspricht in etwa dem englischen chief.

³ Jan Bloems historisches Vorbild hieß, wie bereits erwähnt, Nicolaas Waterboer (ca. 1819–1896).

⁴ An dieser Stelle erinnert die Darstellung Parkers an eine legendäre Gestalt des Wilden Westens, den selbsternannten Richter und Saloonwirt Roy Bean (ca. 1825–1903). Ich weiß nicht, ob Diamond City sich der Ironie bewusst ist, die darin liegt, dass sie Parker in die Nähe des ausgemachten Scharlatans Bean rückt.

⁵ Diana Dors als Dora ist übrigens die Überraschung dieses Films. Obwohl sie während der Dreharbeiten erst 17 Jahre alt war (was man ihr ansieht), spielt sie die Rolle der toughen Saloon-Lady mit einiger Überzeugungskraft.

24.2.25

Tutti per uno ... botte per tutti (1973)

Deutscher Titel: Alle für einen, Prügel für alle · Regie: Bruno Corbucci · Drehbuch: Peter Berling, Tito Carpi, Bruno Corbucci, Leonardo Martino · Musik: Carlo Rustichelli · Kamera: Rafael Pacheco · Schnitt: Vincenzo Tomassi · Produktion: Capitolina Produzioni Cinematografiche, Dieter Geissler Filmproduktion, Star Films.

Dart (Giancarlo Prete) will in die Fußstapfen seines Vaters (Pietro Tordi) treten und Texas Ranger werden. Ihm zu Ehren veranstaltet Darts Heimatörtchen Cheese Valley ein Abschiedsfest, das in einer großen Schlägerei endet. Unterwegs kehrt Dart in einem Saloon-Hotel ein, in dem er mit einem gewissen Mendoza verwechselt wird, sehr zum späteren Missvergnügen des echten Mendoza (José Canalejas). Aufgrund der Verwechslung macht Dart die Bekanntschaft von Leduc (Eduardo Fajardo), einem schwerreichen Bankier aus New Orleans. Der will einem mexikanischen Caudillo im Austausch gegen geschäftliche Vorteile eine größere Menge Gold zuschanzen und wartet deshalb auf den Emissär des Caudillos, den besagten Mendoza.

Als nächstes trifft Dart auf McAthos (George Eastman), Portland (Cris Huerta) und Aramirez (Leo Anchóriz), drei geschasste Texas Ranger, die ihm berichten, dass aufgrund des bei den Rangern herrschenden Austeritätskurses leider keine Chancen auf eine Anstellung bestehen. Dart hat aber auch schon eine neue Idee. Er will der Ärztin Alice Ferguson (Karin Schubert) Geleitschutz geben, die eine Wagenladung Impfstoff nach San Fermín in Mexiko bringen soll. Die humanitäre Aktion ist aber nur ein Vorwand: Versteckt in einem doppelten Boden transportiert der Wagen das von Leduc gelieferte Gold. Auch McAthos, Portland und Aramirez spekulieren, dass der Wagen nicht nur Impfdosen geladen hat, und wanzen sich ebenfalls an Dr. Ferguson ran.

Natürlich erleben die Fünf auf ihrem Weg eine Reihe von Abenteuern mit stetig ansteigendem Albernheitsgrad, und natürlich führen diese Abenteuer immer wieder zu ausführlichen Prügeleien. So begegnen sie einer Bande in Felle gekleideter Outlaws, die mit Hilfe von Sprungstäben durch die Gegend hüpfen,¹ und kommen in ein von chinesischen Auswander*innen gegründetes Dorf, in dem Dart ungeahnte Fähigkeiten als Kung-Fu-Kämpfer entwickelt. Am Ende treffen sie auf einen Wanderzirkus, dessen deutscher Direktor Baron von Horn (Max Turilli) wie eine Cartoon-Version Erich von Stroheims aussieht.

Das Konzept, Die drei Musketiere als Prügelwestern nachzuerzählen, hat bei mir gewisse Erwartungen geweckt. Denn zumindest hätte die Orientierung an Dumas’ Mantel-und-Degen-Klassiker dem Film das verschafft, was den meisten Vertretern seines Subgenres von vornherein abgeht: einen Plot. Leider gerät das Konzept schnell in Vergessenheit. Bis etwa zu dem Zeitpunkt, als Dart auf Dr. Ferguson trifft, wird auf gar nicht mal so ungeschickte Weise etabliert, dass Dart natürlich D’Artagnan entspricht, Mendoza für Rochefort steht und Leduc für Richelieu. (Das Trio McAthos, Portland und Aramirez erklärt sich ohnehin selbst.) Aber leider hört es an dieser Stelle auch schon wieder auf. Dr. Ferguson ist keine Lady de Winter, und die Handlung löst sich in eine Reihe von Gaga-Episoden auf, wie sie für das Subgenre typisch sind.

Schauspielerisch sieht es auch nicht besser aus. Giancarlo Prete ist bemerkenswert unlustig, obwohl (oder weil) er in seiner Latzhose fast so clownhaft aussieht wie die später auftretende Zirkusmannschaft. George Eastman nuckelt ständig an einer Limonadenflasche und wirkt dadurch wie ein zwei Meter großer Achtjähriger. Cris Huerta versucht sich als billiger Bud-Spencer-Ersatz, der alle fünf Minuten nach einer Mahlzeit verlangt. Karin Schubert und Eduardo Fajardo geben sich durchaus Mühe, haben aber keine Chance, gegen den geballten Unsinn des Drehbuchs (so es denn eines gab) anzukommen.

Erstaunlich ist, dass für den Film in mancher Hinsicht durchaus Aufwand betrieben wurde. Die Kulissen und Drehorte wurden meinem Eindruck nach mit mehr Sorgfalt ausgesucht, als es für Produktionen dieser Art üblich war. Und für die Episode, die in dem chinesischen Dorf spielt, wurden die hauptsächlichen Mitglieder des Casts sogar nach Taiwan eingeflogen. Mir scheint, dass Bruno Corbucci und seinem Team für Tutti per uno gar nicht mal wenig Geld zugesteckt wurde. Leider hat er es für eine Aneinanderreihung von visuellen Flachwitzen verprasst. Man hätte es sinnvoller nutzen können, um die Idee »drei Musketiere im Wilden Westen« wenigstens konsequent durchzuspielen. Das hätte nicht unbedingt einen gelungenen, aber vielleicht einen interessanten Film ergeben.

Andererseits gilt bei italienischen Westernkomödien das Prinzip: Schlimmer geht immer. Brunos Bruder Sergio bewies das zwei Jahre später auf schlagende Weise mit Il bianco, il giallo, il nero. Ganz so tief sinkt dieses Filmchen hier dann doch nicht.

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¹ Sonderlich überzeugend ist das nicht dargestellt, denn mehr als ein paar ungelenke Hopser bekommt man im Bild nicht zu sehen.

18.2.25

Der letzte Mohikaner (1965)

Regie: Harald Reinl · Drehbuch: Joachim Bartsch · Musik: Peter Thomas · Kamera: Ernst Kalinke · Schnitt: Hermann Haller · Produktion: International Germania Film.

Gleich nach dem Kassenerfolg von Der Schatz im Silbersee (1962) plante der Constantin-Filmverleih, neben den Karl-May-Flicks ein weiteres Western-Franchise zu etablieren. Coopers Leatherstocking Tales boten sich dafür an. Sie waren gemeinfrei und beim deutschen Publikum so bekannt wie beliebt, allerdings meist in Form von gekürzten, »für die Jugend bearbeiteten« Übersetzungen. Die Originale kannte so gut wie niemand. Für eine Verfilmung war das nicht unbedingt ein Nachteil, denn es bedeutete, dass man mit den Vorlagen relativ frei umgehen konnte. Am Ende dauerte es dann etwas länger (Stammregisseur Reinl war mit den May-Filmen und anderen Projekten vollauf beschäftigt) und anstelle eines Franchise wurde nur ein Cooper-Film realisiert.¹ Das mag verschiedene Gründe gehabt haben. Doch stellt sich die Frage, ob bei dieser Version von Der letzte Mohikaner nicht zu frei mit der Vorlage umgegangen wurde.

Mit der Herstellung beauftragt wurde die Firma International Germania Film, die auf deutsch-spanische Koproduktionen spezialisiert war. Gedreht wurde in Spanien. Wohl um den Film näher an die Karl-May-Welle heranzuführen, verlegte man die Handlung in die Zeit nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg in den fernen Westen.² Aus den Rotröcken der Vorlage wurden Soldaten der U.S. Cavalry. Aus den Franzosen wurde eine Bande von Outlaws. Die wichtigsten Figuren wurden (mit leichten Namensänderungen) übernommen. So weit passt das auch. Offen bleibt aber die Frage, wie es die mohikanischen und huronischen Ureinwohner*innen aus Coopers Roman in diese Zeit und diese Gegend verschlagen haben soll.

Der Film beginnt mit dem Angriff der Krieger Maguas (Ricardo Rodríguez) auf das Zeltdorf der Mohikaner*innen. Diese haben aus Maguas Sicht Verrat geübt, weil sie mit den Weißen in Frieden leben. Als einzige entgehen der mohikanische Häuptling Chingachgook (Mike Brendel) und sein Sohn Unkas (Daniel Martín) dem Tod. Doch Chingachgook erliegt bald seinen schweren Verletzungen. Unkas zieht mit seinem weißen Freund Falkenauge (Anthony Steffen) los, um sich an Magua zu rächen.

Magua hat sich mit dem Banditen Roger (Stelio Candelli) und seiner Gang verschworen. Gemeinsam überfallen sie einen Transport der Kavallerie, der aus einem Wagen voller Gold und einem Wagen voller Schießpulver besteht. Das Schießpulver fällt ihnen in die Hände. Der Wagen mit Gold wird von einigen überlebenden Kavalleristen in die stark befestigte Ranch von Oberst Munroe (Carl Lange) gerettet. Fortan belagern Maguas Krieger und Rogers Banditen die Ranch.

Magua fängt eine Botschaft an Oberst Munroe ab: Seine Töchter Cora (Karin Dor) und Alice (Marie France) befinden sich auf dem Weg zur Ranch, wurden aber durch eine beschädigte Brücke aufgehalten. Begleitet werden sie von einer Kavallerie-Eskorte unter dem Befehl von Hauptmann Bill Hayward (Joachim Fuchsberger). Magua gibt sich gegenüber Hayward als Scout aus, der von Oberst Munroe geschickt wurde, um die Reisenden auf dem Weg durch eine Schlucht zur Ranch zu führen. In der Schlucht liegen Maguas Krieger im Hinterhalt. Das rechtzeitige Eintreffen Unkas’ und Falkenauges verhindert ein Gemetzel.

Es gelingt den Verbündeten, sich durch den Belagerungsring zur Ranch durchzuschlagen. Jedoch plant Roger, mit dem erbeuteten Schießpulver eine oberhalb von Munroes Anwesen gelegene Klippe zu sprengen, um den Palisadenzaun der Ranch durch eine Steinlawine zu zerstören ...

Abgesehen von den bereits erwähnten Abweichungen fällt auf, wie sehr Unkas und Falkenauge auf Winnetou und Old Shatterhand getrimmt sind. Sogar ihre Synchronsprecher (Thomas Eckelmann und Horst Niendorf) sind die von Pierre Brice und Lex Barker. Ebenso wie Winnetou redet Unkas gern in der dritten Person; häufig ist sein »Herz betrübt«, wenn Uneinigkeit unter Indigenen und Weißen herrscht. Einen bemerkenswerten Unterschied gibt es aber: Unkas steht klar im Mittelpunkt. Während Winnetou und Shatterhand als gleichberechtigtes Duo auftreten, ist hier Unkas der Protagonist. Falkenauge bleibt eine ziemlich schwach konturierte Nebenfigur. Sein Darsteller Anthony Steffen (in seiner ersten Westernrolle) darf nur wenige Dialogzeilen sprechen.

Das wirft die Frage auf: Wenn Der letzte Mohikaner als Auftakt zu einem Franchise gedacht war, wie hätte dieses aussehen sollen? Entsprechend der Vorlage stirbt Unkas am Ende des Films. Ganz und gar nicht entsprechend der Vorlage ist sein Vater Chingachgook zu Beginn nur einige Minuten lang zu sehen, bevor er ebenfalls stirbt. Wer hätte also in einer möglichen Fortsetzung die Hauptfigur sein sollen? Etwa Falkenauge, der hier kaum als eigenständiger Charakter realisiert ist? Ich werde den Eindruck nicht los, dass diese Produktion sich durch den äußerst sorglosen Umgang mit Coopers Story selbstverschuldet in eine Situation brachte, in der es kaum möglich gewesen wäre, eine Fortsetzung zu konzipieren, die einigermaßen sinnvoll an den Film anknüpft.

Insofern wundert es mich nicht, dass es nie zu einer Fortsetzung kam. Obwohl dieser Letzte Mohikaner auch seine Stärken hat. Für Harald Reinl typische aufwändige set pieces, Pyrotechnik im großen Stil und gelungene Massenszenen sind etwas, wovon etwa die meisten zeitgenössischen Spaghetti-Produktionen nur träumen konnten. All das hätte man aber auch dann umsetzen können, wenn man etwas näher an Coopers Fabel geblieben wäre.

Statt einer Fortsetzung gab es andere Versuche, Cooper als Eurowestern zu verfilmen. Im gleichen Jahr 1965 spielte Daniel Martín erneut den Uncas (so die eigentliche Schreibweise) in einer spanisch-italienischen Low-Budget-Produktion, an der Seite von Jack Taylor, Luis Induni und Paul Muller. Zwei Jahre später zog die DEFA mit einer Verfilmung von The Deerslayer nach, in der (natürlich) Gojko Mitić als Chingachgook zu sehen war und wesentlich werkgetreuer vorgegangen wurde. 1969 folgte noch eine ZDF-Serie, die in deutsch-französischer Koproduktion entstand.³

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¹ So denn wirklich ein Franchise daraus werden sollte. Ich entnehme diese Informationen der deutschsprachigen Wikipedia, die an dieser Stelle leider keinen direkten Beleg angibt. Es gibt aber wenig Grund, daran zu zweifeln. Der westdeutschen Filmindustrie war es nur recht, wenn sie aus einem erfolgreichen Film gleiche eine Reihe von Filmen machen konnte – ob die Vorlage nun von Karl May, Edgar Wallace oder Alexander Wolf stammte.

² Coopers Roman spielt während des Siebenjährigen Kriegs im heutigen Bundesstaat New York.

³ Erwähnt werden muss an dieser Stelle, dass es schon viel früher eine deutsche Cooper-Verfilmung gab. 1920 lief mit Lederstrumpf ein zweiteiliger Film von Arthur Wellin im Kino. In der Rolle des Chingachgook war kein geringerer als Bela Lugosi zu sehen. Die Außenaufnahmen entstanden an einem Brandenburger See südlich von Berlin. Entsprechend dem Brauch der Stummfilmzeit, deutsche Western nach ihrem Drehort zu unterscheiden (man sprach von Neckar-Western und Isar-Western), muss man Lederstrumpf wohl als märkischen Western betrachten. Der erste Teil des Films ist in einer Fassung mit englischen Texttafeln erhalten. Der jüdische Regisseur Wellin wurde in den 1940er Jahren von den Nazis ermordet.

26.1.25

The Texas Rangers (1951)

Deutscher Titel: Grenzpolizei in Texas · Regie: Phil Karlson · Drehbuch: Richard Schayer · Musik: Paul Sawtell · Kamera: Ellis W. Carter · Schnitt: Al Clark · Produktion: Columbia Pictures.

Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg haben sich in Texas zahllose Desperados festgesetzt. Im Jahr 1874 ist es dann soweit: Die Unionstruppen sind abgezogen und – geführt von Major John B. Jones (John Litel) – werden die Texas Rangers neu aufgestellt. Die Outlaws bündeln daraufhin ihre Interessen. Sam Bass (William Bishop) lädt zu einer Gipfelkonferenz ein, an der nahezu alle berüchtigten Gesetzlosen teilnehmen: John Wesley Hardin (John Dehner), Dirty Dave Rudabaugh (Douglas Kennedy), Sundance Kid (Ian Macdonald), Butch Cassidy (John Doucette) und Duke Fisher (Jock Mahoney).¹ Die Versammelten gründen die Long Riders Protective Association und wählen Sam Bass per Akklamation zum Präsidenten – nachdem Bass den anderen Kandidaten mit dem Revolver durchlöchert hat.

Major Jones verfällt angesichts dieser Entwicklung auf die Idee, Outlaws mit Outlaws zu bekämpfen. Er lässt Johnny Carver (George Montgomery) und Buff Smith (Noah Beery Jr.) aus dem Gefängnis holen. Beide saßen wegen eines Banküberfalls in Waco ein, aber, so beeilt sich der Film zu erklären, sie sind anders als Bass & Co. keine Kriminellen aus Überzeugung, sondern nur wegen der in der Nachkriegszeit herrschenden Not auf die schiefe Bahn geraten. Jones lässt Johnny und Buff als Ranger vereidigen und setzt sie auf Bass und seine Truppe an. Bei den Rangern treffen die beiden auch auf Johnnys kleinen Bruder Danny (Jerome Courtland), der sein Glück kaum fassen kann, dass Johnny wieder auf die Seite von Recht und Ordnung zurückgekehrt ist.

Dannys Enthusiasmus ist allerdings nicht ganz gerechtfertigt. Johnny will die Gelegenheit nutzen, um Rache an Sundance Kid zu üben, der ihn bei dem Banküberfall in Waco hintergangen hat, und sich anschließend aus dem Staub machen. Jedoch gerät Johnny, nachdem er Sundance umgelegt hat, gemeinsam mit Buff und Danny in eine Schießerei mit weiteren henchmen der Bass-Gesellschaft. Dabei wird Danny von einer Kugel getroffen, die für Johnny bestimmt war, und stirbt in den Armen des älteren Bruders.

Johnny schwört erneut Rache. Zum Schein schließt er sich Sam Bass an. Der weiß nichts von der Bedeutung, die Dannys Tod für Johnny hat, denn Danny war (wegen der Haftstrafe seines Bruders) unter falschem Namen den Rangern beigetreten. Bass plant seinen größten Coup: Die Bundesregierung schickt einen Zug aus dem Norden, beladen mit Geld, das die darniederliegende Wirtschaft von Texas ankurbeln soll. Bass will mit seinen Leuten den Zug überfallen. Johnny wiederum will den Coup nutzen, um die ganze Bande auf einmal unschädlich zu machen. Buff fungiert als geheimer Bote zwischen Johnny und Major Jones, wird aber von Dave Rudabaugh erwischt und vor Johnnys Augen erschossen. Johnnys Tarnung droht aufzufliegen ...

The Texas Rangers ist ein für Fifties-Verhältnisse relativ harter Western, in dem ziemlich viel gewaltsam gestorben wird. Mit seinem moralisch nicht immer ganz sauberen Helden, seinen double crossings und vor allem seinen höchst theatralischen Antagonisten nimmt er andeutungsweise den Italowestern vorweg. Die campy Idee, die legendären Outlaws des Westens eine Liga der Superschurken gründen lassen (ganz wie Comic-Bösewichter), finde ich besonders unterhaltsam. Insbesondere William Bishop als Sam Bass und John Dehner als John Wesley Hardin spielen ihre Rollen mit dem entsprechenden Flair.

Für die tatsächlichen Biographien seines Schurken-Ensembles interessiert der Film sich dabei wenig. Auch was die Geschichte der Texas Ranger und insbesondere ihres Neugründers John B. Jones angeht, schweigt er sich über die unappetitlichen Details aus: Der historische Jones war ein Sklavenhalter, der es in der konföderierten Armee zum Major brachte. Nach dem Krieg ging er kurzzeitig nach Mexiko, wo er eine Kolonie für fanatische Sezessionist*innen gründen wollte, die sich mit dem Sieg der Union nicht abfinden konnten – ein Unternehmen, das natürlich scheiterte.

Als leading lady tritt übrigens Gale Storm auf, die zu Beginn des Films zwei Szenen hat, dann aber vom Drehbuch für ungefähr 45 Minuten völlig vergessen wird. Danach taucht sie pflichtgemäß wieder auf und verguckt sich in den Helden Johnny. Solche uninspirierten, im Grunde vernachlässigbaren Frauenrollen waren es, die (leider) dazu führten, dass im Jahrzehnt darauf so viele Spaghetti-Produktionen in einer reinen Männerwelt spielten.

Dennoch weiß The Texas Rangers zu unterhalten, denn seine interessanten Figuren sind ohnehin alle auf der Seite der villains zu finden, zu denen es den Protagonisten ja nicht umsonst immer wieder hinzieht. Filme wie dieser, die budgetmäßig eher am unteren Ende der Skala angesiedelt waren und die Handlung auf essentielle Motive beschränkten, stellen zudem ein wichtiges, aber oft unterschätztes Bindeglied zwischen den seriellen B-Western der dreißiger und vierziger Jahre und den Eurowestern der sechziger Jahre dar.

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¹ Ich vermute, mit letzterem ist King Fisher (1853–84) gemeint.

18.12.24

All’ultimo sangue (1968)

Deutscher Titel: Den Geiern zum Fraß · Regie: Paolo Moffa · Drehbuch: Enzo Dell’Aquila · Musik: Nico Fidenco · Kamera: Franco Villa · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

Paolo Moffa war hauptberuflich Filmproduzent. Mit seiner Firma S.A.C. verschaffte er einer Anzahl Italowestern die Finanzierung. 1968 brauchte er offenbar seinerseits dringend Geld und beschloss daher, selbst bei einem Western Regie zu führen – oder zumindest so zu tun, als würde er Regie führen.

Billy the Gun (Ken Wood) und seine Bande überfallen den Geldtransport einer Bank. Die Gangster nehmen die Identität der Bankangestellten an und rauben der US-Kavallerie eine größere Menge Gold. Die Army möchte ihre Peseten zurück haben und beauftragt Captain Clive Norton (Craig Hill) mit der Verfolgung von Billy & Co. Norton stellt nur eine Bedingung: Er will Ted Hunter, genannt El Chaleco (Ettore Manni), als Begleiter. Der hat mit Billy nämlich noch ein Hühnchen zu rupfen. Chaleco soll allerdings als Deserteur gehängt werden. Mit dem stillschweigenden Einverständnis seines vorgesetzten Offiziers (Luciano Doria) rettet Norton Chaleco vor dem Galgen und reitet mit ihm davon. Es folgt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden, das deutlich von Tucos und Blondies Durchquerung der Wüste in The Good, the Bad and the Ugly, ähem, ›inspiriert‹ ist. Als Norton endlich verrät, was das Ziel ihrer Unternehmung ist, erklärt sich Chaleco sofort bereit, ihn auf der Suche nach Billy zu unterstützen. Preisfrage: Warum hat Norton ihm das nicht einfach gleich gesagt?

Billy the Gun und seine Kumpane vertreiben sich unterdessen die Zeit damit, einen armen peón und seine Frau zu quälen. Norton und Chaleco werden aufgehalten, weil sie dem mexikanischen Outlaw Cordero (Francesco Santovetti) und seinen Jungs in die Hände fallen. Cordero lässt die beiden Helden der Army gefesselt und nur in ihre Union Suits gekleidet am Boden anpflocken. Zwischen ihnen stellt er eine Schale Milch auf, um Giftschlangen anzulocken. Im letzten Moment werden sie von zwei des Weges daherkommenden Fremden gerettet, denen sie Kleidung und Pferde stehlen, um Cordero nachzureiten. Wieder eine von einem Vorbild ›inspirierte‹ Szene – diesmal sind es zwei Episoden aus La resa dei conti, die miteinander kombiniert werden.

Angekommen in Corderos Heimatort San Pablito, vereinbaren Norton und Chaleco mit den Mexikanern einen Deal. Sie sollen ihnen gegen Billy beistehen und dafür einen Teil des Schatzes bekommen. Billy & Co. haben sich in einem alten Bergwerk versteckt. Von dort aus wollen sie zu geeigneter Zeit über die Grenze nach Mexiko fliehen. Chaleco schleicht sich ins Bergwerk und vermint es mit Dynamit. Dann klärt er Billy und seine Freundin Consuelo (José Greci) über die Situation auf: Gleich geht der Stollen in die Luft, und Cordero steht mit seinen Leuten zum Angriff bereit. Billy zögert nicht lang. Er lässt seine Bande im Stich und schafft mit Consuelo und Chaleco das Gold aus dem Bergwerk.

Draußen fordert Chaleco Billy zum Duell auf. Mittlerweile hat sich herausgestellt: Billy und Chaleco sind Brüder. Consuelo ist mit Chaleco verheiratet. Billy hat ihr weisgemacht, Chaleco sei tot, und sie gezwungen, mit ihm zu kommen. Chaleco und Billy liefern sich einen Zweikampf mit Messern, doch der verräterische Billy (der ja nicht grundlos »the Gun« heißt) schnappt sich einen Revolver und legt auf Chaleco an ...

Als erstes fällt an diesem Flick auf, dass er nicht nur einzelne Szenen aus verschiedenen Genre-Klassikern imitiert, Moffa bedient sich anderer Filme auch noch auf viel direktere Weise: Die Szene mit dem Überfall auf den Banktransport zu Beginn stammt aus Starblack. Der Raub des Army-Goldes gleich darauf ist aus Per il gusto di uccidere. Später kommt noch Material aus 4 dollari di vendetta hinzu. Es ist Footage aus anderen Filmen, mit dem Moffa sein eigenes Machwerk großzügig auspolstert. Durch die sehr unterschiedlichen Landschaften, in denen das jeweilige Material fotografiert wurde, fällt der Schwindel sofort ins Auge.

Der Plot ist bietet kaum Überraschungen: Alle sind hinter dem Gold her, es gibt wechselnde Allianzen, eine mexikanische Bande reitet immer mal wieder in die Handlung hinein und wieder hinaus, Rache kommt natürlich auch vor. Im ganzen Film treten nur zwei Frauen auf, die beide vom Hauptschurken Billy erschossen werden. Noch vorhersehbarer wird die Sache dadurch, dass es immer wieder (in diesem Fall von Moffa selbst gedrehte) Szenen gibt, in denen Norton und Chaleco durch die Gegend reiten und darüber reden, was sie als nächstes tun werden. Mit Hilfe dieses Füllmaterials schafft es Moffa, den Film auf fast 100 Minuten auszuwalzen. Die Handlung hätte allerdings auch in der Hälfte der Laufzeit bequem Platz gefunden.

Angesichts der dreisten Klauerei, der generischen Story und der problematischen weiblichen Rollen ist es nicht verwunderlich, dass All’ultimo sangue regelmäßig mit Spott und Ablehnung bedacht wird. Aber der Vollständigkeit halber muss gesagt werden: Es ist kein vollständig misslungener Film. Hin und wieder weist er unerwartete Momente auf, die für sich genommen recht vielversprechend sind. Dazu gehört der Spaghetti-untypisch mit dem Messer ausgetragene Zweikampf zwischen Chaleco und Billy. Dazu gehört, wie sich die Rolle des Protagonisten im Laufe des Films in unerwarteter, aber folgerichtiger Weise von Craig Hill auf Ettore Manni verlagert. Und auch, dass der völlig unbekannte Darsteller Francesco Santovetti mit seinen hageren Gesichtszügen als mexikanischer Bandit ein gar nicht so schlechtes Bild abgibt.¹ Zudem ist die Musik von Nico Fidenco besser, als sie eigentlich sein dürfte.

Für mich folgt daraus, dass Moffa sich besser mal ein*e Regisseur*in gesucht hätte, statt sich diese Position selbst anzumaßen. Jemand mit der nötigen Erfahrung hätte die Geschichte packender erzählen können, und hätte hoffentlich gewusst, dass Frauen in Filmen keine Staffage sind, sondern Schauspielerinnen, die es verdient haben, eine Rolle zu spielen. Und die peinliche Sache mit dem geklauten Footage hätte sich dann vielleicht auch erledigt. Insofern: schade eigentlich.

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¹ Dass der stock character des mexikanischen Bandenchefs hier Cordero heißt, ist für sich genommen auch recht lustig (el cordero = das Lamm).

9.12.24

The Deerslayer (1957)

Deutscher Titel: Lederstrumpf – Der Wildtöter · Regie: Kurt Neumann · Drehbuch: Kurt Neumann, Dalton Trumbo, Carroll Young · Musik: Paul Sawtell, Bert Shefter · Kamera: Karl Struss · Schnitt: Jodie Copelan · Produktion: Regal Films.

Wildtöter (Lex Barker) und Chingachgook (Carlos Rivas) stehen dem weißen Händler Harry March (Forrest Tucker) bei, als dieser von Kriegern der Huronen überfallen wird. March erklärt, er sei auf dem Weg zu einem weißen Jäger namens Tom Hutter (Jay C. Flippen), mit dem er Geschäfte habe. Wildtöter und Chingachgook begleiten March zu Hutter, der mit seinen Töchtern Judith (Cathy O’Donnell) und Hetty (Rita Moreno) in einem Hausboot auf dem Lake Otsego lebt. Hutter erwartet, in Kürze ebenfalls von den Huronen angegriffen zu werden. Wildtöter und Chingachgook können sich aus den Geschichten des eigenbrötlerischen alten Mannes nicht so recht einen Reim machen. Er behauptet, ›Felle‹ an March zu verkaufen, aber nirgendwo auf dem Hausboot sind zum Trocknen aufgehängte Felle zu sehen. Außerdem hegt er einen fanatischen Hass auf alle Indigenen (Chingachgook eingeschlossen) und scheint es nicht zu mögen, Fremde bei sich zu beherbergen – auch dann nicht, wenn diese Fremden ihm gegen die Huronen beistehen wollen. Wildtöter und Chingachgook bleiben dennoch, nicht zuletzt, um herauszufinden, warum die Huronen es überhaupt auf Hutter abgesehen haben. Bald wird den beiden klar: Die ›Felle‹, mit denen Hutter sein Geld macht, stammen von Menschen. Er hat sich die Huronen zum Feind gemacht, weil er Skalpjäger ist.

Der aus Nürnberg stammende Regisseur Kurt Neumann ging zu Beginn der dreißiger Jahre nach Hollywood. In der Frühzeit des Tonfilms war es mangels fortgeschrittener Synchronisationstechnik üblich, Filme für die internationale Vermarktung in mehreren Sprachversionen zu drehen, manchmal sogar mit unterschiedlichem Cast.¹ Das war zunächst auch Neumanns Job: Er führte bei den deutschsprachigen Fassungen Regie, die die Studios für ihre Filme wünschten. Recht schnell etablierte sich Neumann jedoch als Genre-Regisseur aus eigenem Recht: Er drehte Komödien, Tarzanfilme und später SF-Streifen wie The Fly mit Vincent Price.

In den fünfziger Jahren realisierte Neumann mit Hiawatha (1952), Mohawk (1956) und dem hier besprochenen Deerslayer eine Reihe von Western, die auf naive Weise versuchten, die Perspektive der Indigenen zur Darstellung zu bringen (was allerdings nicht bedeutet, dass indigene Cast- oder Crew-Mitglieder an der Produktion beteiligt gewesen wären). Ein aus heutiger Sicht merkwürdiger Aspekt der zeitgenössischen Rezeption dieser Filme ist, dass ihnen »kommunistische Tendenzen« (mithin Antiamerikanismus) vorgeworfen wurden. Tatsächlich waren mit Arthur Strawn und Dalton Trumbo Drehbuchautoren involviert, die in Hollywood auf der antikommunistischen Schwarzen Liste standen. Bizarr ist es dennoch, denn die betreffenden Filme sind ungefähr so antiamerikanisch wie Seifenopern oder Thanksgiving-Feiern – nämlich überhaupt nicht. Eher könne man ihnen vorwerfen, dass die Schilderung der Konflikte zwischen Indigenen und Siedler*innen in einem zu versöhnlichen Ton gehalten ist, als dass sie dem Thema gerecht werden könnten. Gerade wegen dieser Versöhnlichkeit wurde den Filmen allerdings »Pazifismus« unterstellt, und in der aufgeheizten Atmosphäre der McCarthy-Ära war Pazifismus offenbar gleichbedeutend mit Kommunismus.

Aber zurück zu The Deerslayer. Der hatte insbesondere in Deutschland eine ausgesprochen wechselhafte Geschichte. Zunächst wurde der etwa 80 Minuten lange Film für die deutschen Kinos auf magere 60 Minuten zusammengekürzt. Später wollte das ZDF ihn zeigen, hatte aber anscheinend zu viel Sendezeit zur Verfügung. Jedenfalls fand man in Mainz, dass 60 Minuten zu kurz waren. Statt sich um eine ungekürzte Kopie zu bemühen, schnitt man zu Beginn und in der Mitte des Films einige Szenen aus dem Sauerkraut-Western Die schwarzen Adler von Santa Fe (1965) hinein und erreichte damit eine Laufzeit von 75 Minuten. Doof nur, dass The Deerslayer in den 1740er Jahren an den Quellen des Susquehanna River spielt, während die Handlung von Die schwarzen Adler ungefähr 120 Jahre später in der Comanchería angesiedelt ist.

Um die eigentliche Filmhandlung mit den neu eingefügten Szenen zu verknüpfen, wurde eine neue Synchronisation erstellt. Treuherzig erklärt eine Erzählstimme aus dem Off (Hans Müller-Trenck) immer dann, wenn zu dem Material aus Die schwarzen Adler geschnitten wird, die folgenden Szenen spielten »weiter im Süden«. Natürlich kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass nichts daraus irgendetwas mit der Haupthandlung von The Deerslayer zu tun hat. Fabriziert hat den ganzen Spaß der Dokumentarfilmer Hans Schipulle, der in der ZDF-Fassung unter dem Pseudonym Clint Reinard als Co-Regisseur genannt ist. Und um der Sache die Krone aufzusetzen, wurde sie als »Extended Version« des Films auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.

Weiß man über diese Geschichte Bescheid, wirkt die ZDF-Version eher erheiternd. Es ist, als würde man einen Film mit Werbeunterbrechungen ansehen, in denen der Trailer für einen anderen Film läuft. Weiß man es nicht und hält die angebliche »Extended Version« für authentisch, wird man vermutlich vor allem irritiert sein. Jedenfalls ist es im Zweifel besser, auf die gekürzte 60-Minuten-Fassung zurückzugreifen. Die ist zwar unvollständig, aber es ist dennoch zu erahnen, dass The Deerslayer als Cooper-Verfilmung gar nicht mal so schlecht ist. Im Vergleich zu Mohawk, Neumanns unfreiwillig komisch geratenem Flick aus dem Vorjahr, wartet The Deerslayer mit einigen gelungenen Ansätzen auf.

Coopers Geschichte wurde für die Adaption an einigen Punkten geändert, auf nicht uninteressante Weise. So hat die Figur der Hetty anders als im Roman keine geistige Behinderung, jedenfalls nicht im klinischen Sinn. Hutter redet ihr dennoch ein, dass sie »nicht ganz richtig im Kopf« sei, um ihr Autonomiestreben einzuschränken. Denn Hetty streift gern im Wald umher und fühlt sich dabei wohler als auf dem Hausboot des vom Hass zerfressenen Hutter mit seiner Belagerungsmentalität. Am Ende stellt sich heraus, dass der Alte sie belogen hat – Hutter hat sie als Baby aus einem indigenen Dorf geraubt, damit seine leibliche Tochter Judith eine Spielgefährtin hat. Diese Umkehrung eines typischen Western-Motivs (an die Stelle des von Indigenen entführten weißen Mädchens tritt ein indigenes Mädchen, das von einem Weißen entführt wurde), das ihm Jahr zuvor durch The Searchers ausgesprochen bekannt wurde, hätte ich einem Film wie diesem gar nicht zugetraut.²

Überhaupt ist Rita Moreno hinreißend. Auch Jay C. Flippen gibt den psychopathischen alten Skalpjäger auf überzeugende Weise, besonders in der Interaktion mit Forrest Tucker. Sie spielen Hutter und March so, dass beide sich nicht ausstehen können, aber aufgrund ihrer Gier und Furcht vor den Huronen geht es auch nicht ohne einander. March, der mit Judith verlobt ist, sieht diese zunächst als bloßes Mittel, um umso besser am einträglichen Skalpgeschäft ihres Vaters partizipieren zu können.

Im Vergleich zu diesem Ensemble mit all seinen pathologischen Verstrickungen bleibt Lex Barker, der ohnehin kein großer Schauspieler war, ein ziemlich blasser und eindimensionaler Wildtöter. Carlos Rivas’ Rolle als Chingachgook ist lediglich die eines wenig eigenständigen Sidekicks. (Letzteres mag auch daran liegen, dass etwa 20 Minuten des ursprünglichen Films fehlen.) Moreno, Flippen und Tucker sind es, die hier die Show stehlen.

Während die Neuerung, aus Hetty Hutter ein geraubtes indigenes Kind zu machen, eine gelungene Aktualisierung darstellt, ist das Ende des Films, das ebenfalls von Coopers Vorlage abweicht, in meinen Augen etwas konfliktscheu geraten. Dabei kommt die bereits angesprochene versöhnliche Haltung voll zum Tragen. Die sieht in diesem Fall vor, dass es einen redemptive arc geben muss, nämlich für Harry March. Ich muss gestehen, es hätte mir besser gefallen, wenn March am Ende die Rechnung für sein Verhalten präsentiert worden wäre. Insgesamt war Neumanns Deerslayer für mich aber interessanter, als ich erwartet hätte: Ich würde gern mal die Original-Kinofassung sehen.

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¹ Das bekannteste Beispiel dafür stellen die englische und die spanische Version von Universals Dracula (1931) dar.

² 1960 erzählte John Huston in The Unforgiven eine ähnliche Geschichte, wobei er versuchte, Neumanns Kintopp durch ernsthaftes Drama zu ersetzen.

18.11.24

I giorni della violenza (1967)

Deutscher Titel: Sein Wechselgeld ist Blei · Regie: Alfonso Brescia · Drehbuch: Mario Amendola, Antonio Boccacci, Gian Luigi Buzzi, Paolo Lombardo · Musik: Bruno Nicolai · Kamera: Fausto Rossi · Schnitt: Antonietta Zita · Produktion: Concord Film.

Missouri während des Bürgerkriegs: Cowboy Hank (Lucio Rosato) belästigt Lizzy (Rosalba Neri), die Frau des foreman Clell Lee (Romano Puppo). Clells Bruder Johs¹ Lee (Peter Lee Lawrence) schreitet ein, und Lizzy und er verpassen Hank eine Abreibung. Von der Ranch vertrieben, kehrt Hank mit ein paar Spießgesellen zurück, um die Pferde des Ranchers Evans (Andrea Bosic) zu stehlen. Der Diebstahl kann jedoch mit Hilfe von Butch (Nello Pazzafini) verhindert werden. Butch ist Anführer einer Gruppe von Bushwhackers, die auf der Seite der Konföderierten einen Guerillakrieg gegen die Union führen. Butch hätte gern, dass Johs sich seiner Bande anschließt, doch der lehnt ab.

Johs hat auch anderes im Sinn. Er liebt Christine (Beba Lončar), die Tochter von Boss Evans, und sie liebt ihn. Der Rancher gibt sich zwar gern als glühender Anhänger von »the Cause«, aber hauptsächlich geht es ihm darum, seinen Besitz zusammenzuhalten. Wohl deshalb ist er nicht ganz abgeneigt, seine Tochter einen gewöhnlichen Cowboy wie Johs heiraten zu lassen.

Jedoch ist Hanks Rachsucht nach wie vor ungestillt. Er wendet sich an die Unionstruppen und behauptet, Evans’ Ranch diene als Versteck für Butch und seine Bande. Captain Clifford (Luigi Vannucchi) unternimmt daraufhin eine Razzia auf die Ranch. Zwar findet er keine Bushwhacker, aber er beschlagnahmt Evans’ Pferde und lässt Clell und Lizzy Lee tot im Staub zurück.

Notgedrungen schließt Johs sich nun doch den Bushwhackers an. Zwar geht es ihm gegen den Strich, dass Butch seine anti-unionistischen Unternehmungen mit Raubüberfällen finanziert, aber Butch macht ihn kurzerhand zum Mittäter.

Zwei Jahre später, nach dem Ende des Krieges, ist auf Johs’ Kopf eine Belohnung ausgesetzt. Auch Butch hat es geschafft, als Outlaw zu überleben. Clifford hingegen macht mit Hanks Unterstützung gute Geschäfte als Carpetbagger. Evans’ Ranch droht der Verfall. Seine vormals gehegten sezessionistischen Überzeugungen legt er ab, um sich mit den Yankees zu arrangieren. So kommt es ihm nicht ungelegen, dass Clifford um die Hand Christines anhält. Die hat aber weder den Mord an Clell und Lizzy noch ihre Liebe zu Johs vergessen.

Christine verlässt die Ranch und geht zu Johs, der gemeinsam mit Butch auf der Flucht vor Clifford und Hank ist. Christines Anwesenheit bewirkt das endgültige Zerwürfnis zwischen Johs und Butch, bevor es auf der Ranch zum großen Showdown kommt.

I giorni della violenza ist der Versuch, einen amerikanischen Bürgerkriegswestern auf Italienisch zu machen. Die Erzählweise, und auch die geschilderten moralischen Konflikte, sind ganz an den Hollywood-Vorbildern orientiert: Es geht um das Schicksal der Familien Evans und Lee, die durch den Krieg in ungeahnte Verstrickungen geraten. Johs Lee will sich zunächst auf keine Seite stellen, spricht von einem Bruderkrieg, wird aufgrund von Hanks Machenschaften zum Verfolgten und ergreift deshalb schließlich für den Süden Partei, ohne sich ganz mit ihm identifizieren zu können. Anders Rancher Evans, der zwar als Sezessionist anfängt, aber zwecks Bewahrung seiner Privilegien als Großgrundbesitzer keine Skrupel hat, sich mit dem Unionisten Clifford zu verbünden, sobald der Wind sich dreht. Christine Evans bleibt als Figur weitgehend passiv und richtet sich nach Johs.

Die Unionstruppen und ihre Verbündeten, verkörpert durch Clifford und Hank, werden als plündernde und mordende Invasoren dargestellt. Zwischentöne sucht man bei ihrer Charakterisierung vergeblich. Die Frage der Sklaverei wird weitgehend ausgeklammert. In einer Nebenrolle ist Harold Bradley als Nathan, Bediensteter auf der Evans-Ranch, zu sehen.² Es ist anzunehmen, dass Nathan ein Sklave ist, aber in dem Teil des Films, der nach Kriegsende spielt, ist er zu sehen, wie er weiterhin den Rancher bedient, ohne dass sein Verbleib in dieser Rolle irgendwie problematisiert wird.

Der Amerikanische Bürgerkrieg und seine Folgen waren im Spaghettiwestern, der sich für Historisches sonst ja nicht sonderlich interessierte, durchaus ein Politikum. Versprengte Trupps von konföderierten Soldaten, die auch nach dem Krieg das Kämpfen nicht sein lassen können oder sich in fememordende Banden (nach dem Vorbild des Ku Klux Klan) verwandeln, sind im Genre sehr häufig.³ Es ist unschwer zu erkennen, dass diese Darstellung von der Erfahrung des Faschismus beeinflusst ist. Mit Beginn der Bleiernen Jahre in Italien erwies sie sich als prophetisch, denn es zeigte sich, dass auch die neofaschistische Bewegung zu massiver terroristischer Gewalt in der Lage war.

In I giorni della violenza ist davon wenig zu merken. Mit seiner engen Orientierung an US-Vorbildern kauft er sich auch deren ganz anders geartete Ideologie ein, und zwar vor allem, indem er die Sklaverei ignoriert und die unionistische Seite stereotyp als Invasoren und Geschäftemacher hinstellt. Übrigens verwendet der Film einige Mühe darauf, historisch fundiert aufzutreten. Zu Beginn wird eine Texttafel eingeblendet, die die Situation Missouris im Bürgerkrieg (als in der Union verbliebener Sklavenstaat, in dem es beträchtliche sezessionistische Sympathien gab) erläutert. Es wird viel Wert darauf gelegt, die Geographie korrekt wiederzugeben. Das führt mitunter zu kuriosen Dialogen, da die Charaktere in Form von Infodumps erläutern, an welchem Ort sie sich gerade befinden und wo sie hinwollen.

Aber da dies ein Spaghettiwestern ist, gibt es unweigerlich auch einen geographischen Patzer, der dann wieder einigen Unterhaltungswert hat: In einer Szene mit Clifford und Hank kommt eine Landkarte vor, die Missouri zeigen soll – auf der aber, unschwer erkennbar, Texas zu sehen ist. Auch sonst fallen solche Details in I giorni della violenza umso mehr auf, gerade weil der Film sich so historisch gibt: Die Waffen der Unionssoldaten sind anachronistisch, und die Drehorte im Latium sehen nun mal nicht wie Missouri aus. Die Außenszenen auf der Evans-Ranch wurden in der Tenuta delle Capannacce gefilmt, die in zahlreichen Italowestern als herrschaftliche Ranch oder Estanzia zu sehen ist. Hier fällt es leider schwer, sich den mediterran anmutenden Gutshof mit seinen weißgetünchten Wänden und Zypressenbäumen als in den Ozarks gelegen vorzustellen. Ein Blockhaus wäre passender gewesen.⁴ Hinzu kommt, dass ein Streifen wie dieser Massenszenen gebraucht (und wohl auch gern gehabt) hätte, das Budget diese aber nicht hergab. Jedenfalls sind in den meisten Einstellungen kaum mehr als ein Dutzend Statist*innen im Bild zu sehen.

So weit könnte I giorni delle violenza von der Handlung und den Figuren her ein Film sein, wie man ihn etwa von Andrew V. McLaglen kennt. Hinterrücks schleichen sich aber doch typische Spaghetti-Elemente in Form des Subplots um Johs und Butch ein. Letzterer entspricht der bekannten Figur des älteren Revolverhelden, der einen jungen Mann die Kunst des Tötens lehrt. Natürlich kommt es dann zur Konfrontation zwischen dem jüngeren und dem älteren Mann, deren Ausgang Genre-Kenner*innen nicht überraschen wird. Nello Pazzafini in der Rolle des ebenso jovialen wie amoralischen Bushwhacker-Hauptmanns ist das Mitglied des Casts, das in diesem Film am meisten hervorsticht und die stärksten Szenen hat. Hauptdarsteller Peter Lee Lawrence, von dem ja in der Regel (so auch hier) keine großen schauspielerischen Leistungen zu erwarten sind, wird von Pazzafini glatt an die Wand gespielt.

Von Pazzafinis sehenswertem Auftritt einmal abgesehen, stellt sich bei diesem Film die Frage: Wozu das ganze? Wie so oft bei Italowestern, die sich eng an US-amerikanische Vorbilder anlehnen, kommt er an Hollywood nicht heran, liefert aber auch nicht das, was man von einem gelungenen Spaghettiwestern erwartet.

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¹ Das war wohl ein Tippfehler und sollte eigentlich Josh heißen. Aber da er anscheinend niemandem aufgefallen ist, hat »Johs« es in den fertigen Film geschafft. Jedenfalls sprechen die Charaktere den Namen stets Dschoos aus.

² Harold Bradley war zunächst Footballspieler, ging aber Ende der fünfziger Jahre mit Hilfe eines Kunststipendiums nach Rom, um dort Malerei studieren. Nebenher organisierte er Folk-Konzerte und schauspielerte, wobei er überwiegend in Sandalenfilmen zu sehen war. Die Rolle des Nathan ist meines Wissens sein einziger Auftritt in einem Italowestern.

³ Sie sind sogar noch in einem so späten Beitrag zum Genre wie Bruno Matteis Trash-Film Scalps (1987) zu sehen.

⁴ Das Landgut ist unter dem Spitznamen Villa Mussolini bekannt, weil der Diktator es als Reiterhof benutzte. Für Fans, die sich gern mit den Drehorten der Italowestern beschäftigen, hat I giorni della violenza immerhin den Vorzug, dass die Bauten der Tenuta so häufig wie selten im Bild zu sehen sind.