27.6.25

Die Goldsucher von Arkansas (1964)

Regie: Paul Martin · Drehbuch: Hans Billian, Herbert Reinecker, Werner P. Zibaso · Musik: Heinz Gietz · Kamera: Jan Stallich · Schnitt: Herbert Taschner · Produktion: Metheus-Film, Rapid-Film, Société Nouvelle de Cinématographie.

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Während der Dreharbeiten zu Die Flußpiraten vom Mississippi, 1963 in Jugoslawien, traf das Filmteam um Jürgen Roland zufällig auf eine Crew der Rialto, die zur gleichen Zeit den ersten Teil der Winnetou-Trilogie drehte. Die Begegnung verlief offenbar sehr inspirierend, denn schon im Jahr darauf erschien mit Die Goldsucher von Arkansas eine Fortsetzung der Flußpiraten, die Winnetou 1. Teil mehr als nur ein paar Ideen verdankt.

Im Städtchen Marble City in Arkansas betritt ein Mescalero den Saloon und bezahlt seinen Whiskey mit Goldnuggets. Sofort versuchen die gierigen Saloongäste dem Mann den Fundort des Goldes zu entlocken, indem sie ihm ein Glas nach dem anderen einschenken. Aber bevor er sein Wissen offenbaren kann, wird der Verräter von Mescalero-Häuptling Brennender Pfeil (Jan Diviš) erschossen. Nichtsdestotrotz verbreitet sich die Nachricht vom Gold in Windeseile, und ein großer Trek setzt sich Richtung Marble City in Bewegung. Dem Wagenzug schließt sich auch die deutsche Auswandererfamilie Brendel an, die eigentlich auf der Suche nach Farmland ist. Die Goldgerüchte haben den Brendels jedoch kurzzeitig den Kopf verdreht. Als sie kurz vor der Stadt von einigen lokalen heavies belästigt werden, kommt ihnen der Rancher Phil Stone (Brad Harris) zu Hilfe, der sich prompt in Mary Brendel (Olga Schoberová) verguckt.

In der Stadt lässt sich unterdessen der slicke Fiesling Matt Ellis (Mario Adorf) nieder und eröffnet einen Saloon. Von dem Goldrausch erhofft er sich großen Profit und heizt ihn deshalb noch zusätzlich an. Die Mescalero finden das gar nicht lustig und bereiten sich auf einen Krieg vor. Nur Phil Stone und sein Freund McCormick (Horst Frank) sind noch bereit, einen Versuch zur Entschärfung des Konflikts zu unternehmen.

Auch Winnetou 1. Teil beginnt damit, dass ein von Mario Adorf gespielter Schurke erfährt, dass es auf dem Land der Mescalero Gold gibt. Tatsächlich spielt Adorf die Santer-Rolle in Die Goldsucher von Arkansas einfach ein zweites Mal, nur unter anderem Namen. Häuptling Brennender Pfeil ist zwar wesentlich rabiater als sein Kollege Winnetou, aber er trägt ein Kostüm, das dessen charakteristischem Outfit auffällig ähnlich sieht. Und sozusagen als Bonus darf auch noch Ralf Wolter einen vertrottelten Scout darstellen, seiner Rolle als Sam Hawkens in den Winnetou-Filmen entsprechend.

Wie Die Flußpiraten vom Mississippi wurde Die Goldsucher von Arkansas von Wolf C. Hartwigs Firma Rapid-Film produziert, und wie beim ersten Film handelt es sich dem Namen nach um die Adaption eines Romans von Friedrich Gerstäcker. War allerdings schon die Flußpiraten-Verfilmung ein deutlicher Versuch, Gerstäckers Stoff in das Korsett der (allzu verlockend erfolgreichen) Karl-May-Streifen zu quetschen, bleibt in Die Goldsucher von Gerstäcker kaum noch etwas übrig.

Die nominelle Vorlage Die Regulatoren in Arkansas (1846) handelt von einer Bande von Pferdedieben, die in den dichten Wäldern von Arkansas ihr Unwesen treibt und auch vor Mord nicht zurückschreckt.¹ Davon wurde im Film so gut wie nichts beibehalten. Verbindungen zwischen Roman und Film bestehen lediglich durch die Figur des heimtückischen Geistlichen, der im Buch eine zentrale Rolle spielt, während er im Film (gespielt von Dieter Borsche) eine nicht ganz so wichtige Nebenfigur darstellt.² Nur der Handlungsort Arkansas bleibt gleich, das allerdings mit skurrilen Folgen: Die Mescalero leben nunmal nicht in Arkansas, sondern in New Mexico, und ich frage mich schon, was sie aus dem trockenen Südwesten an die Ufer des Mississippi verschlagen hat.

Gerade weil er Gerstäckers Roman weitgehend ignoriert, funktioniert Die Goldsucher von Arkansas für mich etwas besser als der erste Film, der als misslungene Umsetzung einer packenden Buchvorlage vor allem enttäuschend war. Dieser Flick hier ist Standard-Sauerkrautkost ohne große Überraschungen, was Handlung und Figuren angeht. Interessant ist, dass der Film in Böhmen gedreht wurde; selbst die Innenaufnahmen entstanden in einem Prager Studio. Das ist eine nette Abwechslung von den üblichen Eurowestern-Locations in Spanien und Jugoslawien. Musikalisch wartet er mit einem eingängigen Titelsong des deutschen Country-Sängers Ralf Paulsen auf.

Brad Harris und Olly Schoberová, die sich am Set kennen lernten, wurden auch im wirklichen Leben ein Paar. Regisseur Paul Martin, eigentlich für Revuefilme bekannt, verband sein angestammtes Genre und den Western zwei Jahre später in Graf Bobby, der Schrecken des Wilden Westens.

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¹ Die Bande steht in loser Verbindung mit dem kriminellen Imperium der Flusspiraten, um das es im Roman Die Flußpiraten des Mississippi (1848) geht. Da der zweite Roman weitaus bekannter ist, wurde er zuerst als Filmvorlage verwendet.

² Charakteristisch für den Umgang mit der Vorlage ist auch, dass im Film der Geistliche sich nur als solcher ausgibt, also ein gewöhnlicher Betrüger ist. Im Roman betätigt sich dieselbe Figur tatsächlich als charismatischer Erweckungsprediger, ist aber zugleich Seelenfänger, Dieb und Mörder. Diese Symbiose aus Religion und Verbrechen, wie sie Gerstäcker entwirft, ist weitaus interessanter als die Umsetzung der Figur im Film.

30.5.25

Starblack (1966)

Deutscher Titel: Django – Schwarzer Gott des Todes · Regie: Giovanni Grimaldi · Drehbuch: Giovanni Grimaldi · Musik: Benedetto Ghiglia · Kamera: Guglielmo Mancori · Schnitt: Roberto Perpignani · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

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Betrachtet man den Spaghetti-Western nur von seiner kanonischen Seite, etwa von Leone, Corbucci und Valerii her, dann lässt sich leicht übersehen, dass es im italienischen Kino immer auch eine Leidenschaft für maskierte Helden à la Zorro gab. Ausgestattet mit nachtblauer Strumpfmaske und einem überraschend vielseitigen Waffenarsenal (u.a. Wurfmesser, Bolas und zwei Revolver), ist Starblack so ein Held. Über die Leinwand ritt er ausgerechnet 1966, zur Blütezeit des Italowesterns. Nicht gerade die Kinosaison, in der man eine Figur erwarten würde, die geradewegs einem alten B-Western oder Serial entsprungen zu sein scheint. Allerdings: Wer bei Starblack harmlose Späße erwartet, mit Geheimgängen und akrobatischen Zweikämpfen auf dem Dachfirst, wird die eine oder andere Überraschung erleben.¹ Aber dazu später mehr.

Johnny Blyth (Robert Woods), Sohn eines wohlhabenden Minenbesitzers, kehrt nach Jahren der Abwesenheit in sein Heimatstädtchen in New Mexico zurück und findet die Dinge sehr verändert vor. Sein Vater Raphael ist tot, seine Mutter Martha (Jane Tilden) hat Johnnys Onkel, den Friedensrichter Harold King (Harald Wolff), geheiratet.² Johnny will die Erklärung, dass sein Vater durch einen unglücklichen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen sei, nicht glauben. Er öffnet das Grab des Vaters, entnimmt den Totenschädel und entdeckt, dass eine Kugel im Schädelknochen steckt. Sofort verdächtigt er Onkel Harold, seinen Vater ermordet zu haben.³

In der Stadt geht die Angst um. Der Saloonbesitzer und Bankier Curry (Franco Lantieri) treibt die ansässigen Farmer in die Schuldenfalle. Wer nicht zahlen kann, bekommt einen Besuch von Currys Pistoleros und ist sein Land los – und manchmal sein Leben. Vom Sheriff (Andrea Scotti) ist keine Hilfe zu erwarten. Der Gesetzeshüter mit dem Fu-Manchu-Bart tut alles, was Curry ihm sagt. Ein besonderes Interesse hegt Curry an Farmer Williams (Eugenio Galadini), der seine Zeit am liebsten am Spieltisch im Saloon verbringt. Curry hat es nämlich auf dessen Tochter Caroline (Elga Andersen) abgesehen. Die hasst Curry jedoch und liebt einen Mann, dessen Gesicht sie noch nie gesehen hat: Starblack.

Der maskierte Rächer ist die einzige Hoffnung der geplagten Bevölkerung. Wie aus dem Nichts taucht er auf seinem weißen Pferd auf und macht einen henchman nach dem anderen kalt. Dabei geht er ziemlich rabiat vor: Einmal nagelt er die Hände eines Pistoleros mit Wurfmessern fest. Einem anderen schießt er aus nächster Nähe eine Revolverkugel in die Stirn und eine weitere in die Wange. Solche (für die sechziger Jahre sehr expliziten) Gewaltdarstellungen gibt es in Starblack immer wieder. Sie bilden einen so grellen Kontrast zu den Swashbuckler- und B-Western-Einflüssen des Films, dass man unwillkürlich lachen muss.

Es wird niemanden allzu sehr überraschen, wenn ich verrate, dass Johnny Blyth Starblack ist. Ebenso wenig, dass Onkel Harold mit Bankier Curry unter einer Decke steckt und Johnnys Vater ermordet hat. Im Film vermutet allerdings kaum jemand, dass Johnny sich hinter der Strumpfmaske des Rächers verbirgt. Die Bewohner*innen der Stadt nennen ihn Little Blyth und spotten über seine Vorliebe für die Annehmlichkeiten des Lebens: Er trägt gern Seidenhalstücher und bestickte Morgenmäntel, verbringt seine Zeit mit Singen und Gitarrenspiel. Folgerichtig darf Darsteller Robert Woods den Titelsong croonen und wiederholt diese Darbietung später in einer Szene des Films. (Letzteres hätte er aber besser gelassen, denn man sieht etwas zu deutlich, dass Woods nur so tut, als könne er Gitarre spielen.)

Gedreht wurde in Slowenien und Italien, weshalb die darin gezeigten Landschaften dezidiert nicht wie der Südwesten der USA aussehen. Auch das trägt dazu bei, Starblack zu einem campy Filmerlebnis der eigenen Art zu machen: Während die Kamera auf üppige grüne Wälder draufhält, reden die Figuren davon, sich in New Mexico zu befinden. Übrigens hat man beim Schauen des Films den Eindruck, dass die Schauspieler*innen bei den Dreharbeiten ihren Spaß hatten. Möglicherweise war ihnen die Ironie ihres Tuns ja bewusst – jedenfalls kann ich mir schwer vorstellen, dass der Cast mit einer allzu ernsthaften Einstellung an Starblack mitwirkte.

Oder doch? Nur wenige Jahre zuvor war der Peplum das dominante Genre der italienischen Filmindustrie und zeichnete sich durch eine ganz ähnliche Naivität aus, die uns heute zwar ironisch vorkommt, es zu ihrer Zeit aber vielleicht gar nicht war. Was auch immer sich Regisseur/Auteur Gianni Grimaldi und Produzent Paolo Moffa bei Starblack gedacht haben (oder auch nicht gedacht haben), das Ergebnis ist einfach äußerst unterhaltsam. Zum einen liegt das an der überzogenen Gewaltdarstellung, die Starblack in der BRD eine Freigabe ab 18 einbrachte.

Zum anderen ist da der queere Subtext des Films. Starblack alias Johnny ist in ständiger Begleitung seines Freundes Jop (Renato Rossini), der sich als gehörlos ausgibt, um Starblacks Feind*innen besser belauschen zu können. Das ist eine Anspielung auf Zorro, dessen Diener Bernardo ebenfalls den Gehörlosen mimt.⁴ Es wird deshalb häufig angenommen, dass Jop Johnnys Diener sein muss – ist er aber nicht. Im Haus der Kings sitzt er beim Essen mit am Tisch, was einem Dienstboten wohl nicht erlaubt würde. Und, wie in einer Szene eindeutig zu sehen ist, er teilt sich mit Johnny ein Schlafzimmer.

Als am Ende alle Schurk*innen erledigt sind und Caroline endlich weiß, dass Little Blyth kein anderer als Starblack ist, gönnt er ihr wenigstens ein »Ich liebe dich auch« (was man ihm nicht recht glaubt), worauf sie ihn mit einem »Dann nimm mich mit« anfleht. »Wo ich hingehe, ist kein Platz für eine Frau«, erwidert Johnny (was man ihm sofort glaubt), während Jop wissend lacht. Die letzte Einstellung des Films spricht dann für sich: Dicht an dicht nebeneinander reiten Johnny und Jop davon, während Caroline ihnen enttäuscht nachschaut.

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¹ Aber ein Geheimgang kommt schon auch vor. Was sein muss, muss sein.

² Das wirft Fragen ganz eigener Art auf: Wenn Johnny mit Nachnamen Blyth heißt, müsste sein Onkel väterlicherseits ebenfalls Blyth und nicht King heißen. Hat Martha etwa ihren Bruder geheiratet? Hoffen wir einfach, dass Harold King ein Halbbruder von Raphael Blyth ist.

³ Ich habe keine Ahnung, ob die Hamlet-Anspielungen versehentlich oder mit voller Absicht in diesen Film gelangt sind.

⁴ In den Zorro-Erzählungen Johnston McCulleys ist Bernardo tatsächlich gehörlos. Die Idee, dass er nur so tut, als könne er nicht hören, wurde meines Wissens durch die Disney-Serie Zorro (1957–59) eingebracht.

17.5.25

Mi chiamavano Requiescat ... ma avevano sbagliato (1973)

Deutscher Titel: Sing mir das Lied der Rache · Regie: Mario Bianchi · Drehbuch: Alberto Cardone, Eduardo Manzanos, Vittorio Salerno · Musik: Gianni Ferrio · Kamera: Emilio Foriscot · Schnitt: Giancarlo Venarucci · Produktion: Copercines.

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Kurz nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs: Ein Trupp marodierender Südstaatler unter dem Befehl von Machedo (William Berger) überfällt ein Fort der Unionstruppen und tötet die gesamte Besatzung. Captain Madison (Alan Steel), der während des Überfalls auf Patrouille war, nehmen sie gefangen, demütigen ihn und zerschießen ihm die rechte Hand. Dann lassen sie ihn halbtot liegen und reiten davon.

Madison wird von Swan (Celine Bessy), einer indigenen Frau, wieder aufgepäppelt. Als schwarzgekleideter Rächer heftet er sich an die Fersen von Machedos Bande. Allerdings ist Madisons Hand zu beschädigt, um noch einen Revolver halten zu können. Zum Glück kennt er aus seiner Armeezeit den exzentrischen Büchsenschmied Smart (Paco Sanz), der sich des Problems annimmt und eine spezielle Prothese für Madison anfertigt.

Machedo und seine Soldateska ziehen unterdessen mordend und brandschatzend durch die Lande. Als sie eine Bank ausrauben, sieht Madison seine Gelegenheit gekommen. Er jagt den Südstaatlern die Beute ab und begibt sich mit ihr als Köder in eine Geisterstadt. Gemeinsam mit Swan bereitet er einen Hinterhalt vor, um endgültig Rache zu nehmen.

1973, als sich in staubigen frontier towns die Trinity-Klone tummelten, drehte Mario Bianchi diesen Western mit harter Rache-Story, als wolle er dem Zeitgeist trotzen. Allerdings wird in Mi chiamavano Requiescat auf ziemlich ausgetretenen Pfaden Rache geübt. Fast alles in diesem Film hat man schon mal gesehen: Die Konföderierten, die auch nach der Niederlage des Südens das Rauben und Morden nicht sein lassen können. Der komische Alte, der dem Helden zur Seite steht. Und natürlich der schweigsame Protagonist mit der unheilbar verletzten Schusshand. Neu (und zeitgeisty) ist, dass es eine Sexszene gibt.¹

Hauptdarsteller Alan Steel (eigentlich Sergio Ciani) war einer der wenigen gebürtigen Italiener, der regelmäßig als muskelbepackter Held in Sandalenfilmen zu sehen war.² Nach dem jähen Ende, den das Peplum-Genre Mitte der sechziger Jahre nahm, musste Steel sich andere Betätigungsfelder suchen. Obwohl Mi chiamavano Requiescat nicht sein einziger Western-Auftritt ist, hat es stark den Anschein, als würde er mit seiner Rolle fremdeln. In seiner schwarzen Rächerkluft scheint es ihm unbehaglich zu sein. Er wirkt etwas verloren. William Berger spielt dagegen den Chef-Psychopathen der konföderierten Marodeure gewohnt routiniert.

Abstoßend ist die Gewaltdarstellung in diesem Film. Die entspricht nicht den hochstilisierten Gewaltausbrüchen, wie sie für italienische Western charakteristisch sind (und sehr geschätzt werden), sondern ist pure, sado-homoerotische Exploitation, und zwar billig und brutal, ohne transgressive Qualitäten. Äußerst unangenehm anzusehen.

So gibt es leider wenig Gutes über diesen Streifen zu sagen – und was es gibt, relativiert sich oft wieder. Der finale Shootout in der Geisterstadt ist recht gekonnt inszeniert, viele andere Sequenzen leiden aber neben ihrem Exploitation-Charakter auch an dem homöopathisch dosierten Budget, das der Produktion zur Verfügung stand. Ganz interessant ist jedoch der jazzige Soundtrack.

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¹ Dies ist der letzte von drei Western, bei denen Mario Bianchi Regie führte. Danach wandte er sich dem Sexploitation-Film und anderen Genres zu.

² Viele Peplum-Stars waren aus den USA importierte Bodybuilder.

8.4.25

The Jackals (1967)

Regie: Robert D. Webb · Drehbuch: Harold Medford, Lamar Trotti · Musik: Bob Adams · Kamera: David Millin · Schnitt: Peter Grossett · Produktion: Killarney Film Studios, 20th Century Fox.

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Filme mit Western-Handlung, die im Südafrika des 19. Jahrhunderts spielen, nenne ich Biltong-Western. Obwohl ihre Zahl sehr überschaubar ist, finde ich sie eigentümlich genug, um eine eigene Bezeichnung für sie zu rechtfertigen. Die Biltong-Western waren Teil eines größeren, etwa von der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis in die sechziger Jahre anhaltenden Trends, Abenteuerfilme mit Western-Elementen in verschiedenen Teilen des britischen Kolonialreichs spielen zu lassen, insbesondere in den Dominions Australien, Kanada und Südafrika. Maßgeblich für die Produktion dieser Filme waren vor allem britische Filmgesellschaften, die offenbar das Ziel verfolgten, die Siedlerkolonien des Empire zur hauseigenen frontier zu erklären.

Die südafrikanische Filmindustrie spielte bei der Produktion der Biltong-Western im Vergleich eine eher untergeordnete Rolle, zumindest zu Beginn. Filme wie Diamond City (1949) und The Adventurers (1951) spielten in Südafrika und wurden auch vor Ort gedreht, aber sie waren britische Produktionen. Ähnlich verhält es sich mit dem 20th-Century-Fox-Streifen Untamed (1955), der eine reine Hollywood-Produktion ist. In den sechziger Jahren kamen dann einige Flicks hinzu, die man schon eher als heimische Werke ansehen kann. Einer davon ist The Jackals mit Vincent Price, der allerdings ebenfalls unter starkem Hollywood-Einfluss steht.

The Jackals entstammt den Killarney Film Studios, die I. W. Schlesinger (1871–1949), ein gebürtiger New Yorker, bereits 1915 gegründet hatte. Die Nachricht von Goldfunden im Witwatersrand 1886 hatte Schlesinger als jungen Mann nach Südafrika gelockt. Er schlug sich zunächst als Handlungsreisender durch, machte dann ein Vermögen im Versicherungs- und Immobiliengeschäft. In den 1910er Jahren stieg er mit dem Kauf eines ersten Kinos (bald besaß er eine ganze Kette) ins Filmgeschäft ein und baute die African Film Productions (AFP) auf, mit hauseigenem Studio im Johannesburger Vorort Killarney. Schlesinger wurde zum Magnaten der jungen südafrikanischen Filmindustrie.

Die frühen Filme, die AFP herausbrachte, passten sich auf recht geschmeidige Weise dem Geschmack der jeweiligen Zielgruppe an. Englischsprachige Produktionen betonten die Übereinstimmung der britischen und burischen Interessen. Afrikaanse Werke bedienten die nationalistische Stimmung des burischen Publikums. Von den 1920er Jahren an produzierte AFP auch Filme, die sich gezielt an die schwarze Bevölkerung richteten. In diesem Fall wurden die Inhalte allerdings von weißen Missionaren vorgegeben.

Anfang der sechziger Jahre kam Hollywood ins Spiel: 20th Century Fox plante, AFP aufzukaufen. Der Deal ging allerdings in die Brüche, nachdem der Hollywood-Gigant sich mit dem Monumentalfilm Cleopatra (1963) beinahe selbst zerlegt hätte. Für 20th Century Fox war es in dieser Lage wohl günstiger, auf den Kauf zu verzichten und lieber auf südafrikanische Kosten in Killarney ein Remake eines ihrer Filme drehen zu lassen. So kam es auch. 20th Century Fox übernahm den internationalen Vertrieb für The Jackals, eine Neuverfilmung von William A. Wellmans Yellow Sky (1948).

Obwohl The Jackals in Transvaal spielt (und die im Original vorkommenden Apache durch Tsonga-Krieger¹ ersetzt werden), zeigt schon die Tatsache, dass es sich um das Remake eines Hollywood-Westerns handelt, wie sehr dieser Film in der sicheren Nähe der amerikanischen Vorbilder verharrt. Das Drehbuch von Yellow Sky wurde nahezu unverändert übernommen.² Außerdem wurde mit Robert D. Webb ein Western-Regisseur aus Hollywood eingeflogen und mit Vincent Price, Diana Ivarson und Robert Gunner ein Trio von amerikanischen Hauptdarsteller*innen engagiert.

The Jackals beginnt mit sechs Banditen, darunter Stretch Hawkins (Robert Gunner) und Dandy (Bob Courtney), die eine Bank überfallen. Auf der Flucht wird einer der sechs von einer Polizeipatrouille erschossen. Die übrigen fünf verschlägt es in die Geisterstadt Yellow Rock. Dort lebt Oupa³ Decker (Vincent Price) ganz allein mit seiner Enkelin Willie (Diana Ivarson). Die Gesetzlosen müssen nicht lang überlegen, was den alten Mann dazu gebracht hat, in der Geisterstadt auszuharren. Die einzig mögliche Erklärung lautet: Gold. Emsig beginnen die Banditen, in der Umgebung von Yellow Rock jeden Stein umzudrehen.

Stretch und Willie kommen sich nach anfänglichen Animositäten näher. Das führt zu einem Konflikt zwischen Stretch und dem Rest der Bande, der sich zuspitzt, als Dandy die Deckers umlegen will, um keine losen Enden zu hinterlassen. In der Geisterstadt stehen die Zeichen auf Showdown ...

Die Nähe zum Original bringt es mit sich, dass The Jackals Vergleiche herausfordert, die für den Streifen leider unvorteilhaft ausfallen. Robert Gunner galt bei der 20th Century Fox, die ihn an diese Produktion auslieh, als kommender Star. Einem Vergleich mit Gregory Peck, dem leading man in Wellmans Film, hält er mit seinem relativ ausdruckslosen Spiel aber nicht stand. Als Hauptdarsteller wird in den Credits (und auf den Filmplakaten) von The Jackals ohnehin Vincent Price herausgestellt. Der Name Price sollte die Menschen offenbar ins Kino locken, obwohl die Horror-Ikone hier in einem eher ungewohnten Genre auftritt. Es lässt sich ohnehin nicht darüber hinwegtäuschen, dass Price’ Bildschirmzeit ziemlich überschaubar ausfällt. Und seine Performance lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass er diesen Film kein bisschen ernst nahm. Ich kann ihn verstehen: Price war während der Dreharbeiten 56 Jahre alt, aber man erwartete von ihm, den Großvater einer erwachsenen Enkelin zu mimen.

Stellenweise gewinnt man den Eindruck, als wäre das Filmteam selbst besorgt gewesen, The Jackals könne vom Publikum für eine gewöhnliche, im Südwesten der USA spielende Pferdeoper gehalten werden.⁴ Wie zur Erinnerung wird die Handlung insbesondere im ersten Teil des Films immer wieder durch Naturaufnahmen unterbrochen, die afrikanisches Großwild zeigen und mit Mbira-Klängen unterlegt sind. Das nützt aber auch nicht viel. Besser wäre es gewesen, sich von der Vorlage zu lösen und Mut zur Eigenständigkeit zu beweisen.

Ich will durch den Vergleich mit dem Original nicht unfair gegenüber The Jackals sein. Yellow Sky ist ein aufwändiger, majestätisch fotografierter Film. Natürlich kann The Jackals mit seinem vermutlich eher bescheidenen Budget in dieser Hinsicht nicht mithalten. Jedoch: Was man durchaus auch mit wenig Geld erreichen kann, ist Originalität. Gerade die geht dem Streifen aber weitgehend ab.

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¹ Im Film werden die Tsonga mit dem Namen Shangaan bezeichnet, der meines Wissens obsolet ist.

² Die Credits führen sogar W. R. Burnett als Co-Autor des Drehbuchs auf. Tatsächlich war Burnett der Verfasser des Romans, auf dem Yellow Sky basiert.

³ Oupa ist das afrikaanse Wort für Opa.

⁴ Beim griechischen Verleih scheint das der Fall gewesen zu sein. Er vertrieb den Film unter dem Titel Τα τσακάλια του Βεστ, »Die Schakale des Westens«.

12.3.25

Untamed (1955)

Deutscher Titel: Die Unbezähmbaren · Regie: Henry King · Drehbuch: Michael Blankfort, Frank Fenton, Talbot Jennings · Musik: Franz Waxman · Kamera: Leo Tover · Schnitt: Barbara McLean · Produktion: 20th Century Fox.

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Nach ersten britischen Versuchen unter der Regie von David MacDonald versuchte sich 1955 auch Hollywood an einem in Südafrika spielenden Western. Herausgekommen ist eine Kuriosität namens Untamed, eine Kintopp-Version von Gone with the Wind im Veldt. Regie führte Henry King. Bei der hanebüchenen Story, die Untamed erzählt, will man allerdings kaum glauben, dass es sich um den Regisseur handelt, der für solche Genre-Klassiker wie Jesse James und The Gunfighter verantwortlich war.

Der Bure Paul van Riebeck (Tyrone Power) ist bei dem Gentleman-Pferdezüchter O’Neill (Henry O’Neill) in Irland zu Gast. Er will Pferde für seine Reitermiliz kaufen. O’Neills Tochter Katie (Susan Hayward) findet Pauls brüske Art offenbar anziehend und verliebt sich in ihn. Doch Paul erklärt, dass er keine Zeit für irgendetwas anderes als die Gründung einer unabhängigen Burenrepublik hat, und reist zu Katies großer Enttäuschung ab. Drama ist vorgeschrieben. Hätte Paul nur mal an einem anderen Ort (einem etwas näher an Südafrika gelegenen vielleicht) Pferde gekauft – ihm und sämtlichen Figuren des Films wäre eine Menge Ärger erspart geblieben.

Squire O’Neill fällt wenig später der Großen Hungersnot zum Opfer. Katie heiratet ihren langweilig-braven Nachbarn Shawn Kildare (John Justin) und wandert mit ihm und der Hausfreundin Aggie O’Toole (Agnes Moorehead) nach Südafrika aus. Während der Überfahrt bekommt sie ihr erstes Kind. Angekommen in Kapstadt, erfährt Katie, dass in den nächsten Tagen ein Ochsenwagentrek, geführt von Simon Hout (Jack Macy), ins Landesinnere aufbricht. Pauls Kommando¹ soll den Trek eskortieren. Sofort überredet Katie ihren Mann und Aggie, sich dem Trek anzuschließen. Am vereinbarten Treffpunkt ist aber von Paul und seinen Reitern, wiederum zu Katies großer Enttäuschung, nichts zu sehen. Dafür hat Kurt Hout (Richard Egan), der Sohn des Trekführers, ein Auge auf sie geworfen. Als ein Zulu-Impi den Trek angreift, werden die Siedler*innen im letzten Augenblick von Paul und seinem Kommando gerettet. Katie ist überglücklich, ihre große Liebe wiederzusehen. Praktischerweise haben die Zulu den nun überflüssigen Shawn während des Angriffs getötet, und der aufdringliche Kurt wird von Paul davongejagt.

Katies Glück ist vollkommen, als sie merkt, dass Paul seinen Traum vom Burenstaat vorübergehend vergessen zu haben scheint. Katie und er lassen sich auf einer Farm nieder. Leider fällt Paul seine patriotische Pflicht gerade dann wieder ein, als Katie zum zweiten Mal schwanger ist, und er macht sich erneut aus dem Staub. Sofort springt Kurt Hout ein und bewirtschaftet die Farm gemeinsam mit Katie. Allerdings stimmen seine Vorstellungen nicht mit ihren überein: Während Katie Kurt als kostenlose Arbeitskraft betrachtet, hat er nach wie vor mehr im Sinn. Aber es wird nichts daraus. Ein Gewitter zerstört die Ernte, und Kurt verliert durch einen selbstverschuldeten Unfall sein rechtes Bein. Erneut macht er sich geschlagen davon.

Wegen der ausgefallenen Ernte verlegt Katie sich darauf, ihre aus Irland mitgebrachte Couture an die benachbarten Bantu zu verkaufen, und gerät auf diese Weise an einen Beutel Goldnuggets und einen großen Diamanten. Mit ihren Kindern und Aggie kehrt Katie nach Kapstadt zurück, wo sie dank des erschwindelten Reichtums ein luxuriöses Leben führen kann. In Kapstadt läuft ihr auch Paul wieder über den Weg, der verblüfft feststellt, dass Katie und er einen Sohn haben. Als Paul ihr Vorwürfe macht, ihn nicht über den Nachwuchs informiert zu haben (offenbar übersteigen gewisse Zusammenhänge sein Vorstellungsvermögen), wirft sie ihn aus dem Haus.

Katie verprasst ihr Gold- und Diamantenvermögen und ist erneut mittellos. Wie immer mit Aggie und den Kindern im Schlepptau bricht sie nach Colesberg auf, wo es weitere Diamantenfunde gibt. Unterwegs erfährt Katie, dass Colesberg von einer Bande Gesetzloser eingenommen wurde, die den Bürgermeister ermordet haben. Diese Nachricht bewegt sie allerdings nicht zur Umkehr. Vor Ort stellt sich heraus, dass der Anführer der Gesetzlosen kein anderer als Kurt ist. Paul und sein Kommando greifen an, um die Banditen aus der Stadt zu vertreiben. Kurt nimmt Katies und Pauls Sohn als Geisel, wird aber von Pauls Diener Chaka (Paul Thompson) mit einem Assegai getötet. Jetzt endlich kehrt Paul, dem offenbar die Ausreden ausgegangen sind, mit Katie und den Kindern (und Aggie natürlich, die sich überall hin mitschleppen lässt) auf die Farm zurück.

Sagte ich bereits, dass die Handlung dieses Films völlig hanebüchen ist? Ich habe irgendwann gar nicht mehr mitgezählt, wie oft Katie ihre Existenzgrundlage verliert und wie viele Male Paul und Kurt in ihrem Leben auftauchen und wieder abhauen.

Erwähnt werden muss, dass Untamed mit spektakulären Landschaftsaufnahmen aus Irland und KwaZulu-Natal aufwartet. Leider sind die Hauptdarsteller*innen Hayward, Power und Egan nie in diesen Aufnahmen zu sehen. Lediglich einige Szenen in Kapstadt wurden mit Hayward und Power on location gedreht. Die restlichen Szenen entstanden auf einer Filmranch der 20th Century Fox, der man allerdings auf den ersten (und auch auf den zweiten und dritten) Blick ansieht, dass sie nicht in Südafrika liegt.

Tyrone Power hatte wenig Lust auf diesen Film, war aber aus vertraglichen Gründen verpflichtet, die männliche Hauptrolle zu übernehmen. Entsprechend lustlos und unglaubwürdig füllt er seinen Part aus. Aufgrund der Tatsache, dass die irischen, burischen und Bantu-Charaktere dieses Films von einem fast durchgängig US-amerikanischen Ensemble gespielt werden, darf man es aber mit den schauspielerischen Eignung des Casts ohnehin nicht so genau nehmen. Denn was macht Powers müde Darstellung angesichts der ganzen Absurdität dieses Streifens schon für einen Unterschied?

Um die kolonialen Verwicklungen, die etwa in Diamond City Thema sind, macht Untamed eher einen Bogen. Pauls burischer Nationalismus wird mit Sympathie dargestellt, aber an keiner Stelle geht der Film darauf ein, was den Konflikt zwischen den Bur*innen und der britischen Kolonialmacht eigentlich ausmacht. Ähnlich verhält es sich mit den racial politics. Die kommen nur am Rande vor, indem etwa den Zulu die Rolle zugeschrieben wird, die in amerikanischen Western die Prärievölker einnehmen. Ihre Aufgabe besteht folgerichtig darin, den weißen Siedlertrek zu überfallen und von der im letzten Moment eintreffenden Kavallerie ... äh, den im letzten Moment eintreffenden Kommandos in die Flucht geschlagen zu werden.²

Gar nicht erst problematisiert wird, wie Katie ihre Bantu-Nachbar*innen bescheißt, indem sie sich ihren Plunder mit Gold und Diamanten bezahlen lässt. Dafür wird ein weiteres Western-Klischee auf südafrikanische Verhältnisse übertragen: Kurt Hout ist stets in Begleitung seiner Liebhaberin Julie (Rita Moreno) – übrigens auch dann, wenn er Katie den Hof macht. Dabei wird Julie von Kurt grundsätzlich wie Dreck behandelt, ist ihm aber treu ergeben. Die Implikation ist wohl, dass Julie zu den Coloureds gehört, also zu dem Teil der Kap-Bevölkerung, der teils burische, teils indigene Vorfahr*innen hat. Der Charakter entspricht dem bekannten Stereotyp der »halfbreed harlot«, der sexuell freizügigen, zugleich hitzköpfigen und unterwürfigen Frau von gemischter Abstammung, wie sie etwa in Duel in the Sun oder den frühen Tonfilm-Western von John Ford zu sehen ist.

Fazit: Diesen Ausflug ins Veldt hätte Hollywood besser mal gelassen.

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¹ Kommandos waren mobile, leicht bewaffnete burische Milizen. Von ihnen leitet sich die englische Bezeichnung commandoes für Angehörige einer militärischen Spezialeinheit ab.

² So macht es auch ein späterer Biltong-Western: The Jackals (1967) ist ein südafrikanisches Remake von Yellow Sky, das die im Original vorkommenden Apache durch Tsonga-Krieger ersetzt.

3.3.25

Diamond City (1949)

Deutscher Titel: Männer, Mädchen, Diamanten · Regie: David MacDonald · Drehbuch: Roland Pertwee · Musik: Clifton Parker · Kamera: Reginald H. Wyer · Schnitt: Esmond Seal · Produktion: Gainsborough Pictures.

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Die vierziger und fünfziger Jahre waren die Blütezeit des Hollywood-Westerns. Westernproduktionen außerhalb der USA erschienen zu dieser Zeit nur vereinzelt. Die große Eurowestern-Welle begann erst in den sechziger Jahren, als Hollywood sich vom Genre zunehmend abwandte, die Pferdeopern ins neue Massenmedium Fernsehen migrierten und die europäischen Kinos Nachschub aus anderer Quelle brauchten.

Es gab allerdings eine Kino-Nation, die sich schon in der goldenen Zeit des Westerns nicht mit der US-Dominanz abfinden wollte: Die britische Filmindustrie wollte ihre eigenen Western. Aber wo diese drehen? Weil man mit den former colonies nicht wirklich konkurrieren konnte, verfiel man auf die gegenwärtigen Kolonien. Als Resultat entstand eine Reihe von Filmen, die in den Dominions Kanada, Australien und Südafrika spielen. Sie alle beruhen auf der durchaus gewagten Behauptung, dass das British Empire seine eigene frontier hat. Aber kann das sein? Die gängige Annahme ist ja, dass so etwas wie der Wilde Westen überhaupt nur zustande kommen konnte, weil der rugged individualism der weißen amerikanischen Siedler*innen sich gegen die imperialen Ansprüche der englischen Krone durchsetzte. Wenn das stimmt, (tut es in der Form natürlich nicht, aber dennoch die Frage:) wie soll dann innerhalb des britischen Herrschaftsbereichs so etwas wie die frontier der Western-Mythologie möglich sein?

Wenig überraschend führten die Bemühungen, so etwas wie den Wilden Westen innerhalb der Grenzen des Commonwealth zu finden, zu eher durchwachsenen Ergebnissen. Am erfolgreichsten lief es in Australien. Dort gab es wie in den USA eine weiße Siedlerbevölkerung, die (aus guten Gründen) nicht immer eine hohe Meinung vom kolonialen Mutterland hatte, und auch eine von den Weißen (aus sehr unguten Gründen) als feindselig und vernichtungswürdig empfundene indigene Bevölkerung. Aus diesen Voraussetzungen entstand tatsächlich eine durchgängige Tradition von zunächst britischen, später australischen Filmen, sogenannte Meat-Pie-Western. In letzter Zeit führte diese Tradition sogar dazu, dass der Genozid an den Aborigines in Filmen wie Sweet Country (2017), The Nightingale (2018) und High Ground (2020) dargestellt wurde, auf eine so ungeschönte und erschütternde Weise, dass keine vergleichbare US-Produktion über Native Americans an sie herankommt.

Vielleicht am wenigsten überraschend ist, dass es in Südafrika nicht zu einer solchen Entwicklung kam, dass die Idee eines ›südafrikanischen Westerns‹ letztlich einfach nicht funktioniert. Denn im Vergleich zu Australien oder den USA war Südafrika sehr viel mehr ein klassischer Kolonialstaat. Es bestand kein Interesse daran, die einheimische Bevölkerung vollständig zu verdrängen und ihren Platz einzunehmen. Man wollte sie entrechten und unterdrücken, aber der Grund dafür war, dass man sie als billige Arbeitskräfte brauchte. Unter solchen Bedingungen konnte kein Zustand der Gesetzlosigkeit entstehen, wie er mit der amerikanischen frontier assoziiert wird. Es handelte sich vielmehr um klassische imperiale Ordnungspolitik, die gerade keinen rechtsfreien Raum will, sondern ein System ungleicher Rechte für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen – mit einem Wort: Apartheid.¹

Aber ob er nun funktioniert oder nicht, den Versuch des südafrikanischen Westerns gibt es, und seine Ära umfasst (so weit ich das überblicken kann) in etwa die fünziger und sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Da es meines Wissens noch keinen kulinarischen Namen (analog zum Spaghetti-, Sauerkraut- oder Meat-Pie-Western) für ihn gibt, schlage ich kurzerhand vor, ihn als Biltong-Western zu bezeichnen.

Der zeitlich erste Film dieser Art ist David MacDonalds Diamond City, eine rein britische Produktion. Darin dreht sich alles um das Diamentenfieber der 1870er Jahre. Ort der Handlung ist das formell unabhängige Gebiet Griqualand West, nördlich des Oranje-Flusses, in dem die Griqua unter ihrem Kapitän² Nicolaas Waterboer dominierten. Griqualand West grenzte im Osten an die Burenrepubliken Oranje-Freistaat und Transvaal, im Süden an die britische Kapkolonie. Beide Mächte beanspruchten das Gebiet für sich, und zwar umso mehr, nachdem 1870 in Klipdrift Diamanten gefunden wurden und eine große Zahl weißer Diamantengräber*innen über den Oranje-Fluss zu strömen begann. Klipdrift wurde zu einer typischen boomtown. Die britischen Glücksritter wollten den burischen Anspruch auf die Diamantenfelder nicht akzeptieren – und schon gar nicht wahrhaben, dass die Griqua irgendwelche Anrechte auf das Land haben könnten. In dieser Situation gelang es einem exzentrischen Engländer namens Stafford Parker, zum Machtbroker zu werden. Indem er die Diamantengräber*innen organisierte und sich sogar zum Präsidenten einer kurzlebigen »Diamond Diggers Republic« ausrufen ließ, bereitete er die Annektion von Griqualand West durch die britische Kapkolonie vor, die 1873 erfolgte.

In Diamond City wird der Konflikt zwischen Parker (David Farrar), den Griqua und den Bur*innen in personalisierter Form erzählt, als Auseinandersetzung zwischen Parker auf der einen Seite und einer (glaube ich) fiktiven Person auf der anderen, dem burischen Händler Hans Muller (Niall MacGinnis). Als Parker von dem Diamantenfund in Klipdrift hört, bricht er sofort aus Hopetown am Oranje-Ufer auf und spricht beim Griqua-Kapitän Jan Bloem (Norris Smith) vor.³ Er überredet Bloem, ihm eine Kommission zu erteilen, derzufolge allein Parker dafür zuständig ist, auf den Diamantenfeldern für Recht und Ordnung zu sorgen. Jeder gefundene Diamant soll registriert werden und ein Anteil an seinem Erlös an Bloem ausgezahlt werden. Hans Muller ist mit diesem Arrangement ausgesprochen unzufrieden. Er zieht es vor, schwarzen Minenarbeiter*innen die Diamanten direkt abzukaufen und sie dafür mit Schnaps zu bezahlen. Mullers Verbündeter unter den Griqua ist Jan Bloems Neffe Piet Quieman (Philo Hauser).

Aber zunächst hat Stafford Parkers System Erfolg. In Klipdrift agiert er als Sheriff und Friedensrichter in einer Person, wobei die Gerichtsverhandlungen im Saloon stattfinden.⁴ Die Stadt zieht immer mehr Menschen an, darunter Parkers Geliebte, die Sängerin und Tänzerin Dora (Diana Dors), die sich gegenüber Parkers Plänen stets leicht skeptisch gibt. Dora bekommt bald Konkurrenz in Person der braven, blonden Missionarstocher Mary Hart (Honor Blackman), die gemeinsam mit ihrem Vater (Mervyn Johns) der Bevölkerung von Klipdrift ihre lasterhaften Sitten austreiben will. Natürlich verguckt sich Parker in Mary und verlobt sich sogar mit ihr. Zu seinem Entsetzen verlangt sie aber, dass er in Klipdrift ein Glücksspiel- und Alkoholverbot erlässt.

Parkers Gegenspieler Hans Muller ist unterdessen nicht untätig. Über Piet Quieman gelingt es ihm, Zugang zu Jan Bloem zu erhalten. Muller legt Bloem dar, dass Parker sich rein gar nicht wie ein Kommissär des Griqua-Kapitäns verhält, sondern einfach tut und lässt, was er will. Das ist nicht mal gelogen. Denn Parker weiß, dass die Eingliederung von Griqualand West in das British Empire kurz bevor steht. Ihm geht es allein darum, in der Zwischenzeit Tatsachen zu schaffen, indem er den burischen Einfluss zurückdrängt und den Interessen der Digger zur Durchsetzung verhilft. Jan Bloem begibt sich mit seinem Gefolge nach Klipdrift, um Parker zur Rede zu stellen. Doch der reagiert mit unverhohlenen Drohungen gegen die Griqua, woraufhin sich Bloem unverrichteter Dinge wieder zurückzieht. Muller dagegen entschließt sich, mit seinen henchmen den offenen Angriff auf Klipdrift zu wagen.

Die historischen Ereignisse, auf denen Diamond City basiert, bieten reichlich Stoff für eine spannende Story. Leider nutzt der Film sie vor allem dazu, um jingoistische Kolonialpropaganda zu betreiben. Dabei steht Stafford Parker als Wegbereiter eines ordentlichen, sauberen Kolonialismus. Sein Kontrahent Muller agiert nicht weniger, sondern anders kolonialistisch. Er bevorzugt zwielichtige Deals in Form von Schnaps und Intrigen. Parker symbolisiert britische Korrektheit, Muller die burische Barbarei. Aus Sicht von Diamond City ist das der entscheidende Unterschied. Wer dagegen nichts zu melden hat, ist die einheimische Bevölkerung: Als Muller Bloem auffordert, sich seinem Angriff auf Klipdrift anzuschließen, lehnt dieser ab. Parkers Drohungen gegen die Griqua haben Wirkung gezeigt. Den Einheimischen bleibt nur, sich passiv zu verhalten, während die weißen Männer um das Land kämpfen.

Parker wird dabei als eine Figur des Übergangs dargestellt. Persönlich entspricht er nicht gerade dem Bild des stocksteifen britischen Kolonialbeamten: Er trinkt, er spielt, er verschafft sich am liebsten unter Einsatz seiner Fäuste Recht. Ihm ist klar, dass in der neuen kolonialen Ordnung, die er selbst herbeiführt, kein Platz für ihn ist. Am Ende des Films wird über Klipdrift feierlich der Union Jack gehisst, der für die Souveränität des Empire steht. Aber Parker nimmt an der Zeremonie nicht teil. Er beobachtet sie aus dem Hintergrund und reitet dann allein über das Veldt davon. Parkers zwei Seiten – als Ordnungsstifter und als  Abenteurer – werden symbolhaft dargestellt in den beiden Frauen in seinem Leben, der viktorianisch-frommen Mary und der selbständigen, überlebenstüchtigen Dora.⁵

Solche Übergangsfiguren gibt es viele im amerikanischen Western: Sie bereiten der weißen Besiedlung den Weg, wohl wissend, dass sie selber in der neuen Welt der Straßen und Städte gar nicht leben können. Deren Tragik geht dem Stafford Parker von Diamond City aber weitgehend ab. Die Idee der unanfechtbaren britischen Weltherrschaft, die er in Griqualand zu etablieren hilft, war schon im Erscheinungsjahr des Films eine anachronistische, ja beinahe lächerliche Vorstellung. Die Tragödie des amerikanischen Westerners, das Verschwinden der frontier, wird zur Farce, wenn man sie auf das Empire zu übertragen versucht.

An der Kinokasse brachte Diamond City – vielleicht folgerichtig – wenig ein. Regisseur MacDonald, selber ein Kind des britischen Kolonialismus, ließ sich davon allerdings nicht beirren. Schon 1951 veröffentlichte er mit The Adventurers einen zweiten Film über den südafrikanischen Diamantenrausch.

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¹ Ein Ausdruck, der natürlich erst mit der Machtübernahme der burisch-nationalistischen National Party 1948 zum offiziellen Regierungsprogramm wurde, dessen Gehalt aber in den (die Rechte der einheimischen Bevölkerung immer weiter beschneidenden) Natives Acts früherer Jahrzehnte vorweggenommen wurde.

² Das afrikaanse Wort kaptein (Kapitän) entspricht in etwa dem englischen chief.

³ Jan Bloems historisches Vorbild hieß, wie bereits erwähnt, Nicolaas Waterboer (ca. 1819–1896).

⁴ An dieser Stelle erinnert die Darstellung Parkers an eine legendäre Gestalt des Wilden Westens, den selbsternannten Richter und Saloonwirt Roy Bean (ca. 1825–1903). Ich weiß nicht, ob Diamond City sich der Ironie bewusst ist, die darin liegt, dass Parker in die Nähe des ausgemachten Scharlatans Bean gerückt wird.

⁵ Diana Dors als Dora ist übrigens die Überraschung dieses Films. Obwohl sie während der Dreharbeiten erst 17 Jahre alt war (was man ihr ansieht), spielt sie die Rolle der toughen Saloon-Lady mit einiger Überzeugungskraft.

24.2.25

Tutti per uno ... botte per tutti (1973)

Deutscher Titel: Alle für einen, Prügel für alle · Regie: Bruno Corbucci · Drehbuch: Peter Berling, Tito Carpi, Bruno Corbucci, Leonardo Martino · Musik: Carlo Rustichelli · Kamera: Rafael Pacheco · Schnitt: Vincenzo Tomassi · Produktion: Capitolina Produzioni Cinematografiche, Dieter Geissler Filmproduktion, Star Films.

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Dart (Giancarlo Prete) will in die Fußstapfen seines Vaters (Pietro Tordi) treten und Texas Ranger werden. Bevor er aufbricht, veranstaltet sein Heimatörtchen Cheese Valley ein Abschiedsfest, das in einer großen Schlägerei endet. Unterwegs kehrt Dart in einem Saloon-Hotel ein, in dem er mit einem gewissen Mendoza verwechselt wird, sehr zum späteren Missvergnügen des echten Mendoza (José Canalejas). Aufgrund der Verwechslung macht Dart die Bekanntschaft von Leduc (Eduardo Fajardo), einem schwerreichen Bankier aus New Orleans. Der will einem mexikanischen Caudillo im Austausch gegen geschäftliche Vorteile eine größere Menge Gold zuschanzen und wartet deshalb auf den Emissär des Caudillos, den besagten Mendoza.

Als nächstes trifft Dart auf McAthos (George Eastman), Portland (Cris Huerta) und Aramirez (Leo Anchóriz), drei geschasste Texas Ranger, die ihm berichten, dass aufgrund des bei den Rangern herrschenden Austeritätskurses leider keine Chancen auf eine Anstellung bestehen. Dart hat aber auch schon eine neue Idee. Er will der Ärztin Alice Ferguson (Karin Schubert) Geleitschutz geben, die eine Wagenladung Impfstoff nach San Fermín in Mexiko bringen soll. Die humanitäre Aktion ist aber nur ein Vorwand: Versteckt in einem doppelten Boden transportiert der Wagen das von Leduc gelieferte Gold. Auch McAthos, Portland und Aramirez spekulieren, dass der Wagen nicht nur Impfdosen geladen hat, und wanzen sich ebenfalls an Dr. Ferguson ran.

Natürlich erleben die Fünf auf ihrem Weg eine Reihe von Abenteuern mit stetig ansteigendem Albernheitsgrad, und natürlich führen diese Abenteuer immer wieder zu ausführlichen Prügeleien. So begegnen sie einer Bande in Felle gekleideter Outlaws, die mit Hilfe von Sprungstäben durch die Gegend hüpfen,¹ und kommen in ein von chinesischen Auswander*innen gegründetes Dorf, in dem Dart ungeahnte Fähigkeiten als Kung-Fu-Kämpfer entwickelt. Am Ende treffen sie auf einen Wanderzirkus, dessen deutscher Direktor Baron von Horn (Max Turilli) wie eine Cartoon-Version Erich von Stroheims aussieht.

Das Konzept, Die drei Musketiere als Prügelwestern nachzuerzählen, hat bei mir gewisse Erwartungen geweckt. Denn zumindest hätte die Orientierung an Dumas’ Mantel-und-Degen-Klassiker dem Film das verschafft, was den meisten Vertretern seines Subgenres von vornherein abgeht: einen Plot. Leider gerät das Konzept schnell in Vergessenheit. Bis etwa zu dem Zeitpunkt, als Dart auf Dr. Ferguson trifft, wird auf gar nicht mal so ungeschickte Weise etabliert, dass Dart natürlich D’Artagnan entspricht, Mendoza für Rochefort steht und Leduc für Richelieu. (Das Trio McAthos, Portland und Aramirez erklärt sich ohnehin selbst.) Aber leider hört es an dieser Stelle auch schon wieder auf. Dr. Ferguson ist keine Lady de Winter, und die Handlung löst sich in eine Reihe von Gaga-Episoden auf, wie sie für das Subgenre typisch sind.

Schauspielerisch sieht es auch nicht besser aus. Giancarlo Prete ist bemerkenswert unlustig, obwohl (oder weil) er in seiner Latzhose fast so clownhaft aussieht wie die später auftretende Zirkusmannschaft. George Eastman nuckelt ständig an einer Limonadenflasche und wirkt dadurch wie ein zwei Meter großer Achtjähriger. Cris Huerta versucht sich als billiger Bud-Spencer-Ersatz, der alle fünf Minuten nach einer Mahlzeit verlangt. Karin Schubert und Eduardo Fajardo geben sich durchaus Mühe, haben aber keine Chance, gegen den geballten Unsinn des Drehbuchs (so es denn eines gab) anzukommen.

Erstaunlich ist, dass für den Film in mancher Hinsicht durchaus Aufwand betrieben wurde. Die Kulissen und Drehorte wurden meinem Eindruck nach mit mehr Sorgfalt ausgesucht, als es für Produktionen dieser Art üblich war. Und für die Episode, die in dem chinesischen Dorf spielt, wurden die hauptsächlichen Mitglieder des Casts sogar nach Taiwan ausgeflogen. Mir scheint, dass Bruno Corbucci und seinem Team für Tutti per uno gar nicht mal wenig Geld zugesteckt wurde. Leider hat er es für eine Aneinanderreihung von visuellen Flachwitzen verprasst. Man hätte es sinnvoller nutzen können, um die Idee »drei Musketiere im Wilden Westen« wenigstens konsequent durchzuspielen. Das hätte nicht unbedingt einen gelungenen, aber vielleicht einen interessanten Film ergeben.

Andererseits gilt bei italienischen Westernkomödien das Prinzip: Schlimmer geht’s immer. Brunos Bruder Sergio bewies das zwei Jahre später auf schlagende Weise mit Il bianco, il giallo, il nero. Ganz so tief sinkt dieses Filmchen hier dann doch nicht.

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¹ Sonderlich überzeugend ist das nicht dargestellt, denn mehr als ein paar ungelenke Hopser bekommt man nicht zu sehen.

18.2.25

Der letzte Mohikaner (1965)

Regie: Harald Reinl · Drehbuch: Joachim Bartsch · Musik: Peter Thomas · Kamera: Ernst Kalinke · Schnitt: Hermann Haller · Produktion: International Germania Film.

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Gleich nach dem Kassenerfolg von Der Schatz im Silbersee (1962) plante der Constantin-Filmverleih, neben den Karl-May-Flicks ein weiteres Western-Franchise zu etablieren. Coopers Leatherstocking Tales boten sich dafür an. Sie waren gemeinfrei und beim deutschen Publikum so bekannt wie beliebt, allerdings meist in Form von gekürzten, »für die Jugend bearbeiteten« Übersetzungen. Die Originale kannte so gut wie niemand. Für eine Verfilmung war das nicht unbedingt ein Nachteil, denn es bedeutete, dass man mit den Vorlagen relativ frei umgehen konnte. Am Ende dauerte es dann etwas länger (Stammregisseur Reinl war mit den May-Filmen und anderen Projekten vollauf beschäftigt) und anstelle eines Franchise wurde nur ein Cooper-Film realisiert.¹ Das mag verschiedene Gründe gehabt haben. Doch stellt sich die Frage, ob bei dieser Version von Der letzte Mohikaner am Ende nicht zu frei mit der Vorlage umgegangen wurde.

Mit der Herstellung beauftragt wurde die Firma International Germania Film, die auf deutsch-spanische Koproduktionen spezialisiert war. Gedreht wurde in Spanien. Wohl um den Film näher an die Karl-May-Welle heranzuführen, verlegte man die Handlung in die Zeit nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg in den fernen Westen.² Aus den Rotröcken der Vorlage wurden Soldaten der U.S. Cavalry. Aus den Franzosen wurde eine Bande von Outlaws. Die wichtigsten Figuren wurden (mit leichten Namensänderungen) übernommen. So weit passt das auch. Offen bleibt aber die Frage, wie es die mohikanischen und huronischen Ureinwohner*innen aus Coopers Roman in diese Zeit und diese Gegend verschlagen haben soll.

Der Film beginnt mit dem Angriff der Krieger Maguas (Ricardo Rodríguez) auf das Zeltdorf der Mohikaner*innen. Diese haben aus Maguas Sicht Verrat geübt, weil sie mit den Weißen in Frieden leben. Als einzige entgehen der mohikanische Häuptling Chingachgook (Mike Brendel) und sein Sohn Unkas (Daniel Martín) dem Tod. Doch Chingachgook erliegt bald seinen schweren Verletzungen. Unkas zieht mit seinem weißen Freund Falkenauge (Anthony Steffen) los, um sich an Magua zu rächen.

Magua hat sich mit dem Banditen Roger (Stelio Candelli) und seiner Gang verschworen. Gemeinsam überfallen sie einen Transport der Kavallerie, der aus einem Wagen voller Gold und einem Wagen voller Schießpulver besteht. Das Schießpulver fällt ihnen in die Hände. Der Wagen mit Gold wird von einigen überlebenden Kavalleristen in die stark befestigte Ranch von Oberst Munroe (Carl Lange) gerettet. Fortan belagern Maguas Krieger und Rogers Banditen die Ranch.

Magua fängt eine Botschaft an Oberst Munroe ab: Seine Töchter Cora (Karin Dor) und Alice (Marie France) befinden sich auf dem Weg zur Ranch, wurden aber durch eine beschädigte Brücke aufgehalten. Begleitet werden sie von einer Kavallerie-Eskorte unter dem Befehl von Hauptmann Bill Hayward (Joachim Fuchsberger). Magua gibt sich gegenüber Hayward als Scout aus, der von Oberst Munroe geschickt wurde, um die Reisenden auf sicherem Weg durch eine Schlucht zur Ranch zu führen. In der Schlucht liegen natürlich Maguas Krieger im Hinterhalt. Das rechtzeitige Eintreffen Unkas’ und Falkenauges verhindert ein Gemetzel.

Es gelingt den Verbündeten, sich durch den Belagerungsring zur Ranch durchzuschlagen. Jedoch plant Roger, mit dem erbeuteten Schießpulver eine oberhalb von Munroes Anwesen gelegene Klippe zu sprengen, um den Palisadenzaun der Ranch durch eine Steinlawine zu zerstören ...

Abgesehen von den bereits erwähnten Abweichungen fällt auf, wie sehr Unkas und Falkenauge auf Winnetou und Old Shatterhand getrimmt sind. Sogar ihre Synchronsprecher (Thomas Eckelmann und Horst Niendorf) sind die von Pierre Brice und Lex Barker. Ebenso wie Winnetou redet Unkas gern in der dritten Person; häufig ist sein »Herz betrübt«, wenn Uneinigkeit unter Indigenen und Weißen herrscht. Einen bemerkenswerten Unterschied gibt es aber: Unkas steht klar im Mittelpunkt. Während Winnetou und Shatterhand als gleichberechtigtes Duo auftreten, ist hier Unkas der Protagonist. Falkenauge bleibt eine ziemlich schwach konturierte Nebenfigur. Sein Darsteller Anthony Steffen (in seiner ersten Westernrolle) darf nur wenige Dialogzeilen sprechen.

Das wirft die Frage auf: Wenn Der letzte Mohikaner als Auftakt zu einem Franchise gedacht war, wie hätte dieses aussehen sollen? Entsprechend der Vorlage stirbt Unkas am Ende des Films. Ganz und gar nicht entsprechend der Vorlage ist sein Vater Chingachgook zu Beginn nur einige Minuten lang zu sehen, bevor er ebenfalls stirbt. Wer hätte also in einer möglichen Fortsetzung die Hauptfigur sein sollen? Etwa Falkenauge, der hier kaum als eigenständiger Charakter realisiert ist? Ich werde den Eindruck nicht los, dass diese Produktion sich durch den äußerst sorglosen Umgang mit Coopers Story selbstverschuldet in eine Situation brachte, in der es kaum möglich gewesen wäre, eine Fortsetzung zu konzipieren, die einigermaßen sinnvoll an den ersten Film anknüpft.

Insofern wundert es mich nicht, dass es nie zu einer Fortsetzung kam. Obwohl dieser Letzte Mohikaner auch seine Stärken hat. Für Harald Reinl typische Pyrotechnik im großen Stil und imposante Massenszenen sind etwas, wovon etwa die meisten zeitgenössischen Spaghetti-Produktionen nur träumen konnten. All das hätte man aber auch dann umsetzen können, wenn man etwas näher an Coopers Fabel geblieben wäre.

Ohnehin war der Markt für Sauerkraut-Western übersättigt. Allein im Jahr 1965 liefen in Westdeutschland sieben Karl-May-Filme im Kino an. Im Jahr darauf war dann schon eine gewisse Publikumsmüdigkeit festzustellen, etwa bei Georg Marischkas Vermächtnis des Inka oder Peter Alexanders Ausflug in den Wilden Westen.

Statt einer Fortsetzung gab es andere Versuche, Cooper als Eurowestern zu verfilmen. Im gleichen Jahr 1965 spielte Daniel Martín erneut den Uncas (so die eigentliche Schreibweise) in einer spanisch-italienischen Low-Budget-Produktion, an der Seite von Jack Taylor, Luis Induni und Paul Muller. Zwei Jahre später zog die DEFA mit einer Verfilmung von The Deerslayer nach, in der (natürlich) Gojko Mitić als Chingachgook zu sehen war und wesentlich werkgetreuer vorgegangen wurde. 1969 folgte noch eine ZDF-Serie, die in deutsch-französischer Koproduktion entstand.³

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¹ So denn wirklich ein Franchise daraus werden sollte. Ich entnehme diese Informationen der deutschsprachigen Wikipedia, die an dieser Stelle leider keinen direkten Beleg angibt. Es gibt aber wenig Grund, daran zu zweifeln. Der westdeutschen Filmindustrie war es nur recht, wenn sie aus einem erfolgreichen Film gleiche eine Reihe von Filmen machen konnte – ob die Vorlage nun von Karl May, Edgar Wallace oder Alexander Wolf stammte.

² Coopers Roman spielt während des Siebenjährigen Kriegs im heutigen Bundesstaat New York.

³ Erwähnt werden muss an dieser Stelle, dass es schon viel früher eine deutsche Cooper-Verfilmung gab. 1920 lief mit Lederstrumpf ein zweiteiliger Film von Arthur Wellin im Kino. In der Rolle des Chingachgook war kein geringerer als Bela Lugosi zu sehen. Die Außenaufnahmen entstanden an einem Brandenburger See südlich von Berlin. Entsprechend dem Brauch der Stummfilmzeit, deutsche Western nach ihrem Drehort zu unterscheiden (man sprach von Neckar-Western und Isar-Western), muss man Lederstrumpf wohl als märkischen Western betrachten. Der erste Teil des Films ist in einer Fassung mit englischen Texttafeln erhalten. Der jüdische Regisseur Wellin wurde in den 1940er Jahren von den Nazis ermordet.

26.1.25

The Texas Rangers (1951)

Deutscher Titel: Grenzpolizei in Texas · Regie: Phil Karlson · Drehbuch: Richard Schayer · Musik: Paul Sawtell · Kamera: Ellis W. Carter · Schnitt: Al Clark · Produktion: Columbia Pictures.

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Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg haben sich in Texas zahllose Desperados festgesetzt. Im Jahr 1874 ist es dann soweit: Die Unionstruppen sind abgezogen und – geführt von Major John B. Jones (John Litel) – werden die Texas Rangers neu aufgestellt. Die Outlaws bündeln daraufhin ihre Interessen. Sam Bass (William Bishop) lädt zu einer Gipfelkonferenz ein, an der nahezu alle berüchtigten Gesetzlosen teilnehmen: John Wesley Hardin (John Dehner), Dirty Dave Rudabaugh (Douglas Kennedy), Sundance Kid (Ian Macdonald), Butch Cassidy (John Doucette) und Duke Fisher (Jock Mahoney).¹ Die Versammelten gründen die Long Riders Protective Association und wählen Sam Bass per Akklamation zum Präsidenten – nachdem Bass den anderen Kandidaten mit dem Revolver durchlöchert hat.

Major Jones verfällt angesichts dieser Entwicklung auf die Idee, Outlaws mit Outlaws zu bekämpfen. Er lässt Johnny Carver (George Montgomery) und Buff Smith (Noah Beery Jr.) aus dem Gefängnis holen. Beide saßen wegen eines Banküberfalls in Waco ein, aber, so beeilt sich der Film zu erklären, sie sind anders als Bass & Co. keine Kriminellen aus Überzeugung, sondern nur wegen der in der Nachkriegszeit herrschenden Not auf die schiefe Bahn geraten. Jones lässt Johnny und Buff als Ranger vereidigen und setzt sie auf Bass und seine Truppe an. Bei den Rangern treffen die beiden auch auf Johnnys kleinen Bruder Danny (Jerome Courtland), der sein Glück kaum fassen kann, dass Johnny wieder auf die Seite von Recht und Ordnung zurückgekehrt ist.

Dannys Enthusiasmus ist allerdings nicht ganz gerechtfertigt. Johnny will die Gelegenheit nutzen, um Rache an Sundance Kid zu üben, der ihn bei dem Banküberfall in Waco hintergangen hat, und sich anschließend aus dem Staub machen. Jedoch gerät Johnny, nachdem er Sundance umgelegt hat, gemeinsam mit Buff und Danny in eine Schießerei mit weiteren henchmen der Bass-Gesellschaft. Dabei wird Danny von einer Kugel getroffen, die für Johnny bestimmt war, und stirbt in den Armen des älteren Bruders.

Johnny schwört erneut Rache. Zum Schein schließt er sich Sam Bass an. Der weiß nichts von der Bedeutung, die Dannys Tod für Johnny hat, denn Danny war (wegen der Haftstrafe seines Bruders) unter falschem Namen den Rangern beigetreten. Bass plant seinen größten Coup: Die Bundesregierung schickt einen Zug aus dem Norden, beladen mit Geld, das die darniederliegende Wirtschaft von Texas ankurbeln soll. Bass will mit seinen Leuten den Zug überfallen. Johnny wiederum will den Coup nutzen, um die ganze Bande auf einmal unschädlich zu machen. Buff fungiert als geheimer Bote zwischen Johnny und Major Jones, wird aber von Dave Rudabaugh erwischt und vor Johnnys Augen erschossen. Johnnys Tarnung droht aufzufliegen ...

The Texas Rangers ist ein für Fifties-Verhältnisse relativ harter Western, in dem ziemlich viel gewaltsam gestorben wird. Mit seinem moralisch nicht immer ganz sauberen Helden, seinen double crossings und vor allem seinen höchst theatralischen Antagonisten nimmt er andeutungsweise den Italowestern vorweg. Die campy Idee, die legendären Outlaws des Westens eine Liga der Superschurken gründen lassen (ganz wie Comic-Bösewichter), finde ich besonders unterhaltsam. Insbesondere William Bishop als Sam Bass und John Dehner als John Wesley Hardin spielen ihre Rollen mit dem entsprechenden Flair.

Für die tatsächlichen Biographien seines Schurken-Ensembles interessiert der Film sich dabei wenig. Auch was die Geschichte der Texas Ranger und insbesondere ihres Neugründers John B. Jones angeht, schweigt er sich über die unappetitlichen Details aus: Der historische Jones war ein Sklavenhalter, der es in der konföderierten Armee zum Major brachte. Nach dem Krieg ging er kurzzeitig nach Mexiko, wo er eine Kolonie für fanatische Sezessionist*innen gründen wollte, die sich mit dem Sieg der Union nicht abfinden konnten – ein Unternehmen, das natürlich scheiterte.

Als leading lady tritt übrigens Gale Storm auf, die zu Beginn des Films zwei Szenen hat, dann aber vom Drehbuch für ungefähr 45 Minuten völlig vergessen wird. Danach taucht sie pflichtgemäß wieder auf und verguckt sich in den Helden Johnny. Solche uninspirierten, im Grunde vernachlässigbaren Frauenrollen waren es, die (leider) dazu führten, dass im Jahrzehnt darauf so viele Spaghetti-Produktionen in einer reinen Männerwelt spielten.

Dennoch weiß The Texas Rangers zu unterhalten, denn seine interessanten Figuren sind ohnehin alle auf der Seite der villains zu finden, zu denen es den Protagonisten ja nicht umsonst immer wieder hinzieht. Filme wie dieser, die budgetmäßig eher am unteren Ende der Skala angesiedelt waren und die Handlung auf essentielle Motive beschränkten, stellen zudem ein wichtiges, aber oft unterschätztes Bindeglied zwischen den seriellen B-Western der dreißiger und vierziger Jahre und den Eurowestern der sechziger Jahre dar.

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¹ Ich vermute, mit letzterem ist King Fisher (1853–84) gemeint.

18.12.24

All’ultimo sangue (1968)

Deutscher Titel: Den Geiern zum Fraß · Regie: Paolo Moffa · Drehbuch: Enzo Dell’Aquila · Musik: Nico Fidenco · Kamera: Franco Villa · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

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Paolo Moffa war hauptberuflich Filmproduzent. Mit seiner Firma S.A.C. verschaffte er einer Anzahl Italowestern die Finanzierung. 1968 brauchte er offenbar seinerseits dringend Geld und beschloss daher, selbst bei einem Western Regie zu führen – oder zumindest so zu tun, als führte er Regie.

Billy the Gun (Giovanni Cianfriglia) und seine Bande überfallen den Geldtransport einer Bank. Dann nehmen die Gangster die Identität der Bankangestellten an und rauben der US-Kavallerie eine größere Menge Gold. Die Army möchte ihre Peseten zurück haben und beauftragt Captain Clive Norton (Craig Hill) mit der Verfolgung von Billy & Co. Norton stellt nur eine Bedingung: Er will Ted Hunter, genannt El Chaleco (Ettore Manni), als Begleiter. Der hat mit Billy nämlich noch ein Hühnchen zu rupfen. Chaleco soll allerdings als Deserteur gehängt werden. Mit dem stillschweigenden Einverständnis seines vorgesetzten Offiziers (Luciano Doria) rettet Norton Chaleco vor dem Galgen und reitet mit ihm davon. Es folgt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden, das deutlich von Tucos und Blondies Durchquerung der Wüste in The Good, the Bad and the Ugly, ähem, ›inspiriert‹ ist. Als Norton endlich verrät, was das Ziel ihrer Unternehmung ist, erklärt sich Chaleco sofort bereit, ihn auf der Suche nach Billy zu unterstützen. Preisfrage: Warum hat Norton ihm das nicht einfach gleich gesagt?

Billy the Gun und seine Kumpane vertreiben sich unterdessen die Zeit damit, einen armen peón und seine Frau zu quälen. Norton und Chaleco werden aufgehalten, weil sie dem mexikanischen Outlaw Cordero (Francesco Santovetti) und seinen Jungs in die Hände fallen. Cordero lässt die beiden Helden der Army gefesselt und nur in ihre Union Suits gekleidet am Boden anpflocken. Zwischen ihnen stellt er eine Schale Milch auf, um Giftschlangen anzulocken. Im letzten Moment werden sie von zwei des Weges daherkommenden Fremden gerettet, denen sie Kleidung und Pferde stehlen, um Cordero nachzureiten. Wieder eine von einem Vorbild ›inspirierte‹ Szene – diesmal sind es zwei Episoden aus La resa dei conti, die miteinander kombiniert werden.

Angekommen in Corderos Heimatort San Pablito, vereinbaren Norton und Chaleco mit den Mexikanern einen Deal. Sie sollen ihnen gegen Billy beistehen und dafür einen Teil des Schatzes bekommen. Billy & Co. haben sich in einem alten Bergwerk versteckt. Von dort aus wollen sie zu geeigneter Zeit über die Grenze nach Mexiko fliehen. Chaleco schleicht sich ins Bergwerk und vermint es mit Dynamit. Dann klärt er Billy und seine Freundin Consuelo (José Greci) über die Situation auf: Gleich geht der Stollen in die Luft, und Cordero steht mit seinen Leuten zum Angriff bereit. Billy zögert nicht lang. Er lässt seine Bande im Stich und schafft mit Consuelo und Chaleco das Gold aus dem Bergwerk.

Draußen fordert Chaleco Billy zum Duell auf. Mittlerweile hat sich herausgestellt: Billy und Chaleco sind Brüder. Consuelo ist mit Chaleco verheiratet. Billy hat ihr weisgemacht, Chaleco sei tot, und sie gezwungen, mit ihm zu kommen. Chaleco und Billy liefern sich einen Zweikampf mit Messern, doch der verräterische Billy (der ja nicht grundlos »the Gun« heißt) schnappt sich einen Revolver und legt auf Chaleco an ...

Als erstes fällt an diesem Flick auf, dass er nicht nur einzelne Szenen aus verschiedenen Genre-Klassikern imitiert, Moffa bedient sich anderer Filme auch noch auf viel direktere Weise: Die Szene mit dem Überfall auf den Banktransport zu Beginn stammt aus Starblack. Der Raub des Army-Goldes gleich darauf ist aus Per il gusto di uccidere. Später kommt noch Material aus 4 dollari di vendetta hinzu. Es ist Footage aus anderen Filmen, mit dem Moffa sein eigenes Machwerk großzügig auspolstert. Durch die sehr unterschiedlichen Landschaften, in denen das jeweilige Material fotografiert wurde, fällt der Schwindel sofort ins Auge.

Der Plot ist bietet kaum Überraschungen: Alle sind hinter dem Gold her, es gibt wechselnde Allianzen, eine mexikanische Bande reitet immer mal wieder in die Handlung hinein und wieder hinaus, Rache kommt natürlich auch vor. Im ganzen Film treten nur zwei Frauen auf, die beide vom Hauptschurken Billy erschossen werden. Noch vorhersehbarer wird die Sache dadurch, dass es immer wieder (in diesem Fall von Moffa selbst gedrehte) Szenen gibt, in denen Norton und Chaleco durch die Gegend reiten und darüber reden, was sie als nächstes tun werden. Mit Hilfe dieses Füllmaterials schafft es Moffa, den Film auf fast 100 Minuten auszuwalzen. Die Handlung hätte allerdings auch in der Hälfte der Laufzeit bequem Platz gefunden.

Angesichts der dreisten Klauerei, der generischen Story und der problematischen weiblichen Rollen ist es nicht verwunderlich, dass All’ultimo sangue regelmäßig mit Spott und Ablehnung bedacht wird. Aber der Vollständigkeit halber muss gesagt werden: Es ist kein komplett misslungener Film. Hin und wieder weist er unerwartete Momente auf, die für sich genommen recht vielversprechend sind. Dazu gehört der Spaghetti-untypisch mit dem Messer ausgetragene Zweikampf zwischen Chaleco und Billy. Dazu gehört, wie sich die Rolle des Protagonisten im Laufe des Films in unerwarteter, aber folgerichtiger Weise von Craig Hill auf Ettore Manni verlagert. Und auch, dass der völlig unbekannte Darsteller Francesco Santovetti mit seinen hageren Gesichtszügen als mexikanischer Bandit ein gar nicht so schlechtes Bild abgibt.¹ Zudem ist die Musik von Nico Fidenco besser, als sie eigentlich sein dürfte.

Für mich folgt daraus, dass Moffa sich besser mal ein*e Regisseur*in gesucht hätte, statt sich diese Position selbst anzumaßen. Jemand mit der nötigen Erfahrung hätte die Geschichte packender erzählen können, und hätte hoffentlich gewusst, dass Frauen in Filmen keine Staffage sind, sondern Schauspielerinnen, die es verdient haben, eine Rolle zu spielen. Und die peinliche Sache mit dem geklauten Footage hätte sich dann vielleicht auch erledigt. Insofern: schade eigentlich.

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¹ Dass der stock character des mexikanischen Bandenchefs hier Cordero heißt, ist für sich genommen auch recht lustig (el cordero = das Lamm).