18.11.24

I giorni della violenza (1967)

Deutscher Titel: Sein Wechselgeld ist Blei · Regie: Alfonso Brescia · Drehbuch: Mario Amendola, Antonio Boccacci, Gian Luigi Buzzi, Paolo Lombardo · Musik: Bruno Nicolai · Kamera: Fausto Rossi · Schnitt: Antonietta Zita · Produktion: Concord Film.

Missouri während des Bürgerkriegs: Cowboy Hank (Lucio Rosato) belästigt Lizzy (Rosalba Neri), die Frau des foreman Clell Lee (Romano Puppo). Clells Bruder Johs¹ Lee (Peter Lee Lawrence) schreitet ein, und Lizzy und er verpassen Hank eine Abreibung. Von der Ranch vertrieben, kehrt Hank mit ein paar Spießgesellen zurück, um die Pferde des Ranchers Evans (Andrea Bosic) zu stehlen. Der Diebstahl kann jedoch mit Hilfe von Butch (Nello Pazzafini) verhindert werden. Butch ist Anführer einer Gruppe von Bushwhackers, die auf der Seite der Konföderierten einen Guerillakrieg gegen die Union führen. Butch hätte gern, dass Johs sich seiner Bande anschließt, doch der lehnt ab.

Johs hat auch anderes im Sinn. Er liebt Christine (Beba Lončar), die Tochter von Boss Evans, und sie liebt ihn. Der Rancher gibt sich zwar gern als glühender Anhänger von »the Cause«, aber hauptsächlich geht es ihm darum, seinen Besitz zusammenzuhalten. Deshalb ist er nicht ganz abgeneigt, seine Tochter einen gewöhnlichen Cowboy wie Johs heiraten zu lassen.

Jedoch ist Hanks Rachsucht nach wie vor ungestillt. Er wendet sich an die Unionstruppen und behauptet, Evans’ Ranch diene als Versteck für Butch und seine Bande. Captain Clifford (Luigi Vannucchi) unternimmt daraufhin eine Razzia auf die Ranch. Zwar findet er keine Bushwhacker, aber er beschlagnahmt Evans’ Pferde und lässt Clell und Lizzy Lee tot im Staub zurück.

Notgedrungen schließt Johs sich nun doch den Bushwhackers an. Zwar geht es ihm gegen den Strich, dass Butch seine anti-unionistischen Unternehmungen mit Raubüberfällen finanziert, aber Butch macht ihn kurzerhand zum Mittäter.

Zwei Jahre später, nach dem Ende des Krieges, ist auf Johs’ Kopf eine Belohnung ausgesetzt. Auch Butch hat es geschafft, als Outlaw zu überleben. Clifford hingegen macht mit Hanks Unterstützung gute Geschäfte als Carpetbagger. Evans’ Ranch droht der Verfall. Seine vormals gehegten sezessionistischen Überzeugungen legt er ab, um sich mit den Yankees zu arrangieren. So kommt es ihm nicht ungelegen, dass Clifford um die Hand Christines anhält. Die hat aber weder den Mord an Clell und Lizzy noch ihre Liebe zu Johs vergessen.

Christine verlässt die Ranch und geht zu Johs, der gemeinsam mit Butch auf der Flucht vor Clifford und Hank ist. Christines Anwesenheit bewirkt das endgültige Zerwürfnis zwischen Johs und Butch, bevor es auf der Ranch zum großen Showdown kommt.

I giorni della violenza ist der Versuch, einen amerikanischen Bürgerkriegswestern auf Italienisch zu machen. Die Erzählweise, und auch die geschilderten moralischen Konflikte, sind ganz an den Hollywood-Vorbildern orientiert: Es geht um das Schicksal der Familien Evans und Lee, die durch den Krieg in ungeahnte Verstrickungen geraten. Johs Lee will sich zunächst auf keine Seite stellen, spricht von einem Bruderkrieg, wird aufgrund der Machenschaften Hanks zum Verfolgten und ergreift deshalb schließlich für den Süden Partei, ohne sich ganz mit ihm identifizieren zu können. Anders Rancher Evans, der zwar als Sezessionist anfängt, aber zwecks Bewahrung seiner Privilegien als Großgrundbesitzer keine Skrupel hat, sich mit Captain Clifford zu verbünden, sobald der Wind sich dreht. Christine Evans bleibt als Figur weitgehend passiv und richtet sich nach Johs.

Die Unionstruppen und ihre Verbündeten, verkörpert durch Clifford und Hank, werden als plündernde und mordende Invasoren dargestellt. Zwischentöne sucht man bei ihrer Charakterisierung vergeblich. Die Frage der Sklaverei wird weitgehend ausgeklammert. In einer Nebenrolle ist Harold Bradley als Nathan, ein Bediensteter auf der Evans-Ranch, zu sehen.² Es ist anzunehmen, dass Nathan ein Sklave ist, aber in dem Teil des Films, der nach Kriegsende spielt, ist er zu sehen, wie er weiterhin den Rancher bedient, ohne dass sein Verbleib in dieser Rolle irgendwie problematisiert wird.

Der Amerikanische Bürgerkrieg und seine Folgen waren im Spaghettiwestern, der sich für Historisches sonst ja nicht sonderlich interessierte, durchaus ein Politikum. Versprengte Trupps von konföderierten Soldaten, die auch nach dem Krieg das Kämpfen nicht sein lassen konnten oder sich in fememordende Banden (nach dem Vorbild des Ku Klux Klan) verwandelten, sind im Genre sehr häufig.³ Es ist unschwer zu erkennen, dass diese Darstellung von der Erfahrung des Faschismus beeinflusst ist. Mit Beginn der Bleiernen Jahre in Italien erwies sie sich als prophetisch, denn es zeigte sich, dass auch die neofaschistische Bewegung zu massiver terroristischer Gewalt in der Lage war.

In I giorni della violenza ist davon wenig zu merken. Mit seiner Orientierung an US-Vorbildern kauft er sich auch deren ganz anders geartete Ideologie ein, und zwar vor allem, indem er die Sklaverei ignoriert und die unionistische Seite stereotyp als Invasoren und Geschäftemacher hinstellt. Übrigens verwendet der Film einige Mühe darauf, historisch fundiert aufzutreten. Zu Beginn wird eine Texttafel eingeblendet, die die Situation Missouris im Bürgerkrieg (als in der Union verbliebener Sklavenstaat, in dem es beträchtliche sezessionistische Sympathien gab) erläutert. Es wird viel Wert darauf gelegt, die Geographie korrekt wiederzugeben. Das führt mitunter zu kuriosen Dialogen, da die Charaktere in Form von Infodumps erläutern, an welchem Ort sie sich gerade befinden und wo sie hinwollen.

Aber da dies ein Spaghettiwestern ist, gibt es unweigerlich auch einen geographischen Patzer, der dann wieder einigen Unterhaltungswert hat: In einer Szene mit Clifford und Hank kommt eine Landkarte vor, die Missouri zeigen soll – auf der aber unschwer erkennbar Texas zu sehen ist. Auch sonst fallen solche Details in I giorni della violenza umso mehr auf, gerade weil der Film sich so historisch gibt: Die Waffen der Unionssoldaten sind anachronistisch, und die Drehorte im Latium sehen nun mal nicht wie Missouri aus. Die Außenszenen auf der Evans-Ranch wurden in der Tenuta delle Capannacce gefilmt, die in zahlreichen Italowestern als herrschaftliche Ranch oder Estanzia zu sehen ist. Hier fällt es leider schwer, sich den mediterran anmutenden Gutshof mit seinen weißgetünchten Wänden und Zypressenbäumen als in den Ozarks gelegen vorzustellen.⁴ Hinzu kommt, dass ein Streifen wie dieser Massenszenen gebraucht (und wohl auch gern gehabt) hätte, das Budget diese aber nicht hergab. Jedenfalls sind in den meisten Einstellungen kaum mehr als ein Dutzend Statist*innen im Bild zu sehen.

So weit könnte I giorni delle violenza von der Handlung und den Figuren her ein Film sein, wie man ihn etwa von Andrew V. McLaglen kennt. Hinterrücks schleichen sich aber doch typische Spaghetti-Elemente in Form des Subplots um Johs und Butch ein. Letzterer entspricht der bekannten Figur des älteren Revolverhelden, der einen jungen Mann die Kunst des Tötens lehrt. Natürlich kommt es dann zur Konfrontation zwischen dem jüngeren und dem älteren Mann, deren Ausgang Genre-Kenner*innen nicht überraschen wird. Nello Pazzafini in der Rolle des ebenso jovialen wie amoralischen Bushwhacker-Hauptmanns ist das Mitglied des Casts, das in diesem Film am meisten hervorsticht und die stärksten Szenen hat. Hauptdarsteller Peter Lee Lawrence, von dem ja in der Regel (so auch hier) keine großen schauspielerischen Leistungen zu erwarten sind, wird von Pazzafini glatt an die Wand gespielt.

Von Pazzafinis sehenswertem Auftritt einmal abgesehen, stellt sich bei diesem Film die Frage: Wozu das ganze? Wie so oft bei Italowestern, die sich eng an US-amerikanische Vorbilder anlehnen, kommt er an Hollywood nicht heran, liefert aber auch nicht das, was man von einem gelungenen Spaghettiwestern erwartet.

¹ Das war wohl ein Tippfehler und sollte eigentlich Josh heißen. Aber da er anscheinend niemandem aufgefallen ist, hat »Johs« es in den fertigen Film geschafft. Jedenfalls sprechen die Charaktere den Namen stets Dschoos aus.

² Harold Bradley war zunächst Footballspieler, ging aber Ende der fünfziger Jahre mit Hilfe eines Kunststipendiums nach Rom, um dort Malerei studieren. Nebenher organisierte er Folk-Konzerte und schauspielerte, wobei er überwiegend in Sandalenfilmen zu sehen war. Die Rolle des Nathan ist meines Wissens sein einziger Auftritt in einem Italowestern.

³ Sie sind sogar noch in einem so späten Beitrag zum Genre wie Bruno Matteis Trash-Film Scalps (1987) zu sehen.

⁴ Das Landgut ist unter dem Spitznamen Villa Mussolini bekannt, weil der Diktator es als Reiterhof benutzte. Für Fans, die sich gern mit den Drehorten der Italowestern beschäftigen, hat I giorni della violenza immerhin den Vorzug, dass die Bauten der Tenuta so häufig wie selten im Bild zu sehen sind.

12.11.24

Trinità & Bambino ... e adesso tocca di noi (1995)

Deutscher Titel: Trinity und Babyface / Ein Begräbnis und die Auferstehung der vier Fäuste · Regie: Enzo Barboni · Drehbuch: Marco Barboni · Musik: Stefano Mainetti · Kamera: Juan Amorós · Schnitt: Antonio Siciliano · Produktion: Rialto Film, Trinidad Film.

Über 20 Jahre nach Vier Fäuste für ein Halleluja trugen Bud Spencer und Terence Hill sich mit der Idee, es noch einmal mit einem gemeinsamen Western zu versuchen. Es heißt, dass Altmeister Enzo Barboni dabei gerne Regie geführt hätte. Allerdings konnten Spencer–Hill auf der einen und Barboni auf der anderen Seite sich nicht so recht einigen, wie das geplante Projekt genau aussehen sollte. Sie gingen getrennte Wege und machten je einen eigenen Film.

Bei Spencer und Hill kam Botte di Natale alias Die Troublemaker (1994) dabei heraus, eine Art Remake von Vier Fäuste, mit dem sie an den Kinokassen scheiterten – und ihrem gemeinsamen Werk den Todesstoß versetzten. Barboni dagegen drehte Trinità & Bambino als Fortsetzung von Vier Fäuste, aber ohne die Mitwirkung von Spencer und Hill. Beide Filmprojekte waren Familienunternehmen: Bei Botte di Natale führte Terence Hill Regie, verfasste sein Sohn Jess das Drehbuch, und Bud Spencers Sohn Giuseppe Pedersoli fungierte als Produzent. Das Script von Trinità & Bambino wiederum stammt von Barbonis Sohn Marco. Mit solchen familiären Verflechtungen ist es schwerlich ein Wunder, dass beide Seiten sich nicht einigen konnten ...

Was Vater und Sohn Barboni da umzusetzen versuchten, ist also ein Spencer-und-Hill-Film ohne Spencer und Hill. Damit ist man eigentlich schon an dem Punkt angelangt, an dem man vernünftigerweise hätte sagen müssen: Lasst es lieber. (Andererseits: Wenn in der italienischen Western-Industrie immer vernünftig gehandelt worden wäre, wohin hätte das geführt? Jedenfalls nicht zu dem Genre, das wir kennen.)

Die Barbonis hatten die Idee, einen Film über die Söhne von Trinity und Bambino zu machen, die natürlich ebenfalls Trinity und Bambino heißen und ähnliche Abenteuer wie ihre Väter erleben. Dazu sahen sie sich nach Darstellern um, die Hill und Spencer möglichst ähnlich sein sollten. Als Hill-Ersatz verfielen sie auf den TV-Schauspieler Heath Kizzier, als Spencer-Epigone musste der Football-Spieler Keith Neubert herhalten. Auffällig ist, wie Kizzier sich redlich bemüht, Hills schauspielerische quirks nachzuahmen, und damit doch immer wieder nur zu erkennen gibt, dass er eben nicht Hill ist. Neubert beschränkt sich weitgehend darauf, steif im Bild herumzustehen und ab und an ein knurrendes Geräusch von sich zu geben.

Daran lässt sich beobachten: Hill ist natürlich, rein technisch gesehen, ein besserer Schauspieler als Spencer es war. Aber Spencer ist es, der letztlich unersetzbar ist. Tatsächlich ist Spencer ja an der Seite von Darstellern wie Giuliano Gemma und Tomas Milian aufgetreten, die Hill-ähnliche Rollen spielten. Umgekehrt wäre so etwas schwer vorstellbar. Terence Hill neben einem Spencer-Ersatz? No way.

Zur Handlung: Bambino Junior ist zum Tod am Galgen verurteilt. Trinity Junior ›leiht‹ sich die schwarze Berufskleidung des Henkers und befreit seinen Cousin. Eine kleine Auseinandersetzung des Duos mit dem großspurigen Revolvermann Stinger Smith (Jorge Bosso) wird von einem Mann namens Pablo (Renato Scarpa) beobachtet. Pablo ist der Dorfälteste von San Clementino, einem hispanischen Örtchen, das von den elf Ramírez-Brüdern (u.a. Renato D’Amore) terrorisiert wird. Er bittet die Cousins, Sheriff und Deputy von San Clementino zu werden, um die Dorfbewohner*innen vor den regelmäßigen Übergriffen zu schützen.

Wer bei diesem Plot an das Vorbild von The Magnificent Seven denkt, liegt nicht falsch. Aber auch Plot-Elemente von Lo chiamavano Trinità ... tauchen immer wieder auf. Die Leute von San Clementino mit ihrem Oberhaupt Pablo erinnern sehr an die Mormon*innen mit ihrem Anführer Tobias aus dem älteren Film. Ebenso gibt es in beiden Filmen einen reichen Pferdezüchter (hier gespielt von Siegfried Rauch) und einen Sheriff (hier gespielt von Ronald Nitschke), der hinter Bambino her ist. Die Barbonis geben sich allerdings durchaus Mühe, ihren Film nicht zu einer bloßen Kopie von Lo chiamavano Trinità ... ausarten zu lassen.

Die obligatorischen Prügelszenen sind gut choreographiert (besser als in der Parallelproduktion Botte di Natale). Auch der Wortwitz ist stellenweise nicht schlecht, etwa wenn Pablo den Namen von Stinger Smith in fehlerhaftem Englisch wie »Stinky Smith« ausspricht.¹

Eine nette Anspielung für Fans enthält Trinità & Bambino ebenfalls: Bambino Junior wird auf einem Steckbrief unter dem Namen Joe Brown gesucht. In Renegade, Barbonis letztem Film mit Hill, zieht dieser nicht in Begleitung von Spencer, sondern mit einem Pferd namens Joe Brown durch den Westen. Ein weiteres Easter Egg ist der Cameo-Auftritt von Jack Taylor, der Trinity Juniors Ziehvater spielt.

Ziemlich cringe sind die Szenen, in denen Kizzier und Neubert mit Bonita (Yvonne de Bark) und Scintilla (Fanny Cadeo), zwei Mädels aus San Clementino, flirten. Ähnlich der Score von Stefano Mainetti. Der erinnert so penetrant an die Erkennungsmelodien von Sitcoms oder TV-Cartoons, dass man manchmal befürchtet, die Charaktere würden anfangen in die Kamera zu zwinkern und über ihre eigenen Witze zu lachen.

Insgesamt würde ich sagen: Trinità & Bambino hätte ein relativ gelungener Versuch sein können, den Prügelwestern der siebziger Jahre zu erneuern. Alle Stärken und Schwächen des Films ändern aber nichts an dem Grundproblem, dass hier zwei Typen 100 Minuten lang so tun, als wären sie Bud Spencer und Terence Hill, es aber nicht sind. Das ist der Punkt, an dem die Sache unweigerlich scheitert und den Film misslingen lässt.

¹ Ich muss zugeben, ich mag simplen, effektiven Humor. Sonst wäre ich ja auch kein Spencer-und-Hill-Fan.

8.11.24

Geronimo (1962)

Deutscher Titel: Das letzte Kommando / Sein letztes Kommando · Regie: Arnold Laven · Drehbuch: Pat Fielder · Musik: Hugo Friedhofer · Kamera: Alex Phillips · Schnitt: Marsh Hendry · Produktion: Levy-Gardner-Laven.

Geronimo (Chuck Connors) ergibt sich gemeinsam mit den letzten freien Apache der US-Kavallerie und lässt sich ins Reservat San Carlos in Arizona führen. Dort werden ihm und seinen Leuten gleich bei der Ankunft die Pferde abgenommen. Die bräuchten sie jetzt nicht mehr, erklärt der Indianeragent Burns (John Anderson), denn fortan würden sie vom Maisanbau leben. In San Carlos trifft Geronimo seinen alten Kumpel Mangus (Ross Martin), der sich mit den neuen Verhältnissen arrangieren will, und lernt Teela (Kamala Devi) kennen, die im Reservat aufgewachsen ist. Teela liebt Bücher und versucht, unter den Apache eine Art Alphabetisierungskampagne durchzuführen. Sie ist überzeugt, dass die Apache den Respekt der Weißen gewinnen würden, wenn sie Lesen und Schreiben lernen. Geronimo versetzt das alles in eine äußerst missmutige Stimmung.

Seine schlechte Laune ist auch alles andere als unbegründet. Burns lässt sich von dem Makler Kincaide (Joe Higgins) bestechen und gibt das Farmland der Apache zur Weidenutzung durch weiße Rancher frei. Als Gerüchte über Burns’ Korruption unter den Apache die Runde machen, sucht Geronimo den Agenten nachts in seinem Haus auf und nagelt ihm die Hand mit einem Brieföffner auf dem Schreibtisch fest. Anschließend holt er sich mit einer kleinen Gruppe rebellischer Apache, darunter der desillusionierte Mangus, die beschlagnahmten Pferde zurück und flieht nach Mexiko. Teela weigert sich mitzukommen und bleibt im Reservat. Mit der Verfolgung der Apache wird der rassistische Kavallerieoffizier Maynard (Pat Conway) beauftragt, der in Burns’ korrupte Machenschaften verwickelt ist. Es beginnt eine Hetzjagd, denn den Apache mangelt es an Munition und Lebensmitteln. Doch ihr Kampfeswille ist ungebrochen.

Auf dem Weg nach Mexiko beobachtet Geronimo eine weiße Siedlerin (Nancy Rodman), die ihren Sohn anhält, seine Schreibübungen zu machen. Das erinnert ihn an Teela und bringt ihn auf die Idee, eine bürgerliche Kleinfamilie zu gründen. Er schleicht sich ins Reservat, und diesmal ist Teela bereit, ihn zu begleiten – auf Basis eines Kompromisses: Die Apache sollen frei sein, aber trotzdem Lesen und Schreiben lernen.

John Fords Stagecoach ist vielleicht der beste Western aller Zeiten. Zugleich schrieb er ein fatales Bild Geronimos und der Apache fest: Während die höchst unterschiedlichen Individuen im Innern der dahinrasenden Postkutsche sich im Laufe des Films zu einer solidarischen Gesellschaft zusammenfinden, treten die Apache, die die Postkutsche verfolgen, erst gar nicht als Individuen in Erscheinung. Sie sind ein Teil der feindseligen Natur, die die Menschen in der Postkutsche bedroht, nicht anders als der eisige Wind, der Staub und der Wassermangel.

Auch in der Stummfilmzeit gab es schon zahlreiche Produktionen, welche die Indigenen Nordamerikas auf ähnliche Weise darstellten. Der älteste erhaltene Western überhaupt, Kidnapping by Indians (1899), zeigt den Versuch indigener Krieger, eine weiße Frau zu entführen. Es ist der erste von hunderten Filmen, in denen weiße Weiblichkeit durch Indigene bedroht wird. Aber die Sache war damals noch nicht ganz ausgemacht, denn auf der anderen Seite gab es indigene Filmemacher wie Edwin Carewe, und auch indigene Leinwandstars wie Red Wing, die eine eigene Perspektive einbringen konnten. Die frühe Tonfilmzeit machte dieser Ambiguität ein Ende. Indigene Figuren, nun (bis auf wenige Ausnahmen) von weißen Darsteller*innen in Redface gespielt, wurden auf die Rollen des namenlosen Feindes, des edlen Wilden oder des unterwürfigen Helfers an der Seite weißer Pioniersfiguren reduziert.

Erst in den fünfziger Jahren regte sich in Teilen Hollywoods das schlechte Gewissen. Es entstanden »Indianerwestern« mit dem Anspruch, das stereotype Bild zu korrigieren – wobei nicht selten negative Stereotypen durch positive ersetzt wurden. Das betraf auch die Casting-Politik. Indigene Charaktere, die Sympathie erregen sollten, wurden mit weißen Publikumslieblingen wie Burt Lancaster, Audrey Hepburn oder Steve McQueen besetzt. Aus heutiger Sicht führt das auch bei solchen Filmen, die es mit ihrer Thematisierung des am indigenen Amerika begangenen Unrechts einigermaßen ernst meinen, zu einem gewissen Cringe-Faktor.

So auch bei Arnold Lavens Film. Die Rolle des Geronimo von einem blauäugigen Irish American wie Chuck Connors spielen zu lassen, ist schon eine ziemlich eigentümliche Entscheidung. Die weibliche Hauptrolle der Teela¹ hingegen wurde mit der britischen Schauspielerin Kamala Devi besetzt, die indische Wurzeln hatte. Wenn es einen Anlass für den »White people, still not knowing what an Indian is after 500 years«-Witz braucht, hier ist er.

Handelt es sich bei Geronimo denn um einen Film, der seine Thematik ernst meint? Es ist schwer zu sagen, nicht nur wegen der Besetzung der Hauptrollen. Einerseits geht der Film, gemessen an den Möglichkeiten des Jahres 1962, ziemlich weit, was die Darstellung der Antagonisten betrifft. Der Indianeragent Burns wird als bigotter Heuchler gezeigt, der mit der Bibel wedelnd die Apache mit frommen Sprüchen traktiert und zugleich Bestechungsgelder annimmt. Die Szene, in der Geronimo ihm die Hand, in der er normalerweise die Bibel hält, mit dem Brieföffner durchbohrt, ist sehr befriedigend. Auch der hasserfüllte Kavalleriehauptmann Maynard kriegt sein Fett weg. Der Dritte im Bunde ist Henry (Claudio Brook), der glattzüngige Store-Betreiber des Reservats, dessen vorzüglicher Darsteller ruhig ein paar Szenen mehr haben könnte.²

Was dem Film bei seinen Schurken gelingt, misslingt ihm auf der Seite des Helden und seiner Geliebten. Geronimo lässt er ständig Sätze sagen, die sehr nach den Werten des liberalen Hollywood klingen, aber nicht gerade nach dem listigen Apache-Strategen, der drei Jahrzehnte lang die mexikanische und die US-Armee an der Nase herumführte. Ausgemacht komisch wird es, sobald Geronimo und Teela ein Paar sind. Ab da verwandeln sich weite Teile der Handlung in eine Art Tarzan-und-Jane-Geschichte, indem etwa Teela ihrem ahnungslosen bon sauvage erklärt, wie menschliche Fortpflanzung funktioniert – sie hat es in einem Buch gelesen. Bei Szenen wie dieser frage ich mich, ob sie nicht auch schon das Publikum von 1962 unwillkürlich zum Lachen brachten.

Am Ende geht im Film übrigens alles gut aus. Geronimos Verfolger geraten unter politischen Druck aus Washington, und ein junger Kavallerieleutnant (Adam West) überbringt einen neuen, besseren Friedensvertrag. Leider lief es in Wirklichkeit keineswegs so versöhnlich ab: Geronimos Leute wurden nach seiner endgültigen Kapitulation nach Florida deportiert, wo viele von ihnen sich mit Tuberkulose ansteckten und starben. Geronimo selber musste, ebenfalls in Florida, eine Haftstrafe absitzen. Dabei wurde er wie eine Ein-Mann-Völkerschau behandelt. Wer immer den berühmten Apache sehen wollte, wurde zu seiner Zelle vorgelassen und durfte ihn anglotzen.

¹ Anders als für Geronimo, Mangus und ihren Verfolger Captain Maynard (der in Wirklichkeit Crawford hieß) gibt es für Teela meines Wissens kein direktes historisches Vorbild. Geronimo war im Laufe seines Lebens mit verschiedenen Frauen verheiratet.

² Geronimo wurde in Mexiko gedreht, und es treten neben Claudio Brook noch weitere mexikanische Darsteller*innen auf, darunter Eduardo Noriega, Armando Silvestre und Mario Navarro.

30.10.24

Il momento di uccidere (1968)

Deutscher Titel: Django – Ein Sarg voll Blut · Regie: Giuliano Carnimeo · Drehbuch: Tito Carpi, Bruno Leder, Francesco Scardamaglia · Musik: Francesco De Masi · Kamera: Stelvio Massi · Schnitt: Renato Cinquini, Ornella Micheli · Produktion: Produzioni Cinematografiche Europee, Terra Filmkunst.

Il momento di uccidere steht zu Unrecht im Ruf, ein langweiliger Film zu sein. Langweilige Italo-Western gibt es zu hunderten, aber dieser gehört nicht dazu. Es handelt es sich um Giuliano Carnimeos Regie-Debüt aus dem Jahre 1968, oder besser gesagt: sein echtes Debüt, denn Carnimeo wurde zuvor schon als Co-Regisseur von George Shermans Komödie Panic Button geführt. Il momento di uccidere ist ein Gothic Spaghetti, der zwar seine schwachen Momente hat (und welcher Euro-Western hat die nicht), aber immer interessant ist. Ihn als langweilig abzutun, wird ihm nicht gerecht.

Ein Jahr nach dem Ende des Bürgerkriegs sind die Revolverhelden Lord (George Hilton) und Bull¹ (Walter Barnes) unterwegs, um sich mit Richter Warren (Rudolf Schündler) zu treffen. Der erzählt ihnen eine unglaubliche Geschichte: Kurz vor Kriegsende geriet ein sezessionistischer Colonel an Goldbarren im Wert von 500.000 Dollar aus dem konföderierten Staatsschatz und verbarg sie an einem unbekannten Ort. Obwohl die Unionstruppen versuchten, ihm sein Geheimnis mit Gewalt zu entlocken, starb der Colonel, ohne das genaue Versteck des Schatzes verraten zu haben. Mehr zu erfahren ist nur mit Hilfe Reginas (Loni von Friedl), der Tochter des Colonels, und eines Gedichtes namens Camelot. Doch Regina, die im Rollstuhl sitzt, ist spurlos verschwunden.

Der Richter phantasiert davon, mit Hilfe des Goldes die Confederacy erneut erstehen zu lassen. Bevor er mehr erzählen kann, wird er aus dem Hinterhalt erschossen. Lord und Bull haben vermutlich prosaischere Motive als Warren, was das Gold betrifft, doch auch sie sind in Gefahr: Eine Rotte von Pistoleros ist hinter ihnen her und lauert ihnen immer wieder auf. Die Pistoleros stehen in den Diensten des aristokratischen Ranchers Forrester (Arturo Dominici) und seines Dandy-Sprösslings Jason (Horst Frank). Forrester ist kein anderer als der Bruder des verstorbenen Colonels. Bruder und Neffe sind ebenfalls hinter dem verlorenen Gold her und stehen im Verdacht, Regina entführt zu haben.

Lord und Bull schleichen sich nachts in das Anwesen der Forresters und finden in der Bibliothek tatsächlich ein Bändchen mit dem Titel Camelot. Nachdem sie Jason Forrester aus der Reserve locken, indem sie ihn gezielt demütigen, gelingt es ihnen auch, die gekidnappte Regina in ihrem Versteck aufzuspüren. Das Katz-und-Maus-Spiel mit den Forresters spitzt sich zu, bis es zur finalen Konfrontation in einem Schlachthaus kommt.²

Was bei Il momento di uccidere am meisten ins Auge sticht, ist die Arbeit des Kameramannes Stelvio Massi. Der erhielt viel Raum, um mit den ungewöhnlichen Einstellungen und Perspektiven zu experimentieren, die man von ihm kennt. Zu einem Streifen wie diesen, der überwiegend in Innenräumen und auf nächtlichen Straßen spielt, passt das perfekt. Auch Francesco De Masis Score fügt sich gut in das Sujet des Films ein.

Dominici und Frank sind als Vater-und-Sohn-Gespann mit leicht psychopathischem Touch und ausgeprägt ödipaler Beziehung (in der das Gold die Rolle der abwesenden Mutter einnimmt) mehr als angemessen besetzt. Weniger gelungen ist die Dynamik zwischen Hilton und Barnes. Letzterer wirkt etwas fehl am Platze in seiner Rolle als bärbeißiger Sidekick, oder besser gesagt: Zwischen ihm und Hilton stimmt die Chemie einfach nicht richtig. Im Grunde hätte Hilton den Film als alleiniger Protagonist bestreiten können, ohne das etwas gefehlt hätte.

Aber Il momento di uccidere ist ein Western mit Krimi-Handlung, und das bedeutete für Regisseur Carnimeo, dass die Hauptfigur die Rolle des Privatdetektivs einnimmt und einen Begleiter braucht, einen foil character nach dem Vorbild von Dr. Watson. Das ist völlig in Ordnung, es ist nur in diesem Film nicht sonderlich gut umgesetzt.³ Übrigens ist Il momento eine deutsch-italienische Koproduktion, und nördlich der Alpen zeigte man wenig Verständnis für Carnimeos Ideen, sondern setzte lieber auf Nummer sicher. Der Film wurde als Django-Streifen vermarktet und die Werbematerialien stellten George Hilton als Star in den Mittelpunkt.

Bemerkenswert ist, dass Walter Barnes in diesem Film eine Melone trägt und in einer Szene eine Faustschlagtechnik anwendet, die wenige Jahre später unter dem Namen »der Dampfhammer« ikonische Bedeutung erlangen sollte. Gut vorstellbar, dass ein Kameramann namens Enzo Barboni diesen Film sah und daraus ein paar Ideen für sein zukünftiges Schaffen gewann. Das sollte aber (ebensowenig wie der eingangs angesprochene Vorwurf der Langweiligkeit) dazu verleiten, den Film als bloßen Vorläufer von Trinità und Bambino abzutun. Il momento di uccidere ist, wie gesagt, ein nicht immer gelungener, aber immer interessanter Gothic Spaghetti von großer Eigenständigkeit.

¹ Was Bull betrifft, müsste man eigentlich von einem Schrotflintenhelden sprechen, denn das ist seine bevorzugte Waffe.

² Man beachte die Namen wie Camelot, Regina und Forrester: Die Königin (von Camelot?) wird von einem Förster entführt und gefangen gehalten. In der Artussage wird Königin Guinevere von Maleagant entführt und von Lancelot befreit. Für solche überraschenden Anspielungen liebe ich das Spaghetti-Genre. Allerdings: Wer glaubt, in Il momento di uccidere würde es zu einer Liebesgeschichte à la Lancelot und Guinevere kommen, wird eine Überraschung erleben.

³ Im Jahr darauf versuchte Carnimeo es in Sono Sartana, il vostro becchino erneut mit dieser Formel. Gianni Garko übernahm die Sherlock-, Frank Wolff die Watson-Rolle. Auch hier war Tito Carpi als Drehbuchautor beteiligt.

25.10.24

The Man Who Came Back (2008)

Deutscher Titel: Slave Story / Der Mann, der Rache nahm · Regie: Glen Pitre · Drehbuch: Chuck Walker · Musik: Phil Marshall · Kamera: Stoeps Langensteiner · Schnitt: Matthew Booth, Simon Carmody · Produktion: Gudegast Braeden Productions.

Thibodaux, Louisiana, Jahre nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs: Die Zeit der Reconstruction neigt sich dem Ende zu. Die weiße Pflanzeraristokratie hat ihre Macht erneut konsolidiert. Auf den Zuckerrohrplantagen arbeitet die schwarze Bevölkerung unter Bedingungen, die sich kaum von der Sklaverei unterscheiden.

Die Arbeiter*innen auf der Plantage von Richter Duke (George Kennedy) werden nicht in baren Dollars bezahlt, sondern in Gutscheinen, die sie nur in dem überteuerten company store des Richters einlösen können. Wenn sie die Plantage verlassen wollen, um sich woanders Arbeit zu suchen, werden sie mit Gewalt daran gehindert. Als der Richter erneut die Lebensmittelpreise anzieht, treten die Arbeiter*innen in den Streik.

Als der weiße Vorarbeiter Reese Paxton (Eric Braeden) versucht, mäßigend auf den Boss einzuwirken, wird er kurzerhand gefeuert. Billy Duke (James Patrick Stuart), der Sohn des Richters, lyncht gemeinsam mit dem Sheriff (Armand Assante) und dem Pfarrer (Al Hayter) einen der streikenden Arbeiter. Anschließend beschuldigt er Reese, den Lynchmord begangen zu haben. Reese wird von einem kangaroo court unter dem Vorsitz des Richters angeklagt und aufgrund der Falschaussage der Pflanzersfrau Kate (Sean Young) verurteilt.

Reese wird in ein Straflager inmitten der Sümpfe verschleppt, wo der sadistische Gefängnisdirektor (Peter Jason) über Leben und Tod herrscht. Nachdem er Folter und Qualen aller Art überstehen muss, gelingt es Reese zu fliehen. Er kehrt nach Thibodaux zurück, wo Billy Duke inzwischen zum Bürgermeister gewählt wurde. Und Reese nimmt Rache: an den Dukes, an der meineidigen Kate, am Sheriff und am Pfarrer.

Wenn man will, kann man mit The Man Who Came Back Bingo spielen: Exploitation? Check. Es gibt nicht nur ausgedehnte Peitsch- und Lynchszenen auf der Plantage, sondern es wird auch genüßlich gezeigt, wie Reese im Straflager geprügelt, angepinkelt, an den Armen aufgehängt und beinahe ertränkt wird. So unglaubwürdige wie vorhersehbare Rachegeschichte? Check. Schließlich wird Reese von einem alternden Soap-Opera-Darsteller gespielt, bei dem man sich schon fragen kann, woher sein Charakter die Skills zum Überleben hat, die er für all das benötigt. White saviour narrative? Check. Der weiße Vorarbeiter ist der allein handlungsmächtige Held. 

The Man Who Came Back basiert lose auf einem historischen Ereignis: Im November 1887 kam es zu einem organisierten Massenstreik von schwarzen Arbeiter*innen auf louisianischen Zuckerrohrplantagen. 10.000 Menschen legten die Arbeit nieder. Die Pflanzeraristokratie reagierte mit brutaler Repression. Der Gouverneur Louisianas, selber ein Pflanzer, mobilisierte Militär gegen die Streikenden. In der Stadt Thibodaux organisierte Richter Taylor Beattie das Peace and Order Committee, eine weiße Miliz, die 50 Menschen ermordete. Beattie ist das Vorbild für den Richter Duke des Films. Mit dem historischen Ablauf hat die Darstellung des Films allerdings kaum etwas gemein. Die Geschichte gibt lediglich den Hintergrund für die generische Rache-Story ab und legt wenig Wert auf Authentizität.

The Man Who Came Back ist also kein guter Film. Wirklich nicht. Er ist allerdings auch (in einem bestimmten Sinn) kein völlig schlechter Film. Dann nämlich, wenn man ihn mit zeitgenössischen Dixie-Geschichtspornos wie The Last Confederate (2007) oder Field of Lost Shoes (2014) vergleicht. Diese Filme sind nichts als lilienweißer Revisionismus, die dem konservativen Amerika mit ihrer Verharmlosung der Sklaverei schmeicheln wollen. Angesichts der Tatsache, dass es solche Machwerke überhaupt gibt, muss man The Man Who Came Back zugute halten: Er versucht wenigstens, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen. Die Dukes, der Sheriff, der Pfarrer und der Knastdirektor sind rassistische, ausbeuterische, brutale Arschlöcher und werden auch so gezeigt – ein von der neo-konföderalen Ideologie geprägter Film hätte dennoch versucht, sie als Sympathieträger darzustellen. 

Interessanterweise ist The Man Who Came Back nicht anders als die genannten Lost-Cause-Filme ein vanity project, das von Hauptdarsteller Braeden gemeinsam mit seinem Sohn Christian Gudegast produziert wurde. Offenbar wollte Braeden auf seine alten Tage unbedingt noch mal einen athletischen Helden mimen. Um zusätzlich einen einigermaßen bekannten Namen vor das Braeden-Vehikel zu spannen, wurde Billy Zane engagiert, der eine komplett überflüssige Nebenrolle als einziger Yankee von Thibodaux spielt. Aber ich habe lieber ein vanity project, das sich (bei allen Unzulänglichkeiten) gegen die Ausbeutung und Versklavung von Menschen stellt, als eines, das Sklaverei und Herrenmenschentum glorifiziert.

10.4.24

Die blutigen Geier von Alaska (1973)

Inhaltshinweise: Sexuelle Gewalt, Tierquälerei.

Alternativtitel: Die Höllenhunde von Alaska / Die Geier vom Shilo River · Regie: Harald Reinl · Drehbuch: Kurt Nachmann · Musik: Bruno Nicolai · Kamera: Heinz Hölscher · Schnitt: Eva Zeyn · Produktion: Lisa Film.

The Call of the Wild (1972) von Ken Annakin machte es möglich: Er löste den letzten großen Trend innerhalb des Euro-Westerns aus. Annakins Film erwies sich in Italien als Kino-Erfolg, und die italienische Filmindustrie tat das, was sie am liebsten tat – sie kopierte, was das Zeug hielt. Den Anfang machte Lucio Fulci mit Zanna Bianca (1973) und Il ritorno di Zanna Bianca (1974). Diesen Filmen folgten inoffizielle Fortsetzungen sowie weitere Produktionen, die entweder Werke von Jack London verfilmten oder sich als solche Verfilmungen ausgaben.¹ Noch schneller als die Italiener*innen waren in diesem Fall allerdings die Westdeutschen. Schon 1972 wartete Harald Reinl mit Der Schrei der schwarzen Wölfe auf, dem im Jahr darauf Die blutigen Geier von Alaska folgte.

Die Formelhaftigkeit dieser London-Verfilmungen (und Pseudo-London-Verfilmungen) fällt sofort ins Auge. Es ist selbst für Genre-Verhältnisse ungewöhnlich, mit welcher Sturheit an dem stets gleichen Grundrezept festgehalten wird: Es gibt immer ein krankes Kind, einen treuen Hund und einen raubeinigen Beschützer. Der Handlungsort ist Alaska zur Zeit des Goldrauschs. Und meistens spielt Raimund Harmstorf mit. Die zur Schau getragene Kinderfreundlichkeit dieser Filme wird nicht selten dadurch konterkariert, dass sie recht brutale Szenen mit Tierkämpfen enthalten. Ich gestehe es offen – ich bin alles andere als ein Fan dieses Subgenres mit seiner Mischung aus Sentimentalität und Grausamkeit.

Die blutigen Geier von Alaska basiert nicht direkt auf Jack London, folgt aber getreu der beschriebenen Formel: Der Goldsucher Sanders (Kurt Bülau) hat auf indigenem Land eine Goldader gefunden, die auszubeuten er fest entschlossen ist. Bei einem Unfall in der Grube verletzen sich Sanders und sein Sohn Billy (Ivan Stimac) schwer. Billy verfällt in ein starkes Fieber. Der Jäger Don Rutland (Doug McClure) will den Jungen zu einem Arzt bringen.

Zur gleichen Zeit wird in der Prospektorensiedlung Camp Kino ein Transport vorbereitet, der die gesammelten Goldfunde des Umkreises nach Paradise Creek bringen soll. Sheriff Cotton und Deputy Buffins (Miha Baloh) reiten als Eskorte mit. Rutland trifft auf den Transport, vertraut ihm den kranken Billy an und reitet zurück zu Sanders. Banditen unter Mark Monty (Harald Leipnitz) überfallen den Transport und töten die Begleitmannschaft bis auf Buffins, der mit den Banditen unter einer Decke steckt. Billy, der sich im Fieberwahn nicht an seinen Namen erinnern kann, wird von Monty in das Lager der Banditen verschleppt. 

Nachdem Sanders von Indigenen getötet wurde, die (sehr berechtigte) Einwände gegen seine Goldschürferei auf ihrem Land hatten, begibt Rutland sich nach Camp Kino. Dort amtiert Buffins als neuer Sheriff und sabotiert die Suche nach dem geraubten Gold. Rutland schließt sich zusammen mit Rose Cotton (Kristina Nel), der Tochter des beim Überfall ermordeten Sheriffs, und Ham-a-Ham (Roberto Blanco), einem Boxer mit übermenschlichen Kräften. Gemeinsam mit Buck, dem Hund der Sanders, machen sie sich auf die Suche nach den Banditen und dem verschwundenen Billy. Buffins sperrt Rutland unter falschen Vorwürfen ins Gefängnis.

Monty und sein Spießgeselle Lapporte (Klaus Löwitsch) kommen nach Camp Kino und erklären, unverhofft einen reichhaltigen Goldfund gemacht zu haben. Mit dieser Behauptung wollen sie ihren Überfall auf den Goldtransport verschleiern. Es kommt zu einem allgemeinen Besäufnis im Saloon. Monty versucht, die Saloondame Betty (Angelica Ott) zu vergewaltigen, und ersticht ihren Chef, Captain Brandy (Heinz Reincke), als dieser dazwischengeht. Rutland, der sich aus dem Gefängnis befreien konnte, konfrontiert Monty, Lapporte und Buffins.

Diesem Film merkt man in jeder Hinsicht die Agonie an, in der der bundesdeutsche Western à la Reinl sich in den siebziger Jahren wand: Die schwarzen Langhaarperücken sitzen noch schlechter als zehn Jahre zuvor. In einer Szene, die eine Dynamit-Explosion darstellt, sieht man die Drähte des Pyrotechnikers mitten im Bild. Doug McClure ist als Ersatz-Harmstorf alles andere als überzeugend. Roberto Blanco darf ein antirassistisches Statement abgeben, das sofort dadurch konterkariert wird, dass sein Charakter den lächerlichen Namen Ham-a-Ham trägt. Und Miha Baloh spielt den verräterischen Deputy mit einer derart gelangweilten Miene, als wolle er stumm gegen den Film und sein Drehbuch protestieren.

Überhaupt, das Drehbuch. Es wartet mit einem Deus ex machina auf: Als der sterbenskranke Billy von den Banditen verschleppt wird, haben die rein zufällig einen Arzt in ihrem Lager, der Billys Fieber lindert. Am Ende artet es in einen vollendeten idiot plot aus: Als die Banditen mit ihrer hanebüchenen Geschichte vom Goldfund, der zeitgleich mit dem Goldraub stattfand, in der Siedlung auftauchen, erregen sie kaum einen Verdacht. Mit den kriminalistischen Fähigkeiten der Leute von Camp Kino ist es offenbar nicht weit her – eigentlich perfekt für die Banditen. Aber Monty, ihr Anführer, lässt sich volllaufen und begeht einen Vergewaltigungsversuch und einen Mord, so dass die Bande unweigerlich auffliegt. Ist das einfältig oder geschmacklos? Es ist beides.

Es gibt wirklich nicht viel, was sich Wertschätzendes über Die blutigen Geier von Alaska sagen lässt. Letztlich sind es zwei Dinge: Die Landschaftsaufnahmen, die in Österreich und Jugoslawien gefilmt wurden, sind grandios – wie immer bei Reinl. In ihnen zeigt sich das bleibende Talent eines Regisseurs, der ansonsten sein Pulver längst verschossen hatte. Und mit Kristina Nel als Sheriffstochter auf der Suche nach ihrem ermordeten Vater gibt es (für Genre-Verhältnisse) eine ziemlich aktive Frauenfigur, die nicht mal gerettet werden muss. Ein anderer Film wäre durch Nels Rolle besser geworden. Dieser leider nicht.

An den Kinokassen fiel der Film durch. Für das westdeutsche Fernsehen wurde er in Die Geier vom Shilo River umbenannt, in der Hoffnung, er würde für ein Spin-off der Serie Die Leute von der Shiloh Ranch gehalten, in der Doug McClure ebenfalls mitspielte. Die DDR zeigte den Streifen unter dem Namen Die Höllenhunde von Alaska. Wenig überraschend änderten die alternativen Titel aber auch nichts an dem Schlamassel, das dieser Film darstellt.

¹ Das ganze wiederholte sich Anfang der neunziger Jahre noch mal in kleinerem Maßstab anlässlich des Disney-Films White Fang (1991).

2.4.24

Die Hölle von Manitoba (1965)

Alternativtitel: Die weiße Hölle von Manitoba · Regie: Sheldon Reynolds · Drehbuch: Edward Di Lorenzo, Fernando Lamas, F. X. Toole · Musik: Angel Arteaga · Kamera: Federico G. Larraya · Schnitt: Teresa Alcocer, Roberto Cinquini · Produktion: CCC Film, Midega Film.

Nachdem Atze Brauner aus schierer Verzweiflung darüber, nicht mehr Karl-May-Stoffe verfilmen zu können, 1964 sogar Freddy Quinn in den Wilden Westen geschickt hatte, schien ihm im Jahr darauf endlich das Glück zu winken: Pierre Brice und Lex Barker standen ihm beide für einen Film zur Verfügung, wenn auch in Nicht-May-Rollen.

In Glory City soll der Jahrestag der Stadtgründung mit einem Zweikampf gefeiert werden: Zwei Revolverhelden treten gegeneinander an, dem Sieger winkt ein Preisgeld. Es gibt nur ein Problem: Reese (Pierre Brice) hat einen der Kontrahenten erschossen. Also macht er sich auf den Weg, den Platz des Toten einzunehmen. Im Nachbarkaff Powder City schwelt unterdessen ein Konflikt zwischen zwei Ranchern. Seth Grande (George Rigaud) hat sein Land für die Besiedelung durch Homesteader geöffnet. Jack Villaine (Gérard Tichy) hält gar nichts von diesem neumodischen Unsinn und setzt seine sieben Pistoleros (u.a. Aldo Sambrell) auf Grande an.

Als Reese in Powder City eintrifft, um dort auf den Tag des Zweikampfs zu warten, verbreitet sich das Gerücht, er sei von Grande zu seinem Schutz angeheuert worden. Da Reese verschiedene Zusammenstöße mit Villaine und seinen Pistoleros hat, schlägt er sich auch tatsächlich auf Grandes Seite. Deutlich zurückhaltender ist Brenner (Lex Barker), der zweite Wettbewerber. Ihn verbindet eine unglückliche vergangene Liebesgeschichte mit Grandes Tochter Jade (Marianne Koch). In der Gegenwart dient Jade Villaine als Sekretärin/Geliebte, in der Hoffnung, so ihren Vater schützen zu können. Schließlich trifft auch Brenner die Entscheidung, es mit Villaine aufzunehmen. So kommt es, dass Reese und Brenner, die sich in wenigen Tagen in einem Kampf auf Leben und Tod gegenüber stehen sollen, jetzt Seite and Seite kämpfen.

Laut IMDb lief der Film in Österreich unter dem Titel Die weiße Hölle von Manitoba im Kino, offenbar in der Annahme, dass in einem in Kanada spielenden Streifen tiefer Schnee liegen müsste. Weit gefehlt, im Film ist keine einzige Schneeflocke zu sehen. Das wäre auch schwer möglich gewesen, denn die Dreharbeiten fanden im Frühjahr ’65 in Spanien statt. Tatsächlich habe ich die Vermutung, dass die Macher*innen dieses Films rein zufällig auf den Namen gekommen sind – und sich nicht viel dabei gedacht haben. Womöglich nahmen sie an, dass Manitoba in den USA liegt? Irgendwelche Hinweise auf Kanada als Handlungsort sind mir jedenfalls nicht aufgefallen.

Die Hölle von Manitoba ist ein vor sich hin plätschernder Film, der mit Actionszenen sehr sparsam umgeht. Brice und Barker (aber insbesondere Brice) machen den Eindruck, als seien sie erleichtert, mal nicht Winnetou und Shatterhand spielen zu müssen. Andererseits wirken sie aber auch nicht so, als seien sie hier mit vollem Einsatz bei der Sache, sondern spielen ihre Rollen eher auf routiniert-beiläufige Weise. Barker bekommt ein paar Szenen, in denen innere Konflikte angedeutet werden. Brice bleibt dagegen weitgehend in der generischen Rolle des mysteriösen, ironisch lächelnden Revolvermanns aus der Fremde.

Rigaud und Tichy machen einen ganz ordentlichen Job als verfeindete Rancher mit sprechenden Namen. Am interessantesten (interessanter auch als die beiden männlichen Hauptrollen) ist Marianne Koch. Als Jade lässt sie sich auf den Ekelsack Villaine ein, um das Leben ihres Vaters zu retten. Der heißt ihr Verhalten natürlich nicht gut, bittet sie am Ende aber immerhin um Verzeihung für seine Verständnislosigkeit. Zugleich muss Jade auch noch damit  klarkommen, dass ihr Ex-Lover Brenner wieder da ist. Gar nicht so einfach. Kein Wunder, dass Jade öfter zu sehen ist, wie sie mit dem Barkeeper Charly (Wolfgang Lukschy) zusammensitzt und zur Beruhigung einen Whisky kippt.

Neben Koch und Lukschy sind mit Aldo Sambrell und Antonio Molino Rojo noch zwei weitere Mitglieder des Casts von Für eine Handvoll Dollar zu sehen. Da Leones Film in den USA erst 1966 in den Kinos lief, bekam das dortige Publikum Koch zuerst in Die Hölle von Manitoba zu sehen. Was nicht das schlechteste ist. Denn während Für eine Handvoll Dollar verdientermaßen zum Klassiker und Die Hölle von Manitoba vergessen wurde, ist es doch so, dass Marianne Koch in diesem Film redet und Agency hat, während sie in jenem völlig in der Opferrolle bleibt, vom Protagonisten gerettet werden muss und dabei kaum ein Wort sagen darf. Der Kontrast ist auffällig. Und Koch ist es, die Die Hölle von Manitoba ein Stück weit sehens- und erinnernswert macht.

Kameramann Federico Larraya filmt gern Alltagsszenen und scheinbar bedeutungslose Details (z.B. eine Frau, die den Boardwalk fegt; ein Kind, das mit einer Marionette spielt). Gelegentlich experimentiert er mit ungewöhnlichen Perspektiven. Richtig austoben kann er sich beim Fotografieren der antiklimaktisch erzählten Schlussszene mit dem Schaukampf, in der die nach Blut lechzenden Bürger*innen von Glory City sich auf den Balkons und Straßen drängen.

Bemerkenswert ist auch, dass Die Hölle von Manitoba komplett darauf verzichtet, die Formel der Karl-May-Filme zu kopieren. Die Idee, dass eine Stadt ihren Jahrestag mit einem blutigen Gladiatorenkampf feiert, könnte kaum weiter weg davon sein. Einzig die Tatsache, dass Lex Barker auch hier keinen Hut trägt, lässt sich als Anspielung auf seine Shatterhand-Rolle verstehen.

Insgesamt hinterlässt Die Hölle von Manitoba den Eindruck eines Films, der unentschlossen bleibt. Er will sichtlich ein konventioneller Western mit konventionellen Themen (Konflikt zwischen zwei Ranchern, Partnerschaft zweier ungleicher Revolverhelden) sein. Andererseits kommt er mit ›ungewöhnlichen‹ Elementen daher, die den Einfluss von Filmen wie Invitation to a Gunfighter (1964) vermuten lassen. Man weiß nicht so recht, wie man sich diesen Film ansehen soll, auf welcher der beiden Seiten der Schwerpunkt liegt. Eine stärkere Regie hätte vielleicht für eine Entscheidung sorgen können. Aber so oder so: Wegen Marianne Koch habe ich Die Hölle von Manitoba nicht ungern gesehen.

26.3.24

Un minuto per pregare, un istante per morire (1968)

Alternativtitel: Dove vai ti ammazzo · Deutscher Titel: Mehr tot als lebendig · Regie: Franco Giraldi · Drehbuch: Ugo Liberatore · Musik: Carlo Rustichelli · Kamera: Aiace Parolin · Schnitt: Alberto Gallitti · Produktion: Documento Film.

Clay McCord (Alex Cord) ist mit seinem Kumpel Fred Duskin (Giampiero Albertini) auf der Flucht vor dem Gesetz. McCord ist ein tödlicher Revolverschütze, aber er leidet an plötzlich auftretenden Krämpfen im rechten Arm, die ihn immer wieder kampfunfähig machen. Er glaubt, dieses Leiden von seinem Vater, einem Epileptiker, geerbt zu haben. Als Kind sah er hilflos zu, wie sein Vater an den Folgen eines epileptischen Anfalls starb.

McCord und Duskin sind auf dem Weg zu Padre Santana (Daniel Martín), von dem sie sich Linderung für McCords Krankheit erhoffen. Der Franziskanermönch wurde allerdings von zwei Kopfgeldjägern, Sean (Antonio Molino Rojo) und Jesús María (Aldo Sambrell), ermordet. Diese verschanzen sich in Santanas Kirche, und lauern den beiden Outlaws auf. McCord macht jedoch kurzen Prozess mit ihnen. Duskin empfiehlt McCord, wegen seines Arms lieber einen Arzt aufzusuchen.

So reitet McCord nach Escondido, wo es einen Arzt geben soll. Escondido ist eine Art Refugium für Ausgestoßene und Verfemte, wo anstelle des Gesetzes Kraut (Mario Brega) und seine Bande das Sagen haben. Die verfallende Ortschaft wird von den Deputies des Marshals von Tuscosa, Roy W. Colby (Arthur Kennedy), belagert. Als einige Bewohner Escondidos versuchen, unter weißer Flagge einen Wagen voller Lebensmittel in die Stadt zu geleiten, werden sie von den Deputies kurzerhand massakriert. McCord nimmt blutige Rache an den Gesetzeshütern und bringt den Wagen selbst in die Stadt.

Den Arzt findet er allerdings am Galgen baumelnd vor – aufgeknüpft von Kraut wegen angeblichen Falschspiels. McCord quartiert sich im Haus von Laurinda (Nicoletta Machiavelli) ein. McCords Anwesenheit ist Kraut ein Dorn im Auge. Er sieht darin eine Gefahr für seine Herrschaft über Escondido. So dauert es nicht lange, bis McCord einen von Krauts Männern, El Bailarín (José Manuel Martín), in Notwehr töten muss.

Lem Carter (Robert Ryan), der Gouverneur von New Mexico, verkündet unterdessen eine Amnesie für alle steckbrieflich gesuchten Outlaws. Wer sich beim Marshal meldet und seine Waffe abgibt, soll 50 Dollar und die Chance auf einen Neuanfang erhalten. McCord begibt sich im Schutz der Nacht nach Tuscosa zu Colby, merkt aber schnell, dass der Marshal nach wie vor entschlossen ist, die Bewohner*innen von Escondido auszurotten. McCord flieht, wird von einer Posse verfolgt und erhält einen Schuss ins Bein. Wieder in Escondido, versteckt er sich in Laurindas Haus, die seine Wunde verbindet.

Um Colby auf die Finger zu sehen, begibt sich Gouverneur Carter persönlich nach Tuscosa. Er bemerkt, dass der Marshal weiterhin Jagd auf die Gesetzlosen macht und dabei mit dem Einverständnis wohlhabender Bürger rechnen kann. Dennoch befiehlt er Colby, die Blockade von Escondido aufzuheben und eine Lieferung Lebensmittel in die Stadt zu schicken.

Kraut und seine Spießgesellen spüren McCord in Laurindas Haus auf. Sie ermorden Laurinda mit einem Schuss in den Rücken, verprügeln McCord und hängen ihn an den Armen auf. Anschließend trinken sie sich besinnungslos. Cheap Charlie (Renato Romano), der Händler, der in Carters Auftrag die Lebensmittel nach Escondido gebracht hat, nutzt die Gelegenheit, McCord aus der Stadt zu schmuggeln.

In einer abgelegenen Hütte trifft sich McCord mit dem Gouverneur und dem Marshal. Carter sichert ihm die versprochene Amnestie zu und lässt für den schwer Verletzten einen Arzt (Enzo Fiermonte) kommen. Der stellt fest, dass McCords Krämpfe nicht epileptisch sind, sondern von einer alten Schussverletzung herrühren und sich mit einer Operation beseitigen lassen.

Kraut und seine Banditen umzingeln die Hütte und setzen das Dach in Brand. Der Marshal und der Arzt werden getötet, bevor der geschwächte McCord die Widersacher mit einer Winchester erledigen kann. McCord reitet mit Carter zurück nach Tuscosa, wo er seine Waffen niederlegt und dafür 50 Dollar und den Amnestiebrief erhält. Auf dem Weg aus der Stadt wird McCord hinterrücks von Kopfgeldjägern erschossen. Den schützenden Brief lesen die Mörder erst, als McCord schon tot ist. Sie stehlen die 50 Dollar und lassen den Leichnam einfach liegen.

Mit Robert Ryan, Arthur Kennedy und Alex Cord bietet Un minuto per pregare gleich drei US-Stars auf. Das ist kein Wunder, denn bei der Produktion des Films war amerikanisches Studio-Geld im Spiel. Dementsprechend wurden bekannte Gesichter für die US-Kinoverwertung gebraucht. Als Regisseur soll zunächst Sergio Corbucci eingeplant gewesen sein, aber der zog sich wegen kreativer Differenzen wieder zurück und drehte stattdessen Il grande silenzio.

Tatsächlich herrscht in Un minuto per pregare eine ähnliche Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit wie in Corbuccis Meisterwerk. Die Outlaws des Films (mit Ausnahme von Kraut und seiner Bande) sind keine furchteinflößenden Banditen, sondern Ausgestoßene der Gesellschaft, die von Kopfgeldjägern ebenso wie von Colbys Deputies erbarmungslos gejagt werden. Und so wie Jean-Louis Trintignant in Il grande silenzio spielt Alex Cord einen todgeweihten Helden. Die gemeinsame Entstehungsgeschichte beider Filme zeigt sich auch darin, dass sie beide in einem ziemlichen sucker punch enden, wie sie dem Publikum selten zugemutet werden.

Mit Franco Giraldi, dem ehemaligen Assistenten Corbuccis, auf dem Regiestuhl ist es nur allzu naheliegend, Un minuto per pregare neben Il grande silenzio links liegen zu lassen. Das wäre aber nicht angebracht. Tatsächlich hat Giraldi einen durchaus eigenständigen Film geschaffen, der sich atmosphärisch auch von seinen früheren, komödiantisch angelegten Western abhebt.

Ungewöhnlich stark vertreten ist in Un minuto per pregare die katholisch-mediterrane Ikonographie, wie sie im Italo-Western immer wieder zum Vorschein kommt. McCord ist zu Beginn des Films nicht nur als um Heilung bittender Pilger auf dem Weg zu einer Kirche, mit seinem langen braunen Mantel sieht er auch selbst ein wenig wie ein Mönch aus. In Escondido lebt ein Teil der Bewohner*innen nicht in Häusern, sondern nach Art mittelalterlicher Einsiedler (oder wie Aussätzige in einem Bibelfilm) in Höhlen. Durch diese morbide Welt wandert McCord und wird auf Schritt und Tritt vom Tod verfolgt.

Mit der einsamen Ausnahme des Gouverneurs sterben alle, die McCord verbunden sind oder ihm helfen, eines grausamen Todes: Pater Santana wird von Kopfgeldjägern umgebracht, die an McCord herankommen wollen. Sein Freund Duskin wird später im Film ebenfalls von Kopfgeldjägern zur Strecke gebracht. Laurinda, Cheap Charlie und der Arzt werden von den Sadisten Kraut & Co. ermordet.

Der Italo-Western hat den Mythos des coolen Kopfgeldjägers hervorgebracht, personifiziert in Manco und Mortimer aus Für ein paar Dollar mehr. Mit Giraldis Film (und Corbuccis) wird der Mythos wieder demontiert, indem das Geschäft mit dem Kopfgeld als Mord mit Rückendeckung durch die Bourgeoisie dargestellt wird. Den amerikanischen Finanziers war so viel Genre-Radikalität zu viel. Sie bestanden darauf, dass für die USA eine eigene Schnittfassung erstellt wurde, mit einem alternativen Ende, das McCord lebendig davonkommen lässt.

Ein ganz großer Wurf ist Franco Giraldis letzter Western nicht geworden, aber ein sehr sehenswerter Film. Dazu trägt insbesondere Carlo Rustichellis ungewöhnlicher Score bei, der, inspiriert von Gustav Mahler, die düstere Atmosphäre des Films noch unterstreicht. Die Hauptrolle ist für Alex Cord (der kein Franco Nero ist) etwas zu groß geraten, aber er gibt sich redlich Mühe. Mario Brega hat man leider keinen Gefallen getan, als man ihm für seine Rolle die Haare rotblond färbte. Die Rolle des Gouverneurs ist gut besetzt mit Robert Ryan.