Inhaltshinweis: Sexuelle Gewalt.
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Regie: Carlo Croccolo · Drehbuch: Luigi Angelo, Carlo Veo · Musik: Daniele Patucchi · Kamera: Franco Villa · Schnitt: Luigi Castaldi · Produktion: Virginia Cinematografica.
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Carlo Croccolo war seines Zeichens Schauspieler. Wer im Jahr 1971 auf die Idee gekommen ist, ihn bei zwei Filmen Regie führen zu lassen, entzieht sich meiner Kenntnis. Im Fall von Black Killer lässt sich das Resultat seiner Regietätigkeit in etwa mit einem Jess-Franco-Flick vergleichen. Tatsächlich macht Croccolo es genau wie Franco und castet sich selbst als zauselige Nebenfigur.¹ Kenner*innen werden aber auch einige entscheidende Unterschiede auffallen: Bei Croccolo fehlen der Jazz-Soundtrack und die häufigen Kamera-Zooms. Auch sind seine Nacktszenen erheblich kürzer und es wird viel mehr geredet.
Tombstone wird von den fünf Brüdern O’Hara terrorisiert, als da sind: Ramón »Chico« O’Hara (Antonio Cantafora), Pedro O’Hara (Enzo Pulcrano), Miguel O’Hara (Calogero Caruana), Ryan O’Hara (Roberto Danesi) und Slide O’Hara (Mimmo Maggio). Die einzelnen Mitglieder dieser irisch-mexikanischen Brüderschar sind nicht leicht auseinander zu halten, denn sie tragen allesamt schlechtsitzende Perücken und eine obszöne Menge Bräunungscreme im Gesicht. Drei von ihnen stechen aber doch hervor: Da ist zunächst Ramón, der sich den Saloon der Stadt unter den Nagel gerissen hat und in seiner Freizeit die frühere Wirtin Consuelo (Tiziana Dini) belästigt. Auch zwei seiner Brüder sind relativ leicht zu erkennen, denn sie tragen statt Sombreros Stirnbänder und sind in bonbonbunte Charro-Anzüge (einer grün, einer rot) gekleidet.
Während die O’Haras ihre Herrschaft über Stadt und Umland immer weiter ausdehnen, trifft ein geheimnisvoller Fremder in Tombstone ein: James Webb (Klaus Kinski) schleppt einen Haufen Gesetzbücher mit sich herum, doch er behauptet, dass er in Tombstone nur Urlaub machen und sich keineswegs als praktizierender Anwalt niederlassen will. Nicht lange darauf reitet mit Burt Collins (Fred Robsahm) ein zweiter geheimnisvoller Fremder in die Stadt ein. Weil Burt mit ein paar goons der O’Haras kurzen Prozess macht, überredet Webb ihn, der neue Sheriff von Tombstone zu werden. Burt verspricht, mit den O’Haras aufzuräumen.
An dieser Stelle muss den Drehbuchautoren aufgefallen sein, dass erst eine halbe Stunde Film vergangen ist, es also zu früh wäre, es jetzt schon zum Showdown kommen zu lassen. Burt reitet deshalb zu seinem Bruder Peter (Gerardo Rossi), der mit seiner indigenen Frau Sarah (Marina Rabissi) in einer Hütte außerhalb der Stadt lebt. Der nun folgende Dialog hört sich an, als sei er morgens vor Drehbeginn von einem unzureichend ausgenüchterten Filmstudenten geschrieben worden. Burt: »Seit dem Tod unserer Mutter ist mir keine Frau mehr über den Weg gelaufen, die mich verstanden hat.«
Leider sind die O’Haras nicht bereit, auf diesen candid moment unter Brüdern Rücksicht zu nehmen. Sie umzingeln die Hütte, erschießen Peter, prügeln Burt bis zur Besinnungslosigkeit und vergewaltigen Sarah. Am Ende stecken sie die Hütte mit Burt und Sarah darin in Brand.
Natürlich können die beiden sich aus den Flammen retten, und Burt will es nun ernsthaft mit den O’Haras aufnehmen. Auch Sarah will Vergeltung und beginnt, mit Pfeil und Bogen Jagd auf die bandidos zu machen. Kommt es also jetzt zum Showdown? Nein, denn es ist immer noch zu wenig Filmzeit vergangen. Gelegenheiten zur Konfrontation gibt es zwar genug, aber Burt versemmelt es ein ums andere Mal – obwohl die O’Haras als Gegner ihrerseits auch nicht sonderlich kompetent wirken.
Zum Glück gibt es da ja noch den anderen, den ersten geheimnisvollen Fremden in Tombstone, den Anwalt James Webb. Ich vermute, für ihn sah das Drehbuch zunächst eine recht begrenzte Rolle vor: Er sollte erstens Burt überreden, sich den Blechstern anstecken zu lassen; Burt zweitens hin und wieder zur Seite stehen (verborgen in seinen Gesetzbüchern führt er ein ganzes Arsenal von Pistolen mit sich); drittens dem korrupten Richter Wilson (Dante Maggio) das Handwerk legen. Aber da ist ja immer noch das leidige Problem, dass man den Film auf anderthalb Stunden Länge bringen muss. Deshalb gibt es zahlreiche Aufnahmen von Kinski als Webb, die reines Füllmaterial darstellen: Webb sitzt in seinem Hotelzimmer und fingert an seinen Pistolen herum. Webb führt redundante Gespräche mit Richter Wilson. Webb guckt aus dem Fenster, schaut hinter Vorhänge und späht durch geöffnete Türen. Und immer so weiter.
Obwohl Webb den ganzen Film über ziemlich wenig zu tun hat, avanciert er am Ende sogar zur Titelfigur. Ich vermute jedenfalls, dass der Name Black Killer sich auf Webb bezieht, der einen schwarzen Advokatenanzug trägt. Dass Burt als Protagonist nicht sonderlich viel hermacht, ist ja auch nicht zu übersehen. Somit hat dieser Film einen Protagonisten, der nichts taugt, und einen Pseudo-Protagonisten, der eigentlich keiner sein sollte. Wie es dazu kam? Das werden sich die Beteiligten im Nachhinein auch gefragt haben.
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¹ Croccolo spielt einen Deputy. Schon in Freddy und das Lied der Prärie war er als (ständig alkoholisierter) Sheriff zu sehen.