26.2.24

Die Flußpiraten vom Mississippi (1963)

Regie: Jürgen Roland · Drehbuch: Werner P. Zibaso · Musik: Willy Mattes · Kamera: Rolf Kästel · Schnitt: Herbert Taschner · Produktion: Rapid-Film.

Friedrich Gerstäckers Romane Die Regulatoren in Arkansas (1846) und Die Flußpiraten des Mississippi (1847) gehören zu den besten frontier-Erzählungen in deutscher Sprache. Das liegt einerseits daran, dass Gerstäcker die Schauplätze aus eigener Anschauung kannte (er schrieb beide Bücher nach einem sechsjährigen Aufenthalt in Nordamerika), andererseits daran, dass sie sich einer allzu schlichten Gut-Böse-Dichotomie entziehen. Tatsächlich wären die Romane mit ihrer großen Anzahl von Charakteren und ineinander verwobenen Handlungssträngen hervorragendes Material für eine mit kreativen Köpfen (und dem passenden Budget) ausgestattete Fernsehserie. Es ist fast zu bedauern, dass Gerstäcker nicht in den USA blieb und so möglicherweise als englischsprachiger Autor zu Bekanntheit gekommen wäre ... dann wäre ein solches Projekt zumindest im Bereich des Möglichen gewesen.

So darf man zwar träumen, die Verfilmung beider Romane durch den Produzenten Wolf C. Hartwig hat aber mit Gerstäckers Qualitäten als Schriftsteller wenig zu tun. Sie hängt allein mit dem Erfolg von Der Schatz im Silbersee (1962) zusammen, der die westdeutsche Filmindustrie auf eine hektische Suche nach mehr (und vorzugsweise urheberrechtsfreiem) Wildwest-Material schickte. Vom Lokalkolorit der Vorlage lässt sie kaum etwas übrig.

Flusspirat*innen, angeführt von Kapitän Kelly (Horst Frank) überfallen auf dem Mississippi ein Floß und ermorden Mary (Sinja Jerin), die Verlobte des jungen Backwoods-Farmers James Lively (Hansjörg Felmy). Als nächstes rauben sie die Bank in Helena, Arkansas aus und schießen dabei den Sheriff (Janez Vrhovec) über den Haufen. James lässt sich zum neuen Sheriff ernennen. Seinen Freund Tom Quincy (Brad Harris) macht er zum Deputy. Gemeinsam wollen sie es mit den Flusspirat*innen aufnehmen.

Die planen unterdessen ihren größten Coup: Sie wollen den Postdampfer Van Buren kapern, die Stadt überfallen und anschließend mit dem Dampfer in den Golf von Mexiko abhauen. Die Cherokee des Häuptlings Schwarzer Adler (Tony Kendall) sollen ihnen dabei helfen. Schwarzer Adler ist eigentlich mit James Lively befreundet, lässt sich aber durch die Lügen der Flusspiraten gegen ihn einnehmen. James, Tom und Schwarzer Adlers Schwester Wichita (Barbara Simon) versuchen, das Komplott zu verhindern.

Aus der komplexen Story von Gerstäckers Roman ist eine simple Geschichte nach dem Vorbild der Karl-May-Verfilmungen geworden: Böse Weiße hetzen Indigene gegen gute Weiße auf, die Helden schreiten im letzten Moment ein und es gibt ein Happy End. Während bei Gerstäcker die Bande der Flusspirat*innen heimliche Kompliz*innen bis in die gute Gesellschaft hinein hat, ist im Film weitgehend klar, wer auf welcher Seite steht. Grautöne gibt es keine, bis auf die bemerkenswerte Ausnahme der Häuptlingsschwester Wichita. Diese Figur, die im Buch ebenso wenig vorkommt wie die anderen Cherokee, sorgt für ein paar Überraschungen in der sonst vorhersehbaren Handlung. Nicht nur, dass sie gegen den Willen ihres Bruders die Pläne der Flusspiraten durchkreuzen will – als ihr verräterischer weißer Liebhaber (Dan Vadis) sie zurückzuhalten versucht, führt sie ihn in einer amüsant-trashigen Szene kurzerhand in einen Sumpf und lässt ihn dort ertrinken.

Von dieser Ausnahme abgesehen, überwiegen in der Verfilmung die Verschlimmbesserungen. Die Handlung wird aus den 1840er Jahren in die Zeit nach dem Bürgerkrieg verlegt. Die Cherokee werden als in Tipis lebende Pferdenomad*innen nach Art der Great-Plains-Stämme dargestellt, was mit ihrer tatsächlichen Kultur wenig zu tun hat. Eher peinlich auch die fiktive Auflösung des Konflikts am Ende: Schwarzer Adler erhält ein Dokument der US-Regierung, das den Cherokee die Unverletzlichkeit ihres Landes garantiert. In Wirklichkeit war es mit dem Versprechen eines »permanent homeland«, das die Regierung den Cherokee 1866 gab, nicht weit her. Ende der 1880er Jahre wurde das Land von Präsident Grover Cleveland zur Besiedelung durch Weiße freigegeben.

Natürlich ist das der verbreiteten Naivität des Euro-Westerns der frühen sechziger Jahre geschuldet. Bei Filmen, die in einem vagen, ahistorischen Wilden Westen irgendwo zwischen den Great Plains, den Rocky Mountains und New Mexico angesiedelt sind, fällt so etwas auch gar nicht weiter auf. Nur ist Gerstäckers Roman im Gegensatz dazu ein zeitgenössisches Werk, dass in den 1840er Jahren in Arkansas am Ufer des Mississippi spielt und in dieser Zeit auch geschrieben und veröffentlicht wurde. Wird der dadurch gesetzte historische Kontext ignoriert, ist die Fallhöhe entsprechend groß.

Das gilt übrigens auch für den Drehort. Nicht anders als die meisten Karl-May-Filme entstand Die Flußpiraten vom Mississippi in Jugoslawien. Für den Mississippi muss der Save im heutigen Slowenien und Kroatien einstehen. Dabei strapaziert es arg die Glaubwürdigkeit, dass dieser gemächlich durch Karstlandschaften plätschernde Fluss der majestätische Old Man River sein soll.

Wolf C. Hartwig, der später als Produzent der Schulmädchen-Report-Flicks zu zweifelhaftem Ruhm kam, schob den Flußpiraten noch zwei Filme nach: 1964 Die Goldsucher von Arkansas (als Verfilmung von Die Regulatoren in Arkansas) und 1965 Die schwarzen Adler von Santa Fe. Letzterer basierte nicht mehr auf dem Werk Gerstäckers, aber Tony Kendall tritt in ihm ein zweites Mal in der Rolle des Schwarzen Adler auf.

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