18.12.24

All’ultimo sangue (1968)

Deutscher Titel: Den Geiern zum Fraß · Regie: Paolo Moffa · Drehbuch: Enzo Dell’Aquila · Musik: Nico Fidenco · Kamera: Franco Villa · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

Paolo Moffa war hauptberuflich Filmproduzent. Mit seiner Firma S.A.C. verschaffte er einer Anzahl Italowestern die Finanzierung. 1968 brauchte er offenbar seinerseits dringend Geld und beschloss daher, selbst bei einem Western Regie zu führen – oder zumindest so zu tun, als würde er Regie führen.

Billy the Gun (Ken Wood) und seine Bande überfallen den Geldtransport einer Bank. Die Gangster nehmen die Identität der Bankangestellten an und rauben der US-Kavallerie eine größere Menge Gold. Die Army möchte ihre Peseten zurück haben und beauftragt Captain Clive Norton (Craig Hill) mit der Verfolgung von Billy & Co. Norton stellt nur eine Bedingung: Er will Ted Hunter, genannt El Chaleco (Ettore Manni), als Begleiter. Der hat mit Billy nämlich noch ein Hühnchen zu rupfen. Chaleco soll allerdings als Deserteur gehängt werden. Mit dem stillschweigenden Einverständnis seines vorgesetzten Offiziers (Luciano Doria) rettet Norton Chaleco vor dem Galgen und reitet mit ihm davon. Es folgt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden, das deutlich von Tucos und Blondies Durchquerung der Wüste in The Good, the Bad and the Ugly, ähem, ›inspiriert‹ ist. Als Norton endlich verrät, was das Ziel ihrer Unternehmung ist, erklärt sich Chaleco sofort bereit, ihn auf der Suche nach Billy zu unterstützen. Preisfrage: Warum hat Norton ihm das nicht einfach gleich gesagt?

Billy the Gun und seine Kumpane vertreiben sich unterdessen die Zeit damit, einen armen peón und seine Frau zu quälen. Norton und Chaleco werden aufgehalten, weil sie dem mexikanischen Outlaw Cordero (Francesco Santovetti) und seinen Jungs in die Hände fallen. Cordero lässt die beiden Helden der Army gefesselt und nur in ihre Union Suits gekleidet am Boden anpflocken. Zwischen ihnen stellt er eine Schale Milch auf, um Giftschlangen anzulocken. Im letzten Moment werden sie von zwei des Weges daherkommenden Fremden gerettet, denen sie Kleidung und Pferde stehlen, um Cordero nachzureiten. Wieder eine von einem Vorbild ›inspirierte‹ Szene – diesmal sind es zwei Episoden aus La resa dei conti, die miteinander kombiniert werden.

Angekommen in Corderos Heimatort San Pablito, vereinbaren Norton und Chaleco mit den Mexikanern einen Deal. Sie sollen ihnen gegen Billy beistehen und dafür einen Teil des Schatzes bekommen. Billy & Co. haben sich in einem alten Bergwerk versteckt. Von dort aus wollen sie zu geeigneter Zeit über die Grenze nach Mexiko fliehen. Chaleco schleicht sich ins Bergwerk und vermint es mit Dynamit. Dann klärt er Billy und seine Freundin Consuelo (José Greci) über die Situation auf: Gleich geht der Stollen in die Luft, und Cordero steht mit seinen Leuten zum Angriff bereit. Billy zögert nicht lang. Er lässt seine Bande im Stich und schafft mit Consuelo und Chaleco das Gold aus dem Bergwerk.

Draußen fordert Chaleco Billy zum Duell auf. Mittlerweile hat sich herausgestellt: Billy und Chaleco sind Brüder. Consuelo ist mit Chaleco verheiratet. Billy hat ihr weisgemacht, Chaleco sei tot, und sie gezwungen, mit ihm zu kommen. Chaleco und Billy liefern sich einen Zweikampf mit Messern, doch der verräterische Billy (der ja nicht grundlos »the Gun« heißt) schnappt sich einen Revolver und legt auf Chaleco an ...

Als erstes fällt an diesem Flick auf, dass er nicht nur einzelne Szenen aus verschiedenen Genre-Klassikern imitiert, Moffa bedient sich anderer Filme auch noch auf viel direktere Weise: Die Szene mit dem Überfall auf den Banktransport zu Beginn stammt aus Starblack. Der Raub des Army-Goldes gleich darauf ist aus Per il gusto di uccidere. Später kommt noch Material aus 4 dollari di vendetta hinzu. Es ist Footage aus anderen Filmen, mit dem Moffa sein eigenes Machwerk großzügig auspolstert. Durch die sehr unterschiedlichen Landschaften, in denen das jeweilige Material fotografiert wurde, fällt der Schwindel sofort ins Auge.

Der Plot ist bietet kaum Überraschungen: Alle sind hinter dem Gold her, es gibt wechselnde Allianzen, eine mexikanische Bande reitet immer mal wieder in die Handlung hinein und wieder hinaus, Rache kommt natürlich auch vor. Im ganzen Film treten nur zwei Frauen auf, die beide vom Hauptschurken Billy erschossen werden. Noch vorhersehbarer wird die Sache dadurch, dass es immer wieder (in diesem Fall von Moffa selbst gedrehte) Szenen gibt, in denen Norton und Chaleco durch die Gegend reiten und darüber reden, was sie als nächstes tun werden. Mit Hilfe dieses Füllmaterials schafft es Moffa, den Film auf fast 100 Minuten auszuwalzen. Die Handlung hätte allerdings auch in der Hälfte der Laufzeit bequem Platz gefunden.

Angesichts der dreisten Klauerei, der generischen Story und der problematischen weiblichen Rollen ist es nicht verwunderlich, dass All’ultimo sangue regelmäßig mit Spott und Ablehnung bedacht wird. Aber der Vollständigkeit halber muss gesagt werden: Es ist kein vollständig misslungener Film. Hin und wieder weist er unerwartete Momente auf, die für sich genommen recht vielversprechend sind. Dazu gehört der Spaghetti-untypisch mit dem Messer ausgetragene Zweikampf zwischen Chaleco und Billy. Dazu gehört, wie sich die Rolle des Protagonisten im Laufe des Films in unerwarteter, aber folgerichtiger Weise von Craig Hill auf Ettore Manni verlagert. Und auch, dass der völlig unbekannte Darsteller Francesco Santovetti mit seinen hageren Gesichtszügen als mexikanischer Bandit ein gar nicht so schlechtes Bild abgibt.¹ Zudem ist die Musik von Nico Fidenco besser, als sie eigentlich sein dürfte.

Für mich folgt daraus, dass Moffa sich besser mal ein*e Regisseur*in gesucht hätte, statt sich diese Position selbst anzumaßen. Jemand mit der nötigen Erfahrung hätte die Geschichte packender erzählen können, und hätte hoffentlich gewusst, dass Frauen in Filmen keine Staffage sind, sondern Schauspielerinnen, die es verdient haben, eine Rolle zu spielen. Und die peinliche Sache mit dem geklauten Footage hätte sich dann vielleicht auch erledigt. Insofern: schade eigentlich.

¹ Dass der stock character des mexikanischen Bandenchefs hier Cordero heißt, ist für sich genommen auch recht lustig (el cordero = das Lamm).

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