2.4.24

Die Hölle von Manitoba (1965)

Alternativtitel: Die weiße Hölle von Manitoba · Regie: Sheldon Reynolds · Drehbuch: Edward Di Lorenzo, Fernando Lamas, F. X. Toole · Musik: Angel Arteaga · Kamera: Federico G. Larraya · Schnitt: Teresa Alcocer, Roberto Cinquini · Produktion: CCC Film, Midega Film.

Nachdem Atze Brauner aus schierer Verzweiflung darüber, nicht mehr Karl-May-Stoffe verfilmen zu können, 1964 sogar Freddy Quinn in den Wilden Westen geschickt hatte, schien ihm im Jahr darauf endlich das Glück zu winken: Pierre Brice und Lex Barker standen ihm beide für einen Film zur Verfügung, wenn auch in Nicht-May-Rollen.

In Glory City soll der Jahrestag der Stadtgründung mit einem Zweikampf gefeiert werden: Zwei Revolverhelden treten gegeneinander an, dem Sieger winkt ein Preisgeld. Es gibt nur ein Problem: Reese (Pierre Brice) hat einen der Kontrahenten erschossen. Also macht er sich nach Glory City auf, um den Platz des Toten einzunehmen. In der Stadt schwelt ein Konflikt zwischen zwei Ranchern. Seth Grande (George Rigaud) hat sein Land für die Besiedelung durch Homesteader geöffnet. Jack Villaine (Gérard Tichy) hält gar nichts von diesem neumodischen Unsinn und setzt seine sieben Pistoleros (u.a. Aldo Sambrell) auf Grande an.

Als Reese in Glory City eintrifft, verbreitet sich das Gerücht, er sei von Grande zu seinem Schutz angeheuert worden. Da Reese verschiedene Zusammenstöße mit Villaine und seinen Pistoleros hat, schlägt er sich auch tatsächlich auf Grandes Seite. Deutlich zurückhaltender ist Brenner (Lex Barker), der zweite Revolverheld. Ihn verbindet eine unglückliche vergangene Liebesgeschichte mit Grandes Tochter Jade (Marianne Koch). In der Gegenwart dient Jade Villaine als Sekretärin/Geliebte, in der Hoffnung, so ihren Vater schützen zu können. Schließlich trifft auch Brenner die Entscheidung, es mit Villaine aufzunehmen. So kommt es, dass Reese und Brenner, die sich in wenigen Tagen in einem Kampf auf Leben und Tod gegenüber stehen sollen, jetzt Seite and Seite kämpfen.

Laut IMDb lief der Film in Österreich unter dem Titel Die weiße Hölle von Manitoba im Kino, offenbar in der Annahme, dass in einem in Kanada spielenden Streifen tiefer Schnee liegen müsste. Weit gefehlt, in Glory City ist keine einzige Schneeflocke zu sehen. Das wäre auch schwer möglich gewesen, denn die Dreharbeiten fanden im Frühjahr ’65 in Spanien statt. Tatsächlich habe ich den Verdacht, dass die Macher*innen dieses Films rein zufällig auf den Namen gekommen sind – und sich nicht viel dabei gedacht haben. Womöglich nahmen sie an, dass Manitoba in den USA liegt? Irgendwelche Hinweise auf Kanada als Handlungsort sind mir jedenfalls nicht aufgefallen.

Die Hölle von Manitoba ist ein vor sich hin plätschernder Film, der mit Actionszenen sehr sparsam umgeht. Brice und Barker (aber insbesondere Brice) machen den Eindruck, als seien sie erleichtert, mal nicht Winnetou und Shatterhand spielen zu müssen. Andererseits wirken sie aber auch nicht so, als seien sie hier mit vollem Einsatz bei der Sache, sondern spielen ihre Rollen eher auf routiniert-beiläufige Weise. Barker bekommt ein paar Szenen, in denen innere Konflikte angedeutet werden. Brice bleibt dagegen weitgehend in der generischen Rolle des mysteriösen, ironisch lächelnden Revolvermanns aus der Fremde.

Rigaud und Tichy machen einen ganz ordentlichen Job als verfeindete Rancher, ohne ihren Figuren wirklich individuelle Züge verleihen zu können. Am interessantesten (interessanter auch als die beiden männlichen Hauptrollen) ist aber Marianne Koch. Als Jade lässt sie sich auf den Ekelsack Villaine ein, um das Leben ihres Vaters zu retten. Der heißt ihr Verhalten natürlich nicht gut, bittet sie am Ende aber immerhin um Verzeihung für seine Verständnislosigkeit. Zugleich muss Jade auch noch damit  klarkommen, dass ihr Ex-Lover Brenner wieder da ist. Gar nicht so einfach. Kein Wunder, dass Jade öfter zu sehen ist, wie sie mit dem Barkeeper Charly (Wolfgang Lukschy) zusammensitzt und zur Beruhigung einen Whisky kippt.

Neben Koch und Lukschy sind mit Aldo Sambrell und Antonio Molino Rojo noch zwei weitere Mitglieder des Casts von Für eine Handvoll Dollar zu sehen. Da Leones Film in den USA erst 1966 in den Kinos lief, bekam das dortige Publikum Koch zuerst in Die Hölle von Manitoba zu sehen. Was nicht das schlechteste ist. Denn während Für eine Handvoll Dollar verdientermaßen zum Klassiker und Die Hölle von Manitoba vergessen wurde, ist es doch so, dass Marianne Koch in diesem Film redet und Agency hat, während sie in jenem völlig in der Opferrolle bleibt, vom Protagonisten gerettet werden muss und dabei kaum ein Wort sagen darf. Der Kontrast ist auffällig. Und Koch ist es, die Die Hölle von Manitoba ein Stück weit sehens- und erinnernswert macht.

Kameramann Federico Larraya filmt gern Alltagsszenen und scheinbar bedeutungslose Details (z.B. eine Frau, die den Boardwalk fegt; ein Kind, das mit einer Marionette spielt). Gelegentlich experimentiert er mit ungewöhnlichen Perspektiven. Richtig austoben kann er sich beim Fotografieren der antiklimaktisch erzählten Schlussszene mit dem Schaukampf, in der die nach Blut lechzenden Bürger*innen von Glory City sich auf den Balkons und Straßen drängen. Das Editing von Renato Cinquini macht manchmal einen etwas erratischen Eindruck, von dem ich nicht weiß, ob er gewollt ist (oder auf Studio-Interventionen zurückgeht).

Bemerkenswert ist auch, dass Die Hölle von Manitoba komplett darauf verzichtet, die Formel der Karl-May-Filme zu kopieren. Die Idee, dass eine Stadt ihren Jahrestag mit einem blutigen Gladiatorenkampf feiert, könnte kaum weiter weg davon sein. Einzig die Tatsache, dass Lex Barker auch hier keinen Hut trägt, lässt sich als Anspielung auf seine Shatterhand-Rolle verstehen.

Insgesamt hinterlässt Die Hölle von Manitoba den Eindruck eines Films, der unentschlossen bleibt. Er will sichtlich ein konventioneller Western mit konventionellen Themen (Konflikt zwischen zwei Ranchern, Partnerschaft zweier ungleicher Revolverhelden) sein. Andererseits kommt er mit ›ungewöhnlichen‹ Elementen (wie der Schaukampf-Story, oder auf formaler Ebene der Kameraarbeit) daher. Man weiß nicht so recht, wie man sich diesen Film ansehen soll, auf welcher der beiden Seiten der Schwerpunkt liegt. Eine stärkere Regie hätte vielleicht für eine Entscheidung sorgen können. Aber so oder so: Wegen Marianne Koch habe ich Die Hölle von Manitoba ganz gerne gesehen.

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