18.3.24

Winnetou und sein Freund Old Firehand (1966)

Regie: Alfred Vohrer · Drehbuch: David De Reszke, Harald G. Petersson, C. B. Taylor · Musik: Peter Thomas · Kamera: Karl Löb · Schnitt: Jutta Hering · Produktion: Rialto Film.

Old Firehand ist eine der finstersten und kaputtesten Figuren, die Karl May je erdacht hat. Seinen ersten Auftritt hat er in der Erzählung »Old Firehand«, die 1875 im Deutschen Familienblatt erschien. Darin ist Firehand in schon fortgeschrittenem Alter Anführer einer Gesellschaft von Trappern, die ihr Lager in einem unzugänglichen Bergtal mitten im Gebiet der Dakota haben. Zu den Trappern gehören (ebenfalls mit ihrem ersten Auftritt) auch Sam Hawkens und Dick Stone – der Dritte im Bunde, Will Parker, wird erwähnt, ist aber noch nicht zur eigenständigen Figur ausgebaut. Auch haben Sam & Co. noch nicht die sympathisch skurrilen Züge, die ihnen später in den Jugendromanen eigen sind. In »Old Firehand« wird die ganze Trappertruppe vielmehr als blutrünstig und sadistisch beschrieben. Ihre liebste Beschäftigung ist das Skalpieren von Indigenen, das auf eine Weise geschildert wird, die sich nicht wesentlich von der Jagd auf Tiere unterscheidet.

Anführer Firehand wird in besonderem Maße von Blutdurst und Hass auf Indigene getrieben. In der Tat wird im Laufe der Erzählung deutlich, dass er zwar sonst nicht mehr viel zu Stande bringt, aber immer dann, wenn es ums Töten geht, ganz in seinem Element ist. In ihrem Gewaltrausch vernachlässigen die Trapper auch ihre eigene Sicherheit, und so ist es nicht erstaunlich, dass am Ende die meisten von ihnen tot sind.

Der Ich-Erzähler, der hier noch nicht Old Shatterhand ist, liebt Firehands Tochter Ellen und kommt schließlich dem Familiengeheimnis des alten Mannes auf die Spur: Ellens Mutter, Ribanna, war selbst eine Indigene. Sie wurde von dem weißen Jäger Tim Finnetey aus Eifersucht ermordet. In einer reichlich unlogischen Wendung wurde Firehand darauf zum blutrünstigen Indianerhasser. Finnetey wiederum trat später einem Dakota-Stamm bei und wurde dessen Häuptling.

1879 arbeitete May diese Erzählung zu Im fernen Westen um, seiner ersten Buchveröffentlichung. Weil Im fernen Westen für den Jugendbuchmarkt gedacht war, entschärfte May in der Bearbeitung die Gewalt leicht und strich die Liebesgeschichte zwischen Ellen und dem Ich-Erzähler. Aus Ellen wurde ein Junge namens Harry. Allerdings vergaß May, einige der im flirtenden Ton gehaltenen Begegnungen zwischen Ellen und dem Erzähler ausreichend anzupassen, weshalb die neue Fassung mit einigen unbeabsichtigten gay vibes daherkommt.

1893 schließlich nahm May die Erzählung in Winnetou II auf, wodurch der Ich-Erzähler mit Old Shatterhand identifiziert wurde. Als Textgrundlage verwendete May nicht »Old Firehand«, sondern Im fernen Westen. Shatterhand sollte nach seiner Begegnung mit Nscho-tschi in Winnetou I keine weiteren love interests mehr haben, also durfte Ellen nicht vorkommen. Durch diese Entscheidung wurden die gay vibes des ungenügend bearbeiteten Textes kanonisch. Von der düsteren, gewalttätigen Atmosphäre der Erzählung von 1875 ist allerdings noch so viel übrig, dass der Text sich von der sonst so erbaulichen Stimmung von Mays Hauptwerk, den Gesammelten Reiseerzählungen, merkwürdig abhebt.¹

Von all dem ist in dem Film von 1966 kaum etwas zu merken. Beibehalten wurde nur, dass Old Firehand (Rod Cameron) nicht mehr jung und Anführer einer Gruppe von Trappern ist. Davon abgesehen beruht die Filmhandlung nicht auf dem Werk von Karl May, sondern auf einem Roman namens Thunder at the Border, der für den Film adaptiert wurde.

Heute ist Winnetou und sein Freund Old Firehand wahrscheinlich die obskurste der May-Verfilmungen aus den sechziger Jahren. Das liegt daran, dass der Film im Unterschied zu seinen Vorgängern beim Publikum durchfiel. Waren die Verfilmungen von Anfang an ausgesprochen frei mit den Vorlagen umgegangen – diesmal ging es anscheinend einen Schritt zu weit. Die Filmkritik schloss daraus, dass der Film sich zu sehr an die zeitgleich so erfolgreichen Italo-Western angebiedert habe, deren Geist mit dem von Karl May nicht zu vereinen sei.

Da den beiden Produktionsgesellschaften hinter den May-Verfilmungen, Horst Wendlandts Rialto Film und Artur Brauners CCC, der ›Geist‹ von Karl May auch vorher herzlich egal gewesen war, halte ich das für eine ungenügende Erklärung. Es stimmt zwar, dass Winnetou und sein Freund Old Firehand gegenüber den vorherigen May-Filmen der Rialto so etwas wie einen Neuansatz darstellt. Mit Firehand wird eine neue Figur mit einem neuen Darsteller eingeführt. Neu ist auch die Musik von Peter Thomas. Und Winnetou legt die Dialogregie einige Bemerkungen in den Mund, die entschieden snarky sind. Nur – mit Italo-Western hat das alles eher wenig zu tun.

Ein vereinigendes Merkmal der Italo-Western ist, dass ihre Protagonist*innen (mit nur wenigen Ausnahmen) jung sind. Das bildet einen starken Kontrast zu zeitgleich entstandenen Hollywood-Western, deren Hauptdarsteller mittlerweile oft über fünfzig oder noch älter waren. In der Tat nutzten einige klassische US-Filme, wie El Dorado (1966), The Professionals (1966) und True Grit (1968) diese Tatsache aus, um das Altern selbst zu thematisieren.² Im Italo-Western traten dagegen ältere Charaktere (allen voran die von Lee Van Cleef gespielten) tendenziell als Antagonisten auf und werden von jugendlichen Helden erschossen.

Von dieser Jugendlichkeit ist in Old Firehand nicht viel zu merken. Rod Cameron spielt die Titelfigur als alten, erfahrenen Jäger, der gegenüber jüngeren Westmännern als Mentor fungiert  – nicht anders als John Wayne in den Filmen von Howard Hawks’ Gefängnis-Trilogie.

Zur Handlung: Winnetou und Nscho-tschi (Marie Versini) werden von den Banditen Silers’ (Harald Leipnitz) überfallen. Old Firehand kommt ihnen mit seinen Trappern zu Hilfe und wehrt die Banditen ab. Gemeinsam reiten sie ins mexikanische Städtchen Miramonte, um den Überfall anzuzeigen. Dort hat Mendoza (Rik Battaglia), Sergeant der Federales, Billy Bob (Walter Wilz), den Bruder des Bandenchefs, festgesetzt. Silers will seinen Bruder befreien und Miramonte dem Erdboden gleich machen. Winnetou, Old Firehand und die anderen erklären sich bereit, gemeinsam mit Mendoza die Verteidigung des Städtchens gegen die Banditen zu organisieren.

Man sieht: Hier werden einfach die Storylines von Rio Bravo (es gilt den Versuch, einen gefangenen Banditen zu befreien, abzuwehren) und The Magnificent Seven (es gilt ein mexikanisches Dorf gegen angreifende Banditen zu verteidigen) übernommen, miteinander kombiniert und damit irgendwie ziemlich beliebig gemacht. Keine Entwicklung in Richtung Italo-Western also, sondern eher freizügige Bedienung bei großen Vorbildern. »Steal from the best« ist an sich eine nützliche Maxime, die in Winnetou und sein Freund Old Firehand aber vergeblich angewendet wurde. Es fängt schon damit an, wie der Plot einsetzt: Winnetou und Nscho-tschi werden überfallen und reiten in ein mexikanisches Kaff, um Anzeige zu erstatten. Wer zum Geier hat sich das ausgedacht? Auch hat Nscho-tschi überhaupt keine Funktion für die Handlung. Sie steht eigentlich nur vor der Kamera herum. Der Verdacht liegt nahe, dass sie für diesen Film nur deshalb gecastet wurde, weil Marie Versini ein Publikumsmagnet war.

Wie gesagt, der Versuch, ein paar Dinge anders zu machen, ist schon vorhanden. Von den pathosgeladenen Dialogzeilen der ersten May-Verfilmungen, bei denen die Darsteller*innen sich oft das Lachen verkneifen mussten, zu den vorsichtigen Übungen in Sarkasmus im vorliegenden Film ist es schon ein Stück Weg. Anders ist auch, dass Rik Battaglia endlich mal nicht den schnurrbartzwirbelnden Schurken geben musste. Der war von diesem Typecasting bekanntlich ganz schön genervt. Gut für Rik, keine Frage. Aber viel mehr lässt sich zugunsten dieses Films leider nicht sagen.

¹ Ein Old Firehand tritt bekanntlich auch im Jugendroman Der Schatz im Silbersee (1890/91) auf. Der unterscheidet sich aber so stark von der Titelfigur der 1875er Erzählung und ihrer Bearbeitungen, dass er im Grunde eine andere Figur darstellt.

² Der Normalfall war freilich eher der, dass die stagnierende Pferdeopern-Industrie Hollywoods mit den Altstars einfach weiter Filme drehte, so lange sie sich einigermaßen auf dem Pferd halten konnten – egal wie seltsam es wirkte, wenn sie dabei von lauter 30 Jahre jüngeren Darsteller*innen umgeben waren.

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