Alternativtitel: Dove vai ti ammazzo · Deutscher Titel: Mehr tot als lebendig · Regie: Franco Giraldi · Drehbuch: Ugo Liberatore · Musik: Carlo Rustichelli · Kamera: Aiace Parolin · Schnitt: Alberto Gallitti · Produktion: Documento Film.
Clay McCord (Alex Cord) ist mit seinem Kumpel Fred Duskin (Giampiero Albertini) auf der Flucht vor dem Gesetz. McCord ist ein tödlicher Revolverschütze, aber er leidet an plötzlich auftretenden Krämpfen im rechten Arm, die ihn immer wieder kampfunfähig machen. Er glaubt, dieses Leiden von seinem Vater, einem Epileptiker, geerbt zu haben. Als Kind sah er hilflos zu, wie sein Vater an den Folgen eines epileptischen Anfalls starb.
McCord und Duskin sind auf dem Weg zu Padre Santana (Daniel Martín), von dem sie sich Linderung für McCords Krankheit erhoffen. Der Franziskanermönch wurde allerdings von zwei Kopfgeldjägern, Sean (Antonio Molino Rojo) und Jesús María (Aldo Sambrell), ermordet. Diese verschanzen sich in Santanas Kirche, und lauern den beiden Outlaws auf. McCord macht jedoch kurzen Prozess mit ihnen. Duskin empfiehlt McCord, wegen seines Arms lieber einen Arzt aufzusuchen.
So reitet McCord nach Escondido, wo es einen Arzt geben soll. Escondido ist eine Art Refugium für Ausgestoßene und Verfemte, wo anstelle des Gesetzes Kraut (Mario Brega) und seine Bande das Sagen haben. Die verfallende Ortschaft wird von den Deputies des Marshals von Tuscosa, Roy W. Colby (Arthur Kennedy), belagert. Als einige Bewohner Escondidos versuchen, unter weißer Flagge einen Wagen voller Lebensmittel in die Stadt zu geleiten, werden sie von den Deputies kurzerhand massakriert. McCord nimmt blutige Rache an den Gesetzeshütern und bringt den Wagen selbst in die Stadt.
Den Arzt findet er allerdings am Galgen baumelnd vor – aufgeknüpft von Kraut wegen angeblichen Falschspiels. McCord quartiert sich im Haus von Laurinda (Nicoletta Machiavelli) ein. McCords Anwesenheit ist Kraut ein Dorn im Auge. Er sieht darin eine Gefahr für seine Herrschaft über Escondido. So dauert es nicht lange, bis McCord einen von Krauts Männern, El Bailarín (José Manuel Martín), in Notwehr töten muss.
Lem Carter (Robert Ryan), der Gouverneur von New Mexico, verkündet unterdessen eine Amnesie für alle steckbrieflich gesuchten Outlaws. Wer sich beim Marshal meldet und seine Waffe abgibt, soll 50 Dollar und die Chance auf einen Neuanfang erhalten. McCord begibt sich im Schutz der Nacht nach Tuscosa zu Colby, merkt aber schnell, dass der Marshal nach wie vor entschlossen ist, die Bewohner*innen von Escondido auszurotten. McCord flieht, wird von einer Posse verfolgt und erhält einen Schuss ins Bein. Wieder in Escondido, versteckt er sich in Laurindas Haus, die seine Wunde verbindet.
Um Colby auf die Finger zu sehen, begibt sich Gouverneur Carter persönlich nach Tuscosa. Er bemerkt, dass der Marshal weiterhin Jagd auf die Gesetzlosen macht und dabei mit dem Einverständnis wohlhabender Bürger rechnen kann. Dennoch befiehlt er Colby, die Blockade von Escondido aufzuheben und eine Lieferung Lebensmittel in die Stadt zu schicken.
Kraut und seine Spießgesellen spüren McCord in Laurindas Haus auf. Sie ermorden Laurinda mit einem Schuss in den Rücken, verprügeln McCord und hängen ihn an den Armen auf. Anschließend trinken sie sich besinnungslos. Cheap Charlie (Renato Romano), der Händler, der in Carters Auftrag die Lebensmittel nach Escondido gebracht hat, nutzt die Gelegenheit, McCord aus der Stadt zu schmuggeln.
In einer abgelegenen Hütte trifft sich McCord mit dem Gouverneur und dem Marshal. Carter sichert ihm die versprochene Amnestie zu und lässt für den schwer Verletzten einen Arzt (Enzo Fiermonte) kommen. Der stellt fest, dass McCords Krämpfe nicht epileptisch sind, sondern von einer alten Schussverletzung herrühren und sich mit einer Operation beseitigen lassen.
Kraut und seine Banditen umzingeln die Hütte und setzen das Dach in Brand. Der Marshal und der Arzt werden getötet, bevor der geschwächte McCord die Widersacher mit einer Winchester erledigen kann. McCord reitet mit Carter zurück nach Tuscosa, wo er seine Waffen niederlegt und dafür 50 Dollar und den Amnestiebrief erhält. Auf dem Weg aus der Stadt wird McCord hinterrücks von Kopfgeldjägern erschossen. Den schützenden Brief lesen die Mörder erst, als McCord schon tot ist. Sie stehlen die 50 Dollar und lassen den Leichnam einfach liegen.
Mit Robert Ryan, Arthur Kennedy und Alex Cord bietet Un minuto per pregare gleich drei US-Stars auf. Das ist kein Wunder, denn bei der Produktion des Films war amerikanisches Studio-Geld im Spiel. Dementsprechend wurden bekannte Gesichter für die US-Kinoverwertung gebraucht. Als Regisseur soll zunächst Sergio Corbucci eingeplant gewesen sein, aber der zog sich wegen kreativer Differenzen wieder zurück und drehte stattdessen Il grande silenzio.
Tatsächlich herrscht in Un minuto per pregare eine ähnliche Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit wie in Corbuccis Meisterwerk. Die Outlaws des Films (mit Ausnahme von Kraut und seiner Bande) sind keine furchteinflößenden Banditen, sondern Ausgestoßene der Gesellschaft, die von Kopfgeldjägern ebenso wie von Colbys Deputies erbarmungslos gejagt werden. Und so wie Jean-Louis Trintignant in Il grande silenzio spielt Alex Cord einen todgeweihten Helden. Die gemeinsame Entstehungsgeschichte beider Filme zeigt sich auch darin, dass sie beide in einem ziemlichen sucker punch enden, wie sie dem Publikum selten zugemutet werden.
Mit Franco Giraldi, dem ehemaligen Assistenten Corbuccis, auf dem Regiestuhl ist es nur allzu naheliegend, Un minuto per pregare neben Il grande silenzio links liegen zu lassen. Das wäre aber nicht angebracht. Tatsächlich hat Giraldi einen durchaus eigenständigen Film geschaffen, der sich atmosphärisch auch von seinen früheren, komödiantisch angelegten Western abhebt.
Ungewöhnlich stark vertreten ist in Un minuto per pregare die katholisch-mediterrane Ikonographie, wie sie im Italo-Western immer wieder zum Vorschein kommt. McCord ist zu Beginn des Films nicht nur als um Heilung bittender Pilger auf dem Weg zu einer Kirche, mit seinem langen braunen Mantel sieht er auch selbst ein wenig wie ein Mönch aus. In Escondido lebt ein Teil der Bewohner*innen nicht in Häusern, sondern nach Art mittelalterlicher Einsiedler (oder wie Aussätzige in einem Bibelfilm) in Höhlen. Durch diese morbide Welt wandert McCord und wird auf Schritt und Tritt vom Tod verfolgt.
Mit der einsamen Ausnahme des Gouverneurs sterben alle, die McCord verbunden sind oder ihm helfen, eines grausamen Todes: Pater Santana wird von Kopfgeldjägern umgebracht, die an McCord herankommen wollen. Sein Freund Duskin wird später im Film ebenfalls von Kopfgeldjägern zur Strecke gebracht. Laurinda, Cheap Charlie und der Arzt werden von den Sadisten Kraut & Co. ermordet.
Der Italo-Western hat den Mythos des coolen Kopfgeldjägers hervorgebracht, personifiziert in Manco und Mortimer aus Für ein paar Dollar mehr. Mit Giraldis Film (und Corbuccis) wird der Mythos wieder demontiert, indem das Geschäft mit dem Kopfgeld als Mord mit Rückendeckung durch die Bourgeoisie dargestellt wird. Den amerikanischen Finanziers war so viel Genre-Radikalität zu viel. Sie bestanden darauf, dass für die USA eine eigene Schnittfassung erstellt wurde, mit einem alternativen Ende, das McCord lebendig davonkommen lässt.
Ein ganz großer Wurf ist Franco Giraldis letzter Western nicht geworden, aber ein sehr sehenswerter Film. Dazu trägt insbesondere Carlo Rustichellis ungewöhnlicher Score bei, der, inspiriert von Gustav Mahler, die düstere Atmosphäre des Films noch unterstreicht. Die Hauptrolle ist für Alex Cord (der kein Franco Nero ist) etwas zu groß geraten, aber er gibt sich redlich Mühe. Mario Brega hat man leider keinen Gefallen getan, als man ihm für seine Rolle die Haare rotblond färbte. Die Rolle des Gouverneurs ist gut besetzt mit Robert Ryan.