11.3.24

Custer of the West (1967)

Deutscher Titel: Ein Tag zum Kämpfen · Regie: Robert Siodmak · Drehbuch: Bernard Gordon, Julian Zimet · Musik: Bernardo Segall · Kamera: Cecilio Paniagua · Schnitt: Peter Parasheles, Maurice Rootes · Produktion: Cinerama.

Custer of the West ist ein Beispiel für einen Spätwestern, der etwas Neues sagen will – dass das Vorgehen gegen die amerikanischen Indigenen nach dem Bürgerkrieg fundamental ungerecht war. Zugleich will er aber um keinen Preis die heroische Aura der Figur beschädigen, die für eben dieses Vorgehen maßgeblich verantwortlich war. Es ist ein so widersprüchlicher Versuch, dass er in sich zusammenfallen muss und dies mit einiger Zwangsläufigkeit auch tut.

Der Grund für das Schlamassel ist vermutlich darin zu sehen, dass Custer of the West ein typischer Studiofilm ist, bei dem jede*r ein eigenes Süppchen kochte. Ursprünglich plante 20th Century Fox einen Film über General Custer, bei dem Fred Zinnemann Regie führen sollte. Aus Kostengründen wurde das Projekt aufgegeben, worauf mit Cinerama ein anderes Studio die Gelegenheit beim Schopf packte und auf die rettende Idee kam: Kosten ließen sich bei Western bekanntlich einsparen, indem man den Drehort einfach nach Spanien verlegte.

Zunächst versuchte Cinerama, Akira Kurosawa für den Regiestuhl zu gewinnen. Und wer weiß, was das für einen Film ergeben hätte? Aber es wurde nichts daraus, und das Studio verpflichtete den Veteran Robert Siodmak, der zuvor einige Karl-May-Filme gedreht hatte. Siodmak zeigte allerdings wenig Lust, sich bei dem Projekt wirklich zu engagieren. Bei vielen Szenen war es Hauptdarsteller Robert Shaw, der de facto Regie führte. Shaw scheint es auch gewesen zu sein, der auf Biegen und Brechen versuchte, Custer zu einer Figur mit Licht- und Schattenseiten zu machen, die am Ende Fairness und Verständnis für ihre Gegner*innen zeigt.

Bernard Gordon und Julian Zimet, die beiden Drehbuchautoren, hatten vom Studio die Weisung erhalten, Custer als tadellosen Helden zu zeichnen. Shaw hielt sich allerdings nicht daran und improvisierte die Rolle frei. In der ersten Hälfte des Films stellt er Custer als gnadenlosen Leuteschinder dar, der sich selbst und seinen Untergebenen gegenüber nichts als Härte zeigt. Man fragt sich unwillkürlich, ob Custer hier eine Art Antiheld sein soll, denn es ist kaum möglich, Sympathie für ihn zu empfinden.¹

In der zweiten Filmhälfte wandelt sich das Bild plötzlich. Custer reist nach Washington, um vor dem Kongress zu erklären, es gebe kein »Indianerproblem«, sondern nur ein »Weißenproblem«. Die Ureinwohner*innen kämpften schließlich nur ehrenhaft um ihr Land. Ab da wird Custer als ein Mensch gezeigt, dem seine eigene Welt fremd geworden ist. Als ihm eine neue militärische Erfindung – ein gepanzerter Schienenwagen – demonstriert wird, wendet er sich schaudernd ab: Wo bleibe da der offene, ritterliche Kampf Mann gegen Mann? Das politische Establishment von Washington schmäht ihn fortan, so will es zumindest dieser Film.

Nun entspricht der echte Custer keiner von Shaws beiden Interpretationen. Der harte Hund, als der er zu Beginn dargestellt wird, war er gewiss nicht. Der historische Custer war ein eitler Pfau mit wallender Lockenpracht und großer Vorliebe für maßgeschneiderte Phantasieuniformen. Er achtete darauf, bei seinen Feldzügen von Journalisten begleitet zu werden und ließ sich liebend gern fotografieren. Er war ein Medienprofi, der sein Image als schneidiger Held der frontier erfolgreich selbst geschaffen hatte. Die zeitgenössische Öffentlichkeit verehrte ihn.

Kann man den Custer der ersten Filmhälfte noch als verfehltes Hollywood-Porträt abtun, wird es in der zweiten Filmhälfte richtiggehend verlogen. Als Kommandeur des 7. Kavallerieregiments war der historische Custer der Division of the Missouri unterstellt. Die Aufgabe dieses Truppenverbands war es, die indigenen Stämme der Great Plains in Reservate zu treiben, um so die Region für weiße Besiedlung zu erschließen. Natürlich waren nicht alle Ureinwohner*innen bereit, dies kampflos hinzunehmen. Insbesondere Dakota und Cheyenne leisteten erbitterten Widerstand.

Custers unmittelbarer Vorgesetzter, der Divisionskommandeur General Sheridan, entwickelte daraufhin eine Strategie der totalen Kriegsführung. Die Truppen der Missouri Division sollten gezielt indigene Dörfer angreifen und dabei nicht zwischen Männern, Frauen und Kindern unterscheiden. Geiselnahmen und auch die Ausrottung ganzer Stämme und Völker erklärte Sheridan für legitim. Custer für seinen Teil setzte diese Vorgaben eifrig um.

Die Lage spitzte sich zu, als eine von Custer aufgestellte Expedition in den Black Hills (in den heutigen Bundesstaaten South Dakota und Wyoming) Gold fand. Das Gebiet rund um die Black Hills war in den  Verträgen von Fort Laramie (1851 und 1868) den Dakota zugesprochen worden. Schon die Expedition an sich verletzte die Vertragsbestimmungen, denn das Gebiet sollte von Weißen nicht betreten werden. Doch jetzt, nach dem Goldfund, waren die Verträge das Papier nicht mehr wert, auf dem sie geschrieben waren. Innerhalb kurzer Zeit strömten tausende von weißen Glückssucher*innen in die Black Hills.

Die Dakota wehrten sich, und so kam es am 25. Juni 1876 am Little Bighorn River zur Konfrontation zwischen Custers Kavallerie und einer Koalition aus Dakota und Cheyenne. Custers Regiment rückte in drei getrennten Abteilungen vor, und die von Custer persönlich geführte Abteilung traf zuerst auf die Hauptmacht der Cheyenne und Dakota. Die beiden anderen Bataillone lagen weit zurück oder waren anderswo in Gefechte verwickelt. Custer entschloss sich dennoch, sofort anzugreifen, und wurde mit seiner Abteilung völlig aufgerieben.

Warum Custer angriff, ohne auf Verstärkung zu warten, ist bis heute nicht ganz geklärt. Der Film findet eine eindeutige Antwort: Custer, von Washington aufgrund seiner Sympathie für den Feind geächtet, hat nur noch den Wunsch, im Kampf mit eben diesem Feind den Tod zu finden. Er geht in die Schlacht, um zu sterben. Der wirkliche Custer dürfte einer weitaus schnöderen Motivation gefolgt sein: Er wollte vermutlich den Ruhm für sich allein einheimsen, den er anderenfalls mit seinen Offizieren, die die anderen Bataillone befehligten, hätte teilen müssen.

Und der Ruhm sollte Custer gehören, wenn auch nicht ganz in der Weise, wie er sich es wohl vorgestellt hatte. Im Offizierskorps dürfte man sich durchaus eigene Gedanken zu Custers desaströsem Vorgehen gemacht haben. Aber diese offen auszusprechen, hätte möglicherweise eine empfindliche Kürzung des Militärbudgets durch den Kongress bedeutet. So verlegte sich die Armee aus PR-Gründen darauf, das Heldentum und den Wagemut Custers herauszustreichen. Daneben arbeitete Custers Witwe Libbie (im Film von Mary Ure gespielt) unermüdlich daran, das Heldenimage ihres Mannes auch nach seinem Tod aufrecht zu erhalten. Sie schrieb drei Bücher über ihren Gatten und hielt zahllose Reden über ihn, bis sie 1933 im Alter von 90 Jahren starb.

Im Jahr 1967 war das Kinopublikum allerdings nicht mehr so naiv, diese Glorifizierung einfach hinzunehmen. Custer of the West entwickelte sich zum totalen Flop. Von den Produktionskosten in Höhe von vier Millionen Dollar spielte er lediglich einen Bruchteil wieder ein. Selten hat ein Film das so verdient wie dieser.

¹ Sympathie für die Filmfigur, meine ich hier natürlich. Der historische Custer ist ohnehin verloren.

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