30.10.24

Il momento di uccidere (1968)

Deutscher Titel: Django – Ein Sarg voll Blut · Regie: Giuliano Carnimeo · Drehbuch: Tito Carpi, Bruno Leder, Francesco Scardamaglia · Musik: Francesco De Masi · Kamera: Stelvio Massi · Schnitt: Renato Cinquini, Ornella Micheli · Produktion: Produzioni Cinematografiche Europee, Terra Filmkunst.

Il momento di uccidere steht zu Unrecht im Ruf, ein langweiliger Film zu sein. Langweilige Italo-Western gibt es zu hunderten, aber dieser gehört nicht dazu. Es handelt es sich um Giuliano Carnimeos Regie-Debüt aus dem Jahre 1968, oder besser gesagt: sein echtes Debüt, denn Carnimeo wurde zuvor schon als Co-Regisseur von George Shermans Komödie Panic Button geführt. Il momento di uccidere ist ein Gothic Spaghetti, der zwar seine schwachen Momente hat (und welcher Euro-Western hat die nicht), aber immer interessant ist. Ihn als langweilig abzutun, wird ihm nicht gerecht.

Ein Jahr nach dem Ende des Bürgerkriegs sind die Revolverhelden Lord (George Hilton) und Bull¹ (Walter Barnes) unterwegs, um sich mit Richter Warren (Rudolf Schündler) zu treffen. Der erzählt ihnen eine unglaubliche Geschichte: Kurz vor Kriegsende geriet ein sezessionistischer Colonel an Goldbarren im Wert von 500.000 Dollar aus dem konföderierten Staatsschatz und verbarg sie an einem unbekannten Ort. Obwohl die Unionstruppen versuchten, ihm sein Geheimnis mit Gewalt zu entlocken, starb der Colonel, ohne das genaue Versteck des Schatzes verraten zu haben. Mehr zu erfahren ist nur mit Hilfe Reginas (Loni von Friedl), der Tochter des Colonels, und eines Gedichtes namens Camelot. Doch Regina, die im Rollstuhl sitzt, ist spurlos verschwunden.

Der Richter phantasiert davon, mit Hilfe des Goldes die Confederacy erneut erstehen zu lassen. Bevor er mehr erzählen kann, wird er aus dem Hinterhalt erschossen. Lord und Bull haben vermutlich prosaischere Motive als Warren, was das Gold betrifft, doch auch sie sind in Gefahr: Eine Rotte von Pistoleros ist hinter ihnen her und lauert ihnen immer wieder auf. Die Pistoleros stehen in den Diensten des aristokratischen Ranchers Forrester (Arturo Dominici) und seines Dandy-Sprösslings Jason (Horst Frank). Forrester ist kein anderer als der Bruder des verstorbenen Colonels. Bruder und Neffe sind ebenfalls hinter dem verlorenen Gold her und stehen im Verdacht, Regina entführt zu haben.

Lord und Bull schleichen sich nachts in das Anwesen der Forresters und finden in der Bibliothek tatsächlich ein Bändchen mit dem Titel Camelot. Nachdem sie Jason Forrester aus der Reserve locken, indem sie ihn gezielt demütigen, gelingt es ihnen auch, die gekidnappte Regina in ihrem Versteck aufzuspüren. Das Katz-und-Maus-Spiel mit den Forresters spitzt sich zu, bis es zur finalen Konfrontation in einem Schlachthaus kommt.²

Was bei Il momento di uccidere am meisten ins Auge sticht, ist die Arbeit des Kameramannes Stelvio Massi. Der erhielt viel Raum, um mit den ungewöhnlichen Einstellungen und Perspektiven zu experimentieren, die man von ihm kennt. Zu einem Streifen wie diesen, der überwiegend in Innenräumen und auf nächtlichen Straßen spielt, passt das perfekt. Auch Francesco De Masis Score fügt sich gut in das Sujet des Films ein.

Dominici und Frank sind als Vater-und-Sohn-Gespann mit leicht psychopathischem Touch und ausgeprägt ödipaler Beziehung (in der das Gold die Rolle der abwesenden Mutter einnimmt) mehr als angemessen besetzt. Weniger gelungen ist die Dynamik zwischen Hilton und Barnes. Letzterer wirkt etwas fehl am Platze in seiner Rolle als bärbeißiger Sidekick, oder besser gesagt: Zwischen ihm und Hilton stimmt die Chemie einfach nicht richtig. Im Grunde hätte Hilton den Film als alleiniger Protagonist bestreiten können, ohne das etwas gefehlt hätte.

Aber Il momento di uccidere ist ein Western mit Krimi-Handlung, und das bedeutete für Regisseur Carnimeo, dass die Hauptfigur die Rolle des Privatdetektivs einnimmt und einen Begleiter braucht, einen foil character nach dem Vorbild von Dr. Watson. Das ist völlig in Ordnung, es ist nur in diesem Film nicht sonderlich gut umgesetzt.³ Übrigens ist Il momento eine deutsch-italienische Koproduktion, und nördlich der Alpen zeigte man wenig Verständnis für Carnimeos Ideen, sondern setzte lieber auf Nummer sicher. Der Film wurde als Django-Streifen vermarktet und die Werbematerialien stellten George Hilton als Star in den Mittelpunkt.

Bemerkenswert ist, dass Walter Barnes in diesem Film eine Melone trägt und in einer Szene eine Faustschlagtechnik anwendet, die wenige Jahre später unter dem Namen »der Dampfhammer« ikonische Bedeutung erlangen sollte. Gut vorstellbar, dass ein Kameramann namens Enzo Barboni diesen Film sah und daraus ein paar Ideen für sein zukünftiges Schaffen gewann. Das sollte aber (ebensowenig wie der eingangs angesprochene Vorwurf der Langweiligkeit) dazu verleiten, den Film als bloßen Vorläufer von Trinità und Bambino abzutun. Il momento di uccidere ist, wie gesagt, ein nicht immer gelungener, aber immer interessanter Gothic Spaghetti von großer Eigenständigkeit.

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¹ Was Bull betrifft, müsste man eigentlich von einem Schrotflintenhelden sprechen, denn das ist seine bevorzugte Waffe.

² Man beachte die Namen wie Camelot, Regina und Forrester: Die Königin (von Camelot?) wird von einem Förster entführt und gefangen gehalten – wie in einem Märchen. In der Artussage wird Königin Guinevere von Maleagant entführt und von Lancelot befreit. Für solche überraschenden Anspielungen liebe ich das Spaghetti-Genre. Allerdings: Wer glaubt, in Il momento di uccidere würde es zu einer Liebesgeschichte à la Lancelot und Guinevere kommen, wird eine Überraschung erleben.

³ Im Jahr darauf versuchte Carnimeo es in Sono Sartana, il vostro becchino erneut mit dieser Formel. Gianni Garko übernahm die Sherlock-, Frank Wolff die Watson-Rolle. Auch hier war Tito Carpi als Drehbuchautor beteiligt.

25.10.24

The Man Who Came Back (2008)

Deutscher Titel: Slave Story / Der Mann, der Rache nahm · Regie: Glen Pitre · Drehbuch: Chuck Walker · Musik: Phil Marshall · Kamera: Stoeps Langensteiner · Schnitt: Matthew Booth, Simon Carmody · Produktion: Gudegast Braeden Productions.

Thibodaux, Louisiana, Jahre nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs: Die Zeit der Reconstruction neigt sich dem Ende zu. Die weiße Pflanzeraristokratie hat ihre Macht erneut konsolidiert. Auf den Zuckerrohrplantagen arbeitet die schwarze Bevölkerung unter Bedingungen, die sich kaum von der Sklaverei unterscheiden.

Die Arbeiter*innen auf der Plantage von Richter Duke (George Kennedy) werden nicht in baren Dollars bezahlt, sondern in Gutscheinen, die sie nur in dem überteuerten company store des Richters einlösen können. Wenn sie die Plantage verlassen wollen, um sich woanders Arbeit zu suchen, werden sie mit Gewalt daran gehindert. Als der Richter erneut die Lebensmittelpreise anzieht, treten die Arbeiter*innen in den Streik.

Als der weiße Vorarbeiter Reese Paxton (Eric Braeden) versucht, mäßigend auf den Boss einzuwirken, wird er kurzerhand gefeuert. Billy Duke (James Patrick Stuart), der Sohn des Richters, lyncht gemeinsam mit dem Sheriff (Armand Assante) und dem Pfarrer (Al Hayter) einen der streikenden Arbeiter. Anschließend beschuldigt er Reese, den Lynchmord begangen zu haben. Reese wird von einem kangaroo court unter dem Vorsitz des Richters angeklagt und aufgrund der Falschaussage der Pflanzersfrau Kate (Sean Young) verurteilt.

Reese wird in ein Straflager inmitten der Sümpfe verschleppt, wo der sadistische Gefängnisdirektor (Peter Jason) über Leben und Tod herrscht. Nachdem er Folter und Qualen aller Art überstehen muss, gelingt es Reese zu fliehen. Er kehrt nach Thibodaux zurück, wo Billy Duke inzwischen zum Bürgermeister gewählt wurde. Und Reese nimmt Rache: an den Dukes, an der meineidigen Kate, am Sheriff und am Pfarrer.

Wenn man will, kann man mit The Man Who Came Back Bingo spielen: Exploitation? Check. Es gibt nicht nur ausgedehnte Peitsch- und Lynchszenen auf der Plantage, sondern es wird auch genüßlich gezeigt, wie Reese im Straflager geprügelt, angepinkelt, an den Armen aufgehängt und beinahe ertränkt wird. So unglaubwürdige wie vorhersehbare Rachegeschichte? Check. Schließlich wird Reese von einem alternden Soap-Opera-Darsteller gespielt, bei dem man sich schon fragen kann, woher sein Charakter die Skills zum Überleben hat, die er für all das benötigt. White saviour narrative? Check. Der weiße Vorarbeiter ist der allein handlungsmächtige Held. 

The Man Who Came Back basiert lose auf einem historischen Ereignis: Im November 1887 kam es zu einem organisierten Massenstreik von schwarzen Arbeiter*innen auf louisianischen Zuckerrohrplantagen. 10.000 Menschen legten die Arbeit nieder. Die Pflanzeraristokratie reagierte mit brutaler Repression. Der Gouverneur Louisianas, selber ein Pflanzer, mobilisierte Militär gegen die Streikenden. In der Stadt Thibodaux organisierte Richter Taylor Beattie das Peace and Order Committee, eine weiße Miliz, die 50 Menschen ermordete. Beattie ist das Vorbild für den Richter Duke des Films. Mit dem historischen Ablauf hat die Darstellung des Films allerdings kaum etwas gemein. Die Geschichte gibt lediglich den Hintergrund für die generische Rache-Story ab und legt wenig Wert auf Authentizität.

The Man Who Came Back ist also kein guter Film. Wirklich nicht. Er ist allerdings auch (in einem bestimmten Sinn) kein völlig schlechter Film. Dann nämlich, wenn man ihn mit zeitgenössischen Dixie-Geschichtspornos wie The Last Confederate (2007) oder Field of Lost Shoes (2014) vergleicht. Diese Filme sind nichts als lilienweißer Revisionismus, die dem konservativen Amerika mit ihrer Verharmlosung der Sklaverei schmeicheln wollen. Angesichts der Tatsache, dass es solche Machwerke überhaupt gibt, muss man The Man Who Came Back zugute halten: Er versucht wenigstens, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen. Die Dukes, der Sheriff, der Pfarrer und der Knastdirektor sind rassistische, ausbeuterische, brutale Arschlöcher und werden auch so gezeigt – ein von der neo-konföderalen Ideologie geprägter Film hätte hingegen versucht, sie als Sympathieträger darzustellen. 

Interessanterweise ist The Man Who Came Back nicht anders als die genannten Lost-Cause-Filme ein vanity project, das von Hauptdarsteller Braeden gemeinsam mit seinem Sohn Christian Gudegast produziert wurde. Offenbar wollte Braeden auf seine alten Tage unbedingt noch mal einen athletischen Helden mimen. Um zusätzlich einen einigermaßen bekannten Namen vor das Braeden-Vehikel zu spannen, wurde Billy Zane engagiert, der eine komplett überflüssige Nebenrolle als einziger Yankee von Thibodaux spielt. Aber ich habe lieber ein vanity project, das sich (bei allen Unzulänglichkeiten) gegen die Ausbeutung und Versklavung von Menschen stellt, als eines, das Sklaverei und Herrenmenschentum glorifiziert.