18. Februar 2025

Der letzte Mohikaner (1965)

Regie: Harald Reinl · Drehbuch: Joachim Bartsch · Musik: Peter Thomas · Kamera: Ernst Kalinke · Schnitt: Hermann Haller · Produktion: International Germania Film.

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Gleich nach dem Kassenerfolg von Der Schatz im Silbersee (1962) plante der Constantin-Filmverleih, neben den Karl-May-Flicks ein weiteres Western-Franchise zu etablieren. Coopers Leatherstocking Tales boten sich dafür an. Sie waren gemeinfrei und beim deutschen Publikum so bekannt wie beliebt, allerdings meist in Form von gekürzten, »für die Jugend bearbeiteten« Übersetzungen. Die Originale kannte so gut wie niemand. Für eine Verfilmung war das nicht unbedingt ein Nachteil, denn es bedeutete, dass man mit den Vorlagen relativ frei umgehen konnte. Wenn man es nicht übertreibt.

Am Ende dauerte es dann etwas länger (Stammregisseur Reinl war mit den May-Filmen und anderen Projekten vollauf beschäftigt) und anstelle eines Franchise wurde nur ein Film realisiert.¹ Warum es so kam, weiß ich nicht. Der allzu freie Umgang mit der Vorlage lässt mich aber vermuten, dass die Constantin selber nicht wirklich wusste, was sie mit dem Cooper-Stoff eigentlich anfangen wollte.

Mit der Herstellung beauftragt wurde die Firma International Germania Film, die auf deutsch-spanische Koproduktionen spezialisiert war. Gedreht wurde in Spanien. Wohl um den Film näher an die Karl-May-Welle heranzuführen, verlegte man die Handlung in die Zeit nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg in den fernen Westen.² Aus den Rotröcken der Vorlage wurden Soldaten der U.S. Cavalry. Aus den Franzosen wurde eine Bande von Outlaws. Die wichtigsten Figuren wurden (mit leichten Namensänderungen) übernommen. So weit passt das auch. Offen bleibt aber die Frage, wie es die mohikanischen und huronischen Ureinwohner*innen aus Coopers Roman in diese Zeit und diese Gegend verschlagen haben soll.

Der Film beginnt mit dem Angriff der Krieger Maguas (Ricardo Rodríguez) auf das Zeltdorf der Mohikaner*innen. Diese haben aus Maguas Sicht Verrat geübt, weil sie mit den Weißen in Frieden leben. Als einzige entgehen der mohikanische Häuptling Chingachgook (Mike Brendel) und sein Sohn Unkas (Daniel Martín) dem Tod. Doch Chingachgook erliegt bald seinen schweren Verletzungen. Unkas zieht mit seinem weißen Freund Falkenauge (Anthony Steffen) los, um sich an Magua zu rächen.

Magua hat sich mit dem Banditen Roger (Stelio Candelli) und seiner Gang verschworen. Gemeinsam überfallen sie einen Transport der Kavallerie, der aus einem Wagen voller Gold und einem Wagen voller Schießpulver besteht. Das Schießpulver fällt ihnen in die Hände. Der Wagen mit Gold wird von einigen überlebenden Kavalleristen in die stark befestigte Ranch von Oberst Munroe (Carl Lange) gerettet. Fortan belagern Maguas Krieger und Rogers Banditen die Ranch.³

Magua fängt eine Botschaft an Oberst Munroe ab: Seine Töchter Cora (Karin Dor) und Alice (Marie France) befinden sich auf dem Weg zur Ranch, wurden aber durch eine beschädigte Brücke aufgehalten. Begleitet werden sie von einer Kavallerie-Eskorte unter dem Befehl von Hauptmann Bill Hayward (Joachim Fuchsberger). Magua gibt sich gegenüber Hayward als Scout aus, der von Oberst Munroe geschickt wurde, um die Reisenden auf sicherem Weg durch eine Schlucht zur Ranch zu führen. In der Schlucht liegen natürlich Maguas Krieger im Hinterhalt. Das rechtzeitige Eintreffen Unkas’ und Falkenauges verhindert ein Gemetzel.

Es gelingt den Verbündeten, sich durch den Belagerungsring zur Ranch durchzuschlagen. Jedoch plant Roger, mit dem erbeuteten Schießpulver eine oberhalb von Munroes Anwesen gelegene Klippe zu sprengen, um den Palisadenzaun der Ranch durch eine Steinlawine zu zerstören ...

Abgesehen von den bereits erwähnten Abweichungen fällt auf, wie sehr Unkas und Falkenauge auf Winnetou und Old Shatterhand getrimmt sind. Sogar ihre Synchronsprecher (Thomas Eckelmann und Horst Niendorf) sind die von Pierre Brice und Lex Barker. Ebenso wie Winnetou redet Unkas gern in der dritten Person; häufig ist sein »Herz betrübt«, wenn Uneinigkeit unter Indigenen und Weißen herrscht. Einen bemerkenswerten Unterschied gibt es aber: Unkas steht klar im Mittelpunkt. Während Winnetou und Shatterhand als gleichberechtigtes Duo auftreten, ist hier Unkas der Protagonist. Falkenauge bleibt eine ziemlich schwach konturierte Nebenfigur. Sein Darsteller Anthony Steffen (in seiner ersten Westernrolle) darf nur wenige Dialogzeilen sprechen.

Das wirft die Frage auf: Wenn Der letzte Mohikaner als Auftakt zu einem Franchise gedacht war, wie hätte dieses aussehen sollen? Entsprechend der Vorlage stirbt Unkas am Ende des Films. Ganz und gar nicht entsprechend der Vorlage ist sein Vater Chingachgook zu Beginn nur einige Minuten lang zu sehen, bevor er ebenfalls stirbt. Wer hätte also in einer möglichen Fortsetzung die Hauptfigur sein sollen? Etwa Falkenauge, der hier kaum als eigenständiger Charakter realisiert ist? Insofern wundert es mich nicht, dass es nie zu einer Fortsetzung kam. Der Film gibt einfach nichts her, woran ein Sequel hätte anknüpfen können.

Wobei dieser Letzte Mohikaner auch seine imposanten Seiten hat. Die für Harald Reinl typische Pyrotechnik im großen Stil ist etwas, wovon etwa die meisten zeitgenössischen Spaghetti-Produktionen nur träumen konnten. All das hätte man aber auch dann umsetzen können, wenn man etwas näher an Coopers Fabel geblieben wäre. Ohnehin war der Markt für Sauerkraut-Western übersättigt. Allein im Jahr 1965 liefen in Westdeutschland sieben Karl-May-Filme im Kino an. Im Jahr darauf war dann schon eine gewisse Publikumsmüdigkeit festzustellen, etwa bei der lauwarmen Rezeption von Georg Marischkas Vermächtnis des Inka oder Peter Alexanders Ausflug in den Wilden Westen.

Statt einer Fortsetzung gab es andere Versuche, Cooper als Eurowestern zu verfilmen. Im gleichen Jahr 1965 spielte Daniel Martín erneut den Uncas (so die eigentliche Schreibweise) in einer spanisch-italienischen Low-Budget-Produktion, an der Seite von Jack Taylor, Luis Induni und Paul Muller. Zwei Jahre später zog die DEFA mit einer Verfilmung von The Deerslayer nach, in der (natürlich) Gojko Mitić als Chingachgook zu sehen war und wesentlich werkgetreuer vorgegangen wurde. 1969 folgte noch eine ZDF-Serie, die in deutsch-französischer Koproduktion entstand.⁴

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¹ So denn wirklich ein Franchise daraus werden sollte. Ich entnehme diese Informationen der deutschsprachigen Wikipedia, die an dieser Stelle leider keinen direkten Beleg angibt. Es gibt aber wenig Grund, daran zu zweifeln. Der westdeutschen Filmindustrie war es nur recht, wenn sie aus einem erfolgreichen Film gleiche eine Reihe von Filmen machen konnte – ob die Vorlage nun von Karl May oder Edgar Wallace stammte.

² Coopers Roman spielt während des Siebenjährigen Kriegs im heutigen Bundesstaat New York.

³ Ich vermute, dass Munroe in dieser Verfilmung ein pensionierter Oberst sein soll und deshalb auf einer Ranch lebt. Deren Kulisse hätte allerdings ebenso gut ein Kavallerie-Fort darstellen können, mit Munroe als Kommandanten. Was auch immer man sich dabei gedacht hat ...

⁴ An dieser Stelle lohnt sich der Hinweis, dass es schon viel früher eine deutsche Cooper-Verfilmung gab. 1920 lief mit Lederstrumpf ein zweiteiliger Film von Arthur Wellin im Kino. In der Rolle des Chingachgook war kein geringerer als Bela Lugosi zu sehen. Die Außenaufnahmen entstanden an einem Brandenburger See südlich von Berlin. Entsprechend dem Brauch der Stummfilmzeit, deutsche Western nach ihrem Drehort zu unterscheiden (man sprach von Neckar-Western und Isar-Western), muss man Lederstrumpf wohl als märkischen Western betrachten. Der erste Teil des Films ist in einer Fassung mit englischen Texttafeln erhalten. Der jüdische Regisseur Wellin wurde in den 1940er Jahren von den Nazis ermordet.

26. Januar 2025

The Texas Rangers (1951)

Deutscher Titel: Grenzpolizei in Texas · Regie: Phil Karlson · Drehbuch: Richard Schayer · Musik: Paul Sawtell · Kamera: Ellis W. Carter · Schnitt: Al Clark · Produktion: Columbia Pictures.

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Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg haben sich in Texas zahllose Desperados festgesetzt. Im Jahr 1874 ist es dann soweit: Die Unionstruppen sind abgezogen und – geführt von Major John B. Jones (John Litel) – werden die Texas Rangers neu aufgestellt. Die Outlaws bündeln daraufhin ihre Interessen. Sam Bass (William Bishop) lädt zu einer Gipfelkonferenz ein, an der nahezu alle berüchtigten Gesetzlosen teilnehmen: John Wesley Hardin (John Dehner), Dirty Dave Rudabaugh (Douglas Kennedy), Sundance Kid (Ian Macdonald), Butch Cassidy (John Doucette) und Duke Fisher (Jock Mahoney).¹ Die Versammelten gründen die Long Riders Protective Association und wählen Sam Bass per Akklamation zum Präsidenten – nachdem Bass den anderen Kandidaten mit dem Revolver durchlöchert hat.

Major Jones verfällt angesichts dieser Entwicklung auf die Idee, Outlaws mit Outlaws zu bekämpfen. Er lässt Johnny Carver (George Montgomery) und Buff Smith (Noah Beery Jr.) aus dem Gefängnis holen. Beide saßen wegen eines Banküberfalls in Waco ein, aber, so beeilt sich der Film zu erklären, sie sind anders als Bass & Co. keine Kriminellen aus Überzeugung, sondern nur wegen der in der Nachkriegszeit herrschenden Not auf die schiefe Bahn geraten. Jones lässt Johnny und Buff als Ranger vereidigen und setzt sie auf Bass und seine Truppe an. Bei den Rangern treffen die beiden auch auf Johnnys kleinen Bruder Danny (Jerome Courtland), der sein Glück kaum fassen kann, dass Johnny wieder auf die Seite von Recht und Ordnung zurückgekehrt ist.

Dannys Enthusiasmus ist allerdings nicht ganz gerechtfertigt. Johnny will die Gelegenheit nutzen, um Rache an Sundance Kid zu üben, der ihn bei dem Banküberfall in Waco hintergangen hat, und sich anschließend aus dem Staub machen. Jedoch gerät Johnny, nachdem er Sundance umgelegt hat, gemeinsam mit Buff und Danny in eine Schießerei mit weiteren henchmen der Bass-Gesellschaft. Dabei wird Danny von einer Kugel getroffen, die für Johnny bestimmt war, und stirbt in den Armen des älteren Bruders.

Johnny schwört erneut Rache. Zum Schein schließt er sich Sam Bass an. Der weiß nichts von der Bedeutung, die Dannys Tod für Johnny hat, denn Danny war (wegen der Haftstrafe seines Bruders) unter falschem Namen den Rangern beigetreten. Bass plant seinen größten Coup: Die Bundesregierung schickt einen Zug aus dem Norden, beladen mit Geld, das die darniederliegende Wirtschaft von Texas ankurbeln soll. Bass will mit seinen Leuten den Zug überfallen. Johnny wiederum will den Coup nutzen, um die ganze Bande auf einmal unschädlich zu machen. Buff fungiert als geheimer Bote zwischen Johnny und Major Jones, wird aber von Dave Rudabaugh erwischt und vor Johnnys Augen erschossen. Johnnys Tarnung droht aufzufliegen ...

The Texas Rangers ist ein für Fifties-Verhältnisse relativ harter Western, in dem ziemlich viel gewaltsam gestorben wird. Mit seinem moralisch nicht immer ganz sauberen Helden, seinen double crossings und vor allem seinen höchst theatralischen Antagonisten nimmt er andeutungsweise den Italowestern vorweg. Die campy Idee, die legendären Outlaws des Westens eine Liga der Superschurken gründen lassen (ganz wie Comic-Bösewichter), finde ich besonders unterhaltsam. Insbesondere William Bishop als Sam Bass und John Dehner als John Wesley Hardin spielen ihre Rollen mit dem entsprechenden Flair.

Für die tatsächlichen Biographien seines Schurken-Ensembles interessiert der Film sich dabei wenig.² Auch was die Geschichte der Texas Ranger und insbesondere ihres Neugründers John B. Jones (1834–81) angeht, schweigt er sich über die unappetitlichen Details aus: Der historische Jones war ein Sklavenhalter, der es in der konföderierten Armee zum Major brachte. Nach dem Krieg ging er kurzzeitig nach Mexiko, wo er eine Kolonie für fanatische Sezessionist*innen gründen wollte, die sich mit dem Sieg der Union nicht abfinden konnten – ein Unternehmen, das natürlich scheiterte.

Als leading lady tritt übrigens Gale Storm auf, die zu Beginn des Films zwei Szenen hat, dann aber vom Drehbuch für ungefähr 45 Minuten völlig vergessen wird. Danach taucht sie pflichtgemäß wieder auf und verguckt sich in den Helden Johnny. Solche uninspirierten, im Grunde vernachlässigbaren Frauenrollen waren es, die (leider) dazu führten, dass im Jahrzehnt darauf so viele Spaghetti-Produktionen in einer reinen Männerwelt spielten.

Dennoch weiß The Texas Rangers zu unterhalten, denn seine interessanten Figuren sind ohnehin alle auf der Seite der villains zu finden, zu denen es den Protagonisten ja nicht umsonst immer wieder hinzieht. Filme wie dieser, die budgetmäßig eher am unteren Ende der Skala angesiedelt waren und die Handlung auf essentielle Motive beschränkten, stellen zudem ein wichtiges, aber oft unterschätztes Bindeglied zwischen den seriellen B-Western der dreißiger und vierziger Jahre und den Eurowestern der sechziger Jahre dar.

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¹ Ich vermute, mit letzterem ist King Fisher (1853–84) gemeint.

² Insbesondere Butch und Sundance passen schlecht in diese Gang, denn zu der Zeit, in der The Texas Rangers spielt, waren sie noch Kinder.

18. Dezember 2024

All’ultimo sangue (1968)

Deutscher Titel: Den Geiern zum Fraß · Regie: Paolo Moffa · Drehbuch: Enzo Dell’Aquila · Musik: Nico Fidenco · Kamera: Franco Villa · Produktion: Società Ambrosiana Cinematografica.

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Paolo Moffa war hauptberuflich Filmproduzent. Mit seiner Firma S.A.C. verschaffte er einer Anzahl Italowestern die Finanzierung. 1968 brauchte er offenbar seinerseits dringend Geld und beschloss daher, selbst bei einem Western Regie zu führen – oder zumindest so zu tun, als führte er Regie.

Billy the Gun (Giovanni Cianfriglia) und seine Bande überfallen den Geldtransport einer Bank. Dann nehmen die Gangster die Identität der Bankangestellten an und rauben der US-Kavallerie eine größere Menge Gold. Die Army möchte ihre Peseten zurück haben und beauftragt Captain Clive Norton (Craig Hill) mit der Verfolgung von Billy & Co. Norton stellt nur eine Bedingung: Er will Ted Hunter, genannt El Chaleco (Ettore Manni), als Begleiter. Der hat mit Billy nämlich noch ein Hühnchen zu rupfen. Chaleco soll allerdings als Deserteur gehängt werden. Mit dem stillschweigenden Einverständnis seines vorgesetzten Offiziers (Luciano Doria) rettet Norton Chaleco vor dem Galgen und reitet mit ihm davon. Es folgt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden, das deutlich von Tucos und Blondies Durchquerung der Wüste in The Good, the Bad and the Ugly, ähem, ›inspiriert‹ ist. Als Norton endlich verrät, was das Ziel ihrer Unternehmung ist, erklärt sich Chaleco sofort bereit, ihn auf der Suche nach Billy zu unterstützen. Preisfrage: Warum hat Norton ihm das nicht einfach gleich gesagt?

Billy the Gun und seine Kumpane vertreiben sich unterdessen die Zeit damit, einen armen peón und seine Frau zu quälen. Norton und Chaleco werden aufgehalten, weil sie dem mexikanischen Outlaw Cordero (Francesco Santovetti) und seinen Jungs in die Hände fallen. Cordero lässt die beiden Helden der Army gefesselt und nur in ihre Union Suits gekleidet am Boden anpflocken. Zwischen ihnen stellt er eine Schale Milch auf, um Giftschlangen anzulocken. Im letzten Moment werden sie von zwei des Weges daherkommenden Fremden gerettet, denen sie Kleidung und Pferde stehlen, um Cordero nachzureiten. Wieder eine von einem Vorbild ›inspirierte‹ Szene – diesmal sind es zwei Episoden aus La resa dei conti, die miteinander kombiniert werden.

Angekommen in Corderos Heimatort San Pablito, vereinbaren Norton und Chaleco mit den Mexikanern einen Deal. Sie sollen ihnen gegen Billy beistehen und dafür einen Teil des Schatzes bekommen. Billy & Co. haben sich in einem alten Bergwerk versteckt. Von dort aus wollen sie zu geeigneter Zeit über die Grenze nach Mexiko fliehen. Chaleco schleicht sich ins Bergwerk und vermint es mit Dynamit. Dann klärt er Billy und seine Freundin Consuelo (José Greci) über die Situation auf: Gleich geht der Stollen in die Luft, und Cordero steht mit seinen Leuten zum Angriff bereit. Billy zögert nicht lang. Er lässt seine Bande im Stich und schafft mit Consuelo und Chaleco das Gold aus dem Bergwerk.

Draußen fordert Chaleco Billy zum Duell auf. Mittlerweile hat sich herausgestellt: Billy und Chaleco sind Brüder. Consuelo ist mit Chaleco verheiratet. Billy hat ihr weisgemacht, Chaleco sei tot, und sie gezwungen, mit ihm zu kommen. Chaleco und Billy liefern sich einen Zweikampf mit Messern, doch der verräterische Billy (der ja nicht grundlos »the Gun« heißt) schnappt sich einen Revolver und legt auf Chaleco an ...

Als erstes fällt an diesem Flick auf, dass er nicht nur einzelne Szenen aus verschiedenen Genre-Klassikern imitiert, Moffa bedient sich anderer Filme auch noch auf viel direktere Weise: Die Szene mit dem Überfall auf den Banktransport zu Beginn stammt aus Starblack. Der Raub des Army-Goldes gleich darauf ist aus Per il gusto di uccidere. Später kommt noch Material aus 4 dollari di vendetta hinzu. Es ist Footage aus anderen Filmen, mit dem Moffa sein eigenes Machwerk großzügig auspolstert. Durch die sehr unterschiedlichen Landschaften, in denen das jeweilige Material fotografiert wurde, fällt der Schwindel sofort ins Auge.

Der Plot ist bietet kaum Überraschungen: Alle sind hinter dem Gold her, es gibt wechselnde Allianzen, eine mexikanische Bande reitet immer mal wieder in die Handlung hinein und wieder hinaus, Rache kommt natürlich auch vor. Im ganzen Film treten nur zwei Frauen auf, die beide vom Hauptschurken Billy erschossen werden. Noch vorhersehbarer wird die Sache dadurch, dass es immer wieder (in diesem Fall von Moffa selbst gedrehte) Szenen gibt, in denen Norton und Chaleco durch die Gegend reiten und darüber reden, was sie als nächstes tun werden. Mit Hilfe dieses Füllmaterials schafft es Moffa, den Film auf fast 100 Minuten auszuwalzen. Die Handlung hätte allerdings auch in der Hälfte der Laufzeit bequem Platz gefunden.

Angesichts der dreisten Klauerei, der generischen Story und der problematischen weiblichen Rollen ist es nicht verwunderlich, dass All’ultimo sangue regelmäßig mit Spott und Ablehnung bedacht wird. Aber der Vollständigkeit halber muss gesagt werden: Es ist kein komplett misslungener Film. Hin und wieder weist er unerwartete Momente auf, die für sich genommen recht vielversprechend sind. Dazu gehört der Spaghetti-untypisch mit dem Messer ausgetragene Zweikampf zwischen Chaleco und Billy. Dazu gehört, wie sich die Rolle des Protagonisten im Laufe des Films in unerwarteter, aber folgerichtiger Weise von Craig Hill auf Ettore Manni verlagert. Und auch, dass der völlig unbekannte Darsteller Francesco Santovetti mit seinen hageren Gesichtszügen als mexikanischer Bandit ein gar nicht so schlechtes Bild abgibt.¹ Zudem ist die Musik von Nico Fidenco besser, als sie eigentlich sein dürfte.

Für mich folgt daraus, dass Moffa sich besser mal ein*e Regisseur*in gesucht hätte, statt sich diese Position selbst anzumaßen. Jemand mit der nötigen Erfahrung hätte die Geschichte packender erzählen können, und hätte hoffentlich gewusst, dass Frauen in Filmen keine Staffage sind, sondern Schauspielerinnen, die es verdient haben, eine Rolle zu spielen. Und die peinliche Sache mit dem geklauten Footage hätte sich dann vielleicht auch erledigt. Insofern: schade eigentlich.

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¹ Dass der stock character des mexikanischen Bandenchefs hier Cordero heißt, ist für sich genommen auch recht lustig (el cordero = das Lamm).

9. Dezember 2024

The Deerslayer (1957)

Deutscher Titel: Lederstrumpf – Der Wildtöter · Regie: Kurt Neumann · Drehbuch: Kurt Neumann, Dalton Trumbo, Carroll Young · Musik: Paul Sawtell, Bert Shefter · Kamera: Karl Struss · Schnitt: Jodie Copelan · Produktion: 20th Century Fox.

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Wildtöter (Lex Barker) und Chingachgook (Carlos Rivas) stehen dem weißen Händler Harry March (Forrest Tucker) bei, als dieser von Kriegern der Huronen überfallen wird. March erklärt, er sei auf dem Weg zu einem weißen Jäger namens Tom Hutter (Jay C. Flippen), mit dem er Geschäfte habe. Wildtöter und Chingachgook begleiten March zu Hutter, der mit seinen Töchtern Judith (Cathy O’Donnell) und Hetty (Rita Moreno) in einem Hausboot auf dem Lake Otsego lebt. Hutter erwartet, in Kürze ebenfalls von den Huronen angegriffen zu werden. Wildtöter und Chingachgook können sich aus den Geschichten des eigenbrötlerischen alten Mannes nicht so recht einen Reim machen. Er behauptet, ›Felle‹ an March zu verkaufen, aber nirgendwo auf dem Hausboot sind zum Trocknen aufgehängte Felle zu sehen. Außerdem hegt er einen fanatischen Hass auf alle Indigenen (Chingachgook eingeschlossen) und scheint es nicht zu mögen, Fremde bei sich zu beherbergen – auch dann nicht, wenn diese Fremden ihm gegen die Huronen beistehen wollen. Wildtöter und Chingachgook bleiben dennoch, nicht zuletzt, um herauszufinden, warum die Huronen es überhaupt auf Hutter abgesehen haben. Bald wird den beiden klar: Die ›Felle‹, mit denen Hutter sein Geld macht, stammen von Menschen. Er hat sich die Huronen zum Feind gemacht, weil er Skalpjäger ist.

Der aus Nürnberg stammende Regisseur Kurt Neumann ging zu Beginn der dreißiger Jahre nach Hollywood. In der Frühzeit des Tonfilms war es mangels fortgeschrittener Synchronisationstechnik üblich, Filme für die internationale Vermarktung in mehreren Sprachversionen zu drehen, manchmal sogar mit unterschiedlichem Cast.¹ Das war zunächst auch Neumanns Job: Er führte Regie bei den deutschsprachigen Fassungen, die die Studios für ihre Filme wünschten. Recht schnell etablierte sich Neumann jedoch als Genre-Regisseur aus eigenem Recht: Er drehte Komödien, Tarzanfilme und später SF-Streifen wie The Fly mit Vincent Price.

In den fünfziger Jahren realisierte Neumann mit Hiawatha (1952), Mohawk (1956) und dem hier besprochenen Deerslayer eine Reihe von Western, die auf naive Weise versuchten, die Perspektive der Indigenen zur Darstellung zu bringen (was allerdings nicht bedeutet, dass indigene Cast- oder Crew-Mitglieder an der Produktion beteiligt gewesen wären). Ein aus heutiger Sicht merkwürdiger Aspekt der zeitgenössischen Rezeption dieser Filme ist, dass ihnen »kommunistische Tendenzen« (mithin Antiamerikanismus) vorgeworfen wurden. Tatsächlich waren mit Arthur Strawn und Dalton Trumbo Drehbuchautoren involviert, die in Hollywood auf der antikommunistischen Schwarzen Liste standen. Bizarr ist es dennoch, denn die betreffenden Filme sind ungefähr so antiamerikanisch wie Seifenopern oder Thanksgiving-Feiern – nämlich überhaupt nicht. Eher könne man ihnen vorwerfen, dass die Schilderung der Konflikte zwischen Indigenen und Siedler*innen in einem zu versöhnlichen Ton gehalten ist, als dass sie dem Thema gerecht werden könnten. Gerade wegen dieser Versöhnlichkeit wurde den Filmen allerdings »Pazifismus« unterstellt, und in der aufgeheizten Atmosphäre der McCarthy-Ära war Pazifismus offenbar gleichbedeutend mit Kommunismus.

Aber zurück zu The Deerslayer. Der hatte insbesondere in Deutschland eine ausgesprochen wechselhafte Geschichte. Zunächst wurde der etwa 80 Minuten lange Film für die deutschen Kinos auf magere 60 Minuten zusammengekürzt. Später wollte das ZDF ihn zeigen, hatte aber anscheinend zu viel Sendezeit zur Verfügung. Jedenfalls fand man in Mainz, dass 60 Minuten zu kurz waren. Statt sich um eine vollständige Kopie zu bemühen, schnitt man zu Beginn und in der Mitte des Films einige Szenen aus dem Sauerkraut-Western Die schwarzen Adler von Santa Fe (1965) hinein und erreichte damit eine Laufzeit von 75 Minuten. Doof nur, dass The Deerslayer in den 1740er Jahren an den Quellen des Susquehanna River spielt, während die Handlung von Die schwarzen Adler ungefähr 120 Jahre später in der Comanchería angesiedelt ist.

Um die eigentliche Filmhandlung mit den neu eingefügten Szenen zu verknüpfen, wurde eine neue Synchronisation erstellt. Treuherzig erklärt eine Erzählstimme aus dem Off (Hans Müller-Trenck) immer dann, wenn zu dem Material aus Die schwarzen Adler geschnitten wird, die folgenden Szenen spielten »weiter im Süden«. Natürlich kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass nichts daraus irgendetwas mit der Haupthandlung von The Deerslayer zu tun hat. Fabriziert hat den ganzen Spaß der Dokumentarfilmer Hans Schipulle, der in der ZDF-Fassung unter dem Pseudonym Clint Reinard als Co-Regisseur genannt ist. Und um der Sache die Krone aufzusetzen, wurde sie als »Extended Version« des Films auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.

Weiß man über diese Geschichte Bescheid, wirkt die ZDF-Version eher erheiternd. Es ist, als würde man einen Film mit Werbeunterbrechungen ansehen, in denen der Trailer für einen anderen Film läuft. Weiß man es nicht und hält die angebliche »Extended Version« für authentisch, wird man vermutlich vor allem irritiert sein. Jedenfalls ist es im Zweifel besser, auf die gekürzte 60-Minuten-Fassung zurückzugreifen. Die ist zwar unvollständig, aber es ist dennoch zu erahnen, dass The Deerslayer als Cooper-Verfilmung gar nicht mal so schlecht ist. Im Vergleich zu Mohawk, Neumanns unfreiwillig komisch geratenem Flick aus dem Vorjahr, wartet The Deerslayer mit einigen gelungenen Ansätzen auf.

Coopers Geschichte wurde für die Adaption an einigen Punkten geändert, auf nicht uninteressante Weise. So hat die Figur der Hetty anders als im Roman keine geistige Behinderung, jedenfalls nicht im klinischen Sinn. Hutter redet ihr dennoch ein, dass sie »nicht ganz richtig im Kopf« sei, um ihr Autonomiestreben einzuschränken. Denn Hetty streift gern im Wald umher und fühlt sich dabei wohler als auf dem Hausboot des vom Hass zerfressenen Hutter mit seiner Belagerungsmentalität. Am Ende stellt sich heraus, dass der Alte sie belogen hat – Hutter hat sie als Baby aus einem indigenen Dorf geraubt, damit seine leibliche Tochter Judith eine Spielgefährtin hat. Diese Umkehrung eines typischen Western-Motivs (an die Stelle des von Indigenen entführten weißen Mädchens tritt ein indigenes Mädchen, das von einem Weißen entführt wurde), das ihm Jahr zuvor durch The Searchers ausgesprochen bekannt wurde, hätte ich einem Film wie diesem gar nicht zugetraut.²

Überhaupt ist Rita Moreno hinreißend. Auch Jay C. Flippen gibt den psychopathischen alten Skalpjäger auf überzeugende Weise, besonders in der Interaktion mit Forrest Tucker. Sie spielen Hutter und March so, dass beide sich nicht ausstehen können, aber aufgrund ihrer Gier und Furcht vor den Huronen geht es auch nicht ohne einander. March, der mit Judith verlobt ist, sieht diese zunächst als bloßes Mittel, um umso besser am einträglichen Skalpgeschäft ihres Vaters partizipieren zu können.

Im Vergleich zu diesem Ensemble mit all seinen pathologischen Verstrickungen bleibt Lex Barker, der ohnehin kein großer Schauspieler war, ein ziemlich blasser, austauschbarer Wildtöter. Und Carlos Rivas’ Rolle als Chingachgook ist lediglich die eines wenig eigenständigen Sidekicks. Das mag auch daran liegen, dass etwa 20 Minuten des ursprünglichen Films fehlen. So gilt: Moreno, Flippen und Tucker sind es, die hier die Show stehlen.

Während die Neuerung, aus Hetty Hutter ein geraubtes indigenes Kind zu machen, eine gelungene Aktualisierung darstellt, ist das Ende des Films, das ebenfalls von Coopers Vorlage abweicht, in meinen Augen etwas konfliktscheu geraten. Dabei kommt die bereits angesprochene versöhnliche Haltung voll zum Tragen. Die sieht in diesem Fall vor, dass es einen redemptive arc geben muss, nämlich für Harry March. Ich muss gestehen, es hätte mir besser gefallen, wenn March am Ende die Rechnung für sein Verhalten präsentiert worden wäre. Insgesamt war Neumanns Deerslayer für mich aber interessanter, als ich erwartet hätte: Ich würde gern mal die Original-Kinofassung sehen.

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¹ Das bekannteste Beispiel dafür stellen die englische und die spanische Version von Universals Dracula (1931) dar.

² 1960 erzählte John Huston in The Unforgiven eine ähnliche Geschichte, wobei er versuchte, Neumanns Kintopp durch ernsthaftes Drama zu ersetzen.

1. Dezember 2024

Spagvemberfest 2024

»30 Coffins Won’t Be Enough«

  1. Una pistola per Ringo (1965) von Duccio Tessari
  2. Ringo del Nebraska (1966) von Antonio Román
  3. I giorni della violenza (1967) von Alfonso Brescia
  4. Su le mani, cadavere! Sei in arresto (1971) von León Klimovsky
  5. La resa dei conti (1967) von Sergio Sollima
  6. Il mercenario (1968) von Sergio Corbucci
  7. Dio perdona ... io no! (1967) von Giuseppe Colizzi
  8. Zorro (1975) von Duccio Tessari
  9. Ringo – Il volto della vendetta (1967) von Mario Caiano

Spagvemberfest 2025

18. November 2024

I giorni della violenza (1967)

Deutscher Titel: Sein Wechselgeld ist Blei · Regie: Alfonso Brescia · Drehbuch: Mario Amendola, Antonio Boccacci, Gian Luigi Buzzi, Paolo Lombardo · Musik: Bruno Nicolai · Kamera: Fausto Rossi · Schnitt: Antonietta Zita · Produktion: Concord Film.

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Missouri während des Bürgerkriegs: Cowboy Hank (Lucio Rosato) belästigt Lizzy (Rosalba Neri), die Frau des foreman Clell Lee (Romano Puppo). Clells Bruder Johs¹ Lee (Peter Lee Lawrence) schreitet ein, und Lizzy und er verpassen Hank eine Abreibung. Von der Ranch vertrieben, kehrt Hank mit ein paar Spießgesellen zurück, um die Pferde des Ranchers Evans (Andrea Bosic) zu stehlen. Der Diebstahl kann jedoch mit Hilfe von Butch (Nello Pazzafini) verhindert werden. Butch ist Anführer einer Gruppe von Bushwhackers, die auf der Seite der Konföderierten einen Guerillakrieg gegen die Union führen. Butch hätte gern, dass Johs sich seiner Bande anschließt, doch der lehnt ab.

Johs hat auch anderes im Sinn. Er liebt Christine (Beba Lončar), die Tochter von Boss Evans, und sie liebt ihn. Der Rancher gibt sich zwar gern als glühender Anhänger von »the Cause«, aber hauptsächlich geht es ihm darum, seinen Besitz zusammenzuhalten. Wohl deshalb ist er nicht ganz abgeneigt, seine Tochter einen gewöhnlichen Cowboy wie Johs heiraten zu lassen.

Jedoch ist Hanks Rachsucht nach wie vor ungestillt. Er wendet sich an die Unionstruppen und behauptet, Evans’ Ranch diene als Versteck für Butch und seine Bande. Captain Clifford (Luigi Vannucchi) unternimmt daraufhin eine Razzia auf die Ranch. Zwar findet er keine Bushwhacker, aber er beschlagnahmt Evans’ Pferde und lässt Clell und Lizzy Lee tot im Staub zurück.

Notgedrungen schließt Johs sich nun doch den Bushwhackers an. Zwar geht es ihm gegen den Strich, dass Butch seine anti-unionistischen Unternehmungen mit Raubüberfällen finanziert, aber Butch macht ihn kurzerhand zum Mittäter.

Zwei Jahre später, nach dem Ende des Krieges, ist auf Johs’ Kopf eine Belohnung ausgesetzt. Auch Butch hat es geschafft, als Outlaw zu überleben. Clifford hingegen macht mit Hanks Unterstützung gute Geschäfte als Carpetbagger. Evans’ Ranch droht der Verfall. Seine vormals gehegten sezessionistischen Überzeugungen legt er ab, um sich mit den Yankees zu arrangieren. So kommt es ihm nicht ungelegen, dass Clifford um die Hand Christines anhält. Die hat aber weder den Mord an Clell und Lizzy noch ihre Liebe zu Johs vergessen.

Christine verlässt die Ranch und geht zu Johs, der gemeinsam mit Butch auf der Flucht vor Clifford und Hank ist. Christines Anwesenheit bewirkt das endgültige Zerwürfnis zwischen Johs und Butch, bevor es auf der Ranch zum großen Showdown kommt.

I giorni della violenza ist der Versuch, einen amerikanischen Bürgerkriegswestern auf Italienisch zu machen. Die Erzählweise, und auch die geschilderten moralischen Konflikte, sind ganz an den Hollywood-Vorbildern orientiert: Es geht um das Schicksal der Familien Evans und Lee, die durch den Krieg in ungeahnte Verstrickungen geraten. Johs Lee will sich zunächst auf keine Seite stellen, spricht von einem Bruderkrieg, wird aufgrund von Hanks Machenschaften zum Verfolgten und ergreift deshalb schließlich für den Süden Partei, ohne sich ganz mit ihm identifizieren zu können. Anders Rancher Evans, der zwar als Sezessionist anfängt, aber zwecks Bewahrung seiner Privilegien als Großgrundbesitzer keine Skrupel hat, sich mit dem Unionisten Clifford zu verbünden, sobald der Wind sich dreht. Christine Evans bleibt als Figur weitgehend passiv und richtet sich nach Johs.

Die Unionstruppen und ihre Verbündeten, verkörpert durch Clifford und Hank, werden als plündernde und mordende Invasoren dargestellt. Zwischentöne sucht man bei ihrer Charakterisierung vergeblich. Die Frage der Sklaverei wird weitgehend ausgeklammert. In einer Nebenrolle ist Harold Bradley als Nathan, Bediensteter auf der Evans-Ranch, zu sehen.² Es ist anzunehmen, dass Nathan ein Sklave ist, aber in dem Teil des Films, der nach Kriegsende spielt, ist er zu sehen, wie er weiterhin den Rancher bedient, ohne dass sein Verbleib in dieser Rolle irgendwie problematisiert wird.

Der Amerikanische Bürgerkrieg und seine Folgen waren im Spaghettiwestern, der sich für Historisches sonst ja nicht sonderlich interessierte, durchaus ein Politikum. Versprengte Trupps von konföderierten Soldaten, die auch nach dem Krieg das Kämpfen nicht sein lassen können oder sich in fememordende Banden (nach dem Vorbild des Ku Klux Klan) verwandeln, sind im Genre sehr häufig.³ Es ist unschwer zu erkennen, dass diese Darstellung von der Erfahrung des Faschismus beeinflusst ist. Mit Beginn der Bleiernen Jahre in Italien erwies sie sich als prophetisch, denn es zeigte sich, dass auch die neofaschistische Bewegung zu massiver terroristischer Gewalt in der Lage war.

In I giorni della violenza ist davon wenig zu merken. Mit seiner engen Orientierung an US-Vorbildern kauft er sich auch deren ganz anders geartete Ideologie ein, und zwar vor allem, indem er die Sklaverei ignoriert und die unionistische Seite stereotyp als Invasoren und Geschäftemacher hinstellt. Übrigens verwendet der Film einige Mühe darauf, historisch fundiert aufzutreten. Zu Beginn wird eine Texttafel eingeblendet, die die Situation Missouris im Bürgerkrieg (als in der Union verbliebener Sklavenstaat, in dem es beträchtliche sezessionistische Sympathien gab) erläutert. Es wird viel Wert darauf gelegt, die Geographie korrekt wiederzugeben. Das führt mitunter zu kuriosen Dialogen, da die Charaktere in Form von Infodumps erläutern, an welchem Ort sie sich gerade befinden und wo sie hinwollen.

Aber da dies ein Spaghettiwestern ist, gibt es unweigerlich auch einen geographischen Patzer, der dann wieder einigen Unterhaltungswert hat: In einer Szene mit Clifford und Hank kommt eine Landkarte vor, die Missouri zeigen soll – auf der aber, unschwer erkennbar, Texas zu sehen ist. Auch sonst fallen solche Details in I giorni della violenza umso mehr auf, gerade weil der Film sich so historisch gibt: Die Waffen der Unionssoldaten sind anachronistisch, und die Drehorte im Latium sehen nun mal nicht wie Missouri aus. Die Außenszenen auf der Evans-Ranch wurden in der Tenuta delle Capannacce gefilmt, die in zahlreichen Italowestern als herrschaftliche Ranch oder Estanzia zu sehen ist. In diesem Fall fällt es mir leider schwer, den mediterran anmutenden Gutshof mit seinen weißgetünchten Wänden und Zypressenbäumen als in den Ozarks oder am Ufer des Big Muddy gelegen vorzustellen. Ein Blockhaus wäre passender gewesen.⁴ Hinzu kommt, dass ein Streifen wie dieser Massenszenen gebraucht (und wohl auch gern gehabt) hätte, das Budget diese aber nicht hergab. Jedenfalls sind in den meisten Einstellungen kaum mehr als ein Dutzend Statist*innen im Bild zu sehen.

So weit könnte I giorni delle violenza von der Handlung und den Figuren her ein Film sein, wie man ihn etwa von Andrew V. McLaglen kennt. Hinterrücks schleichen sich aber doch typische Spaghetti-Elemente in Form des Subplots um Johs und Butch ein. Letzterer entspricht der bekannten Figur des älteren Revolverhelden, der einen jungen Mann die Kunst des Tötens lehrt. Natürlich kommt es dann zur Konfrontation zwischen dem jüngeren und dem älteren Mann, deren Ausgang Genre-Kenner*innen nicht überraschen wird. Nello Pazzafini in der Rolle des ebenso jovialen wie amoralischen Bushwhacker-Hauptmanns ist das Mitglied des Casts, das in diesem Film am meisten hervorsticht und die stärksten Szenen hat. Hauptdarsteller Peter Lee Lawrence, von dem ja in der Regel (so auch hier) keine großen schauspielerischen Leistungen zu erwarten sind, wird von Pazzafini glatt an die Wand gespielt.

Von Pazzafinis sehenswertem Auftritt einmal abgesehen, stellt sich bei diesem Film die Frage: Wozu das ganze? Wie so oft bei Italowestern, die sich eng an US-amerikanische Vorbilder anlehnen, kommt er an Hollywood nicht heran, liefert aber auch nicht das, was man von einem gelungenen Spaghettiwestern erwartet.

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¹ Das war wohl ein Tippfehler und sollte eigentlich Josh heißen. Aber da er anscheinend niemandem aufgefallen ist, hat »Johs« es in den fertigen Film geschafft. Jedenfalls sprechen die Charaktere den Namen stets Dschoos aus.

² Harold Bradley war zunächst Footballspieler, ging aber Ende der fünfziger Jahre mit Hilfe eines Kunststipendiums nach Rom, um dort Malerei studieren. Nebenher organisierte er Folk-Konzerte und schauspielerte, wobei er überwiegend in Sandalenfilmen zu sehen war. Die Rolle des Nathan ist meines Wissens sein einziger Auftritt in einem Italowestern.

³ Sie sind sogar noch in einem so späten Beitrag zum Genre wie Bruno Matteis Trash-Film Scalps (1987) zu sehen.

⁴ Das Landgut ist unter dem Spitznamen Villa Mussolini bekannt, weil der Diktator es als Reiterhof benutzte. Für Fans, die sich gern mit den Drehorten der Italowestern beschäftigen, hat I giorni della violenza immerhin den Vorzug, dass die Bauten der Tenuta so häufig wie selten im Bild zu sehen sind.

12. November 2024

Trinità & Bambino ... e adesso tocca di noi (1995)

Deutscher Titel: Trinity und Babyface / Ein Begräbnis und die Auferstehung der vier Fäuste · Regie: Enzo Barboni · Drehbuch: Marco Barboni · Musik: Stefano Mainetti · Kamera: Juan Amorós · Schnitt: Antonio Siciliano · Produktion: Rialto Film, Trinidad Film.

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Über 20 Jahre nach Vier Fäuste für ein Halleluja trugen Bud Spencer und Terence Hill sich mit der Idee, es noch einmal mit einem gemeinsamen Western zu versuchen. Es heißt, dass Altmeister Enzo Barboni dabei gerne Regie geführt hätte. Allerdings konnten Spencer–Hill auf der einen und Barboni auf der anderen Seite sich nicht so recht einigen, wie das geplante Projekt genau aussehen sollte. Sie gingen getrennte Wege und machten je einen eigenen Film.

Bei Spencer und Hill kam Botte di Natale alias Die Troublemaker (1994) dabei heraus, eine Art Remake von Vier Fäuste, mit dem sie an den Kinokassen scheiterten – und ihrem gemeinsamen Werk den Todesstoß versetzten. Barboni dagegen drehte Trinità & Bambino als Fortsetzung von Vier Fäuste, aber ohne die Mitwirkung von Spencer und Hill. Beide Filmprojekte waren Familienunternehmen: Bei Botte di Natale führte Terence Hill Regie, verfasste sein Sohn Jess das Drehbuch, und Bud Spencers Sohn Giuseppe Pedersoli fungierte als Produzent. Das Script von Trinità & Bambino wiederum stammt von Barbonis Sohn Marco. Mit solchen familiären Verflechtungen im Spiel ist es schwerlich ein Wunder, dass beide Seiten sich nicht einig werden konnten ...

Was Vater und Sohn Barboni da umzusetzen versuchten, ist also ein Spencer-und-Hill-Film ohne Spencer und Hill. Damit ist man eigentlich schon an dem Punkt angelangt, an dem man vernünftigerweise hätte sagen müssen: Lasst es lieber. (Andererseits: Wenn in der italienischen Western-Industrie immer vernünftig gehandelt worden wäre, wohin hätte das geführt? Jedenfalls nicht zu dem Genre, das wir kennen und lieben.)

Die Barbonis hatten die Idee, einen Film über die Söhne von Trinity und Bambino zu machen, die natürlich ebenfalls Trinity und Bambino heißen und ähnliche Abenteuer wie ihre Väter erleben. Dazu sahen sie sich nach Darstellern um, die Hill und Spencer möglichst ähnlich sein sollten. Als Hill-Ersatz verfielen sie auf den TV-Schauspieler Heath Kizzier, als Spencer-Epigone musste der Football-Spieler Keith Neubert herhalten. Auffällig ist, wie Kizzier sich redlich bemüht, Hills schauspielerische quirks nachzuahmen, und damit doch immer wieder nur zu erkennen gibt, dass er eben nicht Hill ist. Aber immerhin. Neubert dagegen beschränkt sich – wenig überzeugend – darauf, steif im Bild herumzustehen und ab und an ein knurrendes Geräusch von sich zu geben.

Daran lässt sich beobachten: Hill ist natürlich, rein technisch gesehen, ein besserer Schauspieler als Spencer es war. Aber Spencer ist es, der letztlich unersetzbar ist. Tatsächlich ist Spencer ja an der Seite von Darstellern wie Giuliano Gemma und Tomas Milian aufgetreten, die Hill-ähnliche Rollen spielten. Umgekehrt wäre so etwas schwer vorstellbar. Terence Hill neben einem Spencer-Ersatz? No way.

Zur Handlung: Bambino Junior ist zum Tod am Galgen verurteilt. Trinity Junior ›leiht‹ sich die schwarze Berufskleidung des Henkers und befreit seinen Cousin. Eine kleine Auseinandersetzung des Duos mit dem großspurigen Revolvermann Stinger Smith (Jorge Bosso) wird von einem Mann namens Pablo (Renato Scarpa) beobachtet. Pablo ist der Dorfälteste von San Clementino, einem hispanischen Örtchen, das von den elf Ramírez-Brüdern (u.a. Renato D’Amore) terrorisiert wird. Er bittet die Cousins, Sheriff und Deputy von San Clementino zu werden, um die Dorfbewohner*innen vor den regelmäßigen Übergriffen zu schützen.

Wer bei diesem Plot an das Vorbild von The Magnificent Seven denkt, liegt nicht falsch. Aber auch Plot-Elemente von Lo chiamavano Trinità ... tauchen immer wieder auf. Die Leute von San Clementino mit ihrem Oberhaupt Pablo erinnern sehr an die Mormon*innen mit ihrem Anführer Tobias aus dem älteren Film. Ebenso gibt es in beiden Filmen einen reichen Pferdezüchter (hier gespielt von Siegfried Rauch) und einen Sheriff (hier gespielt von Ronald Nitschke), der hinter Bambino her ist. Die Barbonis geben sich allerdings durchaus Mühe, ihren Film nicht zu einer bloßen Kopie von Lo chiamavano Trinità ... ausarten zu lassen.

Die obligatorischen Prügelszenen sind gut choreographiert (besser als in der Parallelproduktion Botte di Natale). Auch der Wortwitz ist stellenweise nicht schlecht, etwa wenn Pablo den Namen von Stinger Smith in fehlerhaftem Englisch wie »Stinky Smith« ausspricht.¹

Eine nette Anspielung für Fans enthält Trinità & Bambino ebenfalls: Bambino Junior wird auf einem Steckbrief unter dem Namen Joe Brown gesucht. In Renegade, Barbonis letztem Film mit Hill, zieht dieser nicht in Begleitung von Spencer, sondern mit einem Pferd namens Joe Brown durch den Westen. Ein weiteres Easter Egg ist der Cameo-Auftritt von Jack Taylor, der Trinity Juniors Ziehvater spielt.

Ziemlich cringe sind die Szenen, in denen Kizzier und Neubert mit Bonita (Yvonne de Bark) und Scintilla (Fanny Cadeo), zwei Mädels aus San Clementino, flirten. Ähnlich der Score von Stefano Mainetti. Der erinnert so penetrant an die Erkennungsmelodien von Sitcoms oder TV-Cartoons, dass man manchmal befürchtet, die Charaktere würden anfangen, in die Kamera zu zwinkern und über ihre eigenen Witze zu lachen.

Insgesamt würde ich sagen: Trinità & Bambino hätte ein relativ gelungener Versuch sein können, den Prügelwestern der siebziger Jahre zu erneuern. Alle Stärken und Schwächen des Films ändern aber nichts an dem Grundproblem, dass hier zwei Typen 100 Minuten lang so tun, als wären sie Bud Spencer und Terence Hill, es aber nicht sind. Das ist der Punkt, an dem die Sache unweigerlich scheitert und der Film misslungen ist.

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¹ Ich muss zugeben, ich mag simplen, effektiven Humor. Sonst wäre ich ja auch kein Spencer-und-Hill-Fan.

8. November 2024

Geronimo (1962)

Deutscher Titel: Das letzte Kommando / Sein letztes Kommando · Regie: Arnold Laven · Drehbuch: Pat Fielder · Musik: Hugo Friedhofer · Kamera: Alex Phillips · Schnitt: Marsh Hendry · Produktion: Levy-Gardner-Laven.

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Geronimo (Chuck Connors) ergibt sich gemeinsam mit den letzten freien Apache der US-Kavallerie und lässt sich ins Reservat San Carlos in Arizona führen. Dort werden ihm und seinen Leuten gleich bei der Ankunft die Pferde abgenommen. Die bräuchten sie jetzt nicht mehr, erklärt der Indianeragent Burns (John Anderson), denn fortan würden sie vom Maisanbau leben. In San Carlos trifft Geronimo seinen alten Kumpel Mangus (Ross Martin), der sich mit den neuen Verhältnissen arrangieren will, und lernt Teela (Kamala Devi) kennen, die im Reservat aufgewachsen ist. Teela liebt Bücher und versucht, unter den Apache eine Art Alphabetisierungskampagne durchzuführen. Sie ist überzeugt, dass die Apache den Respekt der Weißen gewinnen würden, wenn sie Lesen und Schreiben lernen. Geronimo versetzt das alles in eine äußerst missmutige Stimmung.

Seine schlechte Laune ist auch alles andere als unbegründet. Burns lässt sich von dem Makler Kincaide (Joe Higgins) bestechen und gibt das Farmland der Apache zur Weidenutzung durch weiße Rancher frei. Als Gerüchte über Burns’ Korruption unter den Apache die Runde machen, sucht Geronimo den Agenten nachts in seinem Haus auf und nagelt ihm die Hand mit einem Brieföffner auf dem Schreibtisch fest. Anschließend holt er sich mit einer kleinen Gruppe rebellischer Apache, darunter der desillusionierte Mangus, die beschlagnahmten Pferde zurück und flieht nach Mexiko. Teela weigert sich mitzukommen und bleibt im Reservat. Mit der Verfolgung der Apache wird der rassistische Kavallerieoffizier Maynard (Pat Conway) beauftragt, der in Burns’ korrupte Machenschaften verwickelt ist. Es beginnt eine Hetzjagd, denn den Apache mangelt es an Munition und Lebensmitteln. Doch ihr Kampfeswille ist ungebrochen.

Auf dem Weg nach Mexiko beobachtet Geronimo eine weiße Siedlerin (Nancy Rodman), die ihren Sohn anhält, seine Schreibübungen zu machen. Das erinnert ihn an Teela und bringt ihn auf die Idee, eine bürgerliche Kleinfamilie zu gründen. Er schleicht sich ins Reservat, und diesmal ist Teela bereit, ihn zu begleiten – auf Basis eines Kompromisses: Die Apache sollen frei sein, aber trotzdem Lesen und Schreiben lernen.

John Fords Stagecoach ist vielleicht der beste Western aller Zeiten. Zugleich schrieb er ein fatales Bild Geronimos und der Apache fest: Während die höchst unterschiedlichen Individuen im Innern der dahinrasenden Postkutsche sich im Laufe des Films zu einer solidarischen Gesellschaft zusammenfinden, treten die Apache, die die Postkutsche verfolgen, erst gar nicht als Individuen in Erscheinung. Sie sind ein Teil der feindseligen Natur, die die Menschen in der Postkutsche bedroht, nicht anders als der eisige Wind, der Staub und der Wassermangel.

Auch in der Stummfilmzeit gab es schon zahlreiche Produktionen, welche die Indigenen Nordamerikas auf ähnliche Weise darstellten. Der älteste erhaltene Western überhaupt, Kidnapping by Indians (1899), zeigt den Versuch indigener Krieger, eine weiße Frau zu entführen. Es ist der erste von hunderten Filmen, in denen weiße Weiblichkeit durch Indigene bedroht wird. Aber die Sache war damals noch nicht ganz ausgemacht, denn auf der anderen Seite gab es indigene Leinwandstars wie Jesse Cornplanter und Lillian St. Cyr, die eine eigene Perspektive einbringen konnten. Die frühe Tonfilmzeit machte dieser Ambiguität ein Ende. Indigene Figuren, nun (bis auf wenige Ausnahmen) von weißen Darsteller*innen in Redface gespielt, wurden auf die Rollen des namenlosen Feindes, des edlen Wilden oder des unterwürfigen Helfers an der Seite weißer Pioniersfiguren reduziert.

Erst in den fünfziger Jahren regte sich in Teilen Hollywoods das schlechte Gewissen. Es entstanden »Indianerwestern« mit dem Anspruch, das stereotype Bild zu korrigieren – wobei nicht selten negative Stereotypen durch positive ersetzt wurden. Das betraf auch die Casting-Politik. Indigene Charaktere, die Sympathie erregen sollten, wurden mit weißen Publikumslieblingen wie Burt Lancaster, Audrey Hepburn oder Steve McQueen besetzt. Aus heutiger Sicht führt das auch bei solchen Filmen, die es mit ihrer Thematisierung des am indigenen Amerika begangenen Unrechts einigermaßen ernst meinen, zu einem gewissen Cringe-Faktor.

So auch bei Arnold Lavens Film. Die Rolle des Geronimo von einem blauäugigen Irish American wie Chuck Connors spielen zu lassen, ist schon eine ziemlich eigentümliche Entscheidung. Die weibliche Hauptrolle der Teela wurde hingegen mit der britischen Schauspielerin Kamala Devi besetzt, die indische Wurzeln hatte.¹ Wenn es einen Anlass für den »White people, still not knowing what an Indian is after 500 years«-Witz braucht, hier ist er.

Handelt es sich bei Geronimo denn um einen Film, der seine Thematik ernst meint? Es ist schwer zu sagen, nicht nur wegen der Besetzung der Hauptrollen. Einerseits geht der Film, gemessen an den Möglichkeiten des Jahres 1962, ziemlich weit, was die Charakterisierung seiner Schurken betrifft. Der Indianeragent Burns wird als bigotter Heuchler gezeigt, der mit der Bibel wedelnd die Apache mit frommen Sprüchen traktiert und zugleich Bestechungsgelder annimmt. Die Szene, in der Geronimo ihm die Hand, in der er normalerweise die Bibel hält, mit dem Brieföffner durchbohrt, ist deshalb sehr befriedigend. Auch der hasserfüllte Kavalleriehauptmann Maynard kriegt sein Fett weg. Der Dritte im Bunde der Antagonisten ist Henry (Claudio Brook), der glattzüngige Store-Betreiber des Reservats (dessen vorzüglicher Darsteller ruhig ein paar Szenen mehr haben könnte).²

Was dem Film bei seinen Schurken gelingt, misslingt ihm auf der Seite des Helden und seiner Geliebten. Geronimo lässt er ständig Sätze sagen, die sehr nach den Werten des liberalen Hollywood klingen, aber nicht gerade nach dem listigen Apache-Strategen, der drei Jahrzehnte lang die mexikanische und die US-Armee an der Nase herumführte. Ausgemacht komisch wird es, sobald Geronimo und Teela ein Paar sind. Ab da verwandeln sich weite Teile der Handlung in eine Art Tarzan-und-Jane-Geschichte, indem etwa Teela ihrem ahnungslosen bon sauvage erklärt, wie menschliche Fortpflanzung funktioniert – sie hat es in einem Buch gelesen. Bei Szenen wie dieser frage ich mich, ob sie nicht auch schon das Publikum von 1962 unwillkürlich zum Lachen brachten.

Am Ende geht im Film übrigens alles gut aus. Geronimos Verfolger geraten unter politischen Druck aus Washington, und ein junger Kavallerieleutnant (Adam West) überbringt einen neuen, besseren Friedensvertrag. Leider lief es in Wirklichkeit keineswegs so versöhnlich ab: Geronimos Leute wurden nach seiner endgültigen Kapitulation nach Florida deportiert, wo viele von ihnen sich mit Tuberkulose ansteckten und starben. Geronimo selber musste, ebenfalls in Florida, eine Haftstrafe absitzen. Dabei wurde er wie eine Ein-Mann-Völkerschau behandelt. Wer immer den berühmten Apache sehen wollte, wurde zu seiner Zelle vorgelassen und durfte ihn anglotzen.

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¹ Anders als für Geronimo, Mangus und ihren Verfolger Captain Maynard (der in Wirklichkeit Crawford hieß) gibt es für Teela meines Wissens kein direktes historisches Vorbild. Geronimo war im Laufe seines Lebens mit verschiedenen Frauen verheiratet.

² Geronimo wurde in Mexiko gedreht, und es treten neben Claudio Brook noch weitere mexikanische Schauspieler*innen auf, darunter Eduardo Noriega, Armando Silvestre und Mario Navarro.

30. Oktober 2024

Il momento di uccidere (1968)

Deutscher Titel: Django – Ein Sarg voll Blut · Regie: Giuliano Carnimeo · Drehbuch: Tito Carpi, Bruno Leder, Francesco Scardamaglia · Musik: Francesco De Masi · Kamera: Stelvio Massi · Schnitt: Renato Cinquini, Ornella Micheli · Produktion: Produzioni Cinematografiche Europee, Terra Filmkunst.

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Il momento di uccidere steht zu Unrecht im Ruf, ein langweiliger Film zu sein. Langweilige Italo-Western gibt es zu hunderten, aber dieser gehört nicht dazu. Es handelt es sich um Giuliano Carnimeos Regie-Debüt aus dem Jahre 1968, oder besser gesagt: sein echtes Debüt, denn Carnimeo wurde zuvor schon als Co-Regisseur von George Shermans Komödie Panic Button geführt. Il momento di uccidere ist ein Gothic Spaghetti, der zwar seine schwachen Momente hat (und welcher Euro-Western hat die nicht), aber immer interessant ist. Ihn als langweilig abzutun, wird ihm nicht gerecht.

Ein Jahr nach dem Ende des Bürgerkriegs sind die Revolverhelden Lord (George Hilton) und Bull¹ (Walter Barnes) unterwegs, um sich mit Richter Warren (Rudolf Schündler) zu treffen. Der erzählt ihnen eine unglaubliche Geschichte: Kurz vor Kriegsende geriet ein sezessionistischer Colonel an Goldbarren im Wert von 500.000 Dollar aus dem konföderierten Staatsschatz und verbarg sie an einem unbekannten Ort. Obwohl die Unionstruppen versuchten, ihm sein Geheimnis mit Gewalt zu entlocken, starb der Colonel, ohne das genaue Versteck des Schatzes verraten zu haben. Mehr zu erfahren ist nur mit Hilfe Reginas (Loni von Friedl), der Tochter des Colonels, und eines Gedichtes namens Camelot. Doch Regina, die im Rollstuhl sitzt, ist spurlos verschwunden.

Der Richter phantasiert davon, mit Hilfe des Goldes die Confederacy erneut erstehen zu lassen. Bevor er mehr erzählen kann, wird er aus dem Hinterhalt erschossen. Lord und Bull haben vermutlich prosaischere Motive als Warren, was das Gold betrifft, doch auch sie sind in Gefahr: Eine Rotte von Pistoleros ist hinter ihnen her und lauert ihnen immer wieder auf. Die Pistoleros stehen in den Diensten des aristokratischen Ranchers Forrester (Arturo Dominici) und seines Dandy-Sprösslings Jason (Horst Frank). Forrester ist kein anderer als der Bruder des verstorbenen Colonels. Bruder und Neffe sind ebenfalls hinter dem verlorenen Gold her und stehen im Verdacht, Regina entführt zu haben.

Lord und Bull schleichen sich nachts in das Anwesen der Forresters und finden in der Bibliothek tatsächlich ein Bändchen mit dem Titel Camelot. Nachdem sie Jason Forrester aus der Reserve locken, indem sie ihn gezielt demütigen, gelingt es ihnen auch, die gekidnappte Regina in ihrem Versteck aufzuspüren. Das Katz-und-Maus-Spiel mit den Forresters spitzt sich zu, bis es zur finalen Konfrontation in einem Schlachthaus kommt.²

Was bei Il momento di uccidere am meisten ins Auge sticht, ist die Arbeit des Kameramannes Stelvio Massi. Der erhielt viel Raum, um mit den ungewöhnlichen Einstellungen und Perspektiven zu experimentieren, die man von ihm kennt. Zu einem Streifen wie diesen, der überwiegend in Innenräumen und auf nächtlichen Straßen spielt, passt das perfekt. Auch Francesco De Masis Score fügt sich gut in das Sujet des Films ein.

Dominici und Frank sind als Vater-und-Sohn-Gespann mit leicht psychopathischem Touch und ausgeprägt ödipaler Beziehung (in der das Gold die Rolle der abwesenden Mutter einnimmt) mehr als angemessen besetzt. Weniger gelungen ist die Dynamik zwischen Hilton und Barnes. Letzterer wirkt etwas fehl am Platze in seiner Rolle als bärbeißiger Sidekick, oder besser gesagt: Zwischen ihm und Hilton stimmt die Chemie einfach nicht richtig. Im Grunde hätte Hilton den Film als alleiniger Protagonist bestreiten können, ohne das etwas gefehlt hätte.

Aber Il momento di uccidere ist ein Western mit Krimi-Handlung, und das bedeutete für Regisseur Carnimeo, dass die Hauptfigur die Rolle des Privatdetektivs einnimmt und einen Begleiter braucht, einen foil character nach dem Vorbild von Dr. Watson. Das ist völlig in Ordnung, es ist nur in diesem Film nicht sonderlich gut umgesetzt.³ Übrigens ist Il momento eine deutsch-italienische Koproduktion, und nördlich der Alpen zeigte man wenig Verständnis für Carnimeos Ideen, sondern setzte lieber auf Nummer sicher. Der Film wurde als Django-Streifen vermarktet und die Werbematerialien stellten George Hilton als Star in den Mittelpunkt.

Bemerkenswert ist, dass Walter Barnes in diesem Film eine Melone trägt und in einer Szene eine Faustschlagtechnik anwendet, die wenige Jahre später unter dem Namen »der Dampfhammer« legendär werden sollte. Gut vorstellbar, dass ein Kameramann namens Enzo Barboni diesen Film sah und daraus ein paar Ideen für sein zukünftiges Schaffen gewann. Das sollte aber (ebensowenig wie der eingangs angesprochene Vorwurf der Langweiligkeit) dazu verleiten, den Film als bloßen Vorläufer von Trinità und Bambino abzutun. Il momento di uccidere ist, wie gesagt, ein nicht immer gelungener, aber immer interessanter Gothic Spaghetti von großer Eigenständigkeit.

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¹ Was Bull betrifft, müsste man eigentlich von einem Schrotflintenhelden sprechen, denn das ist seine bevorzugte Waffe.

² Man beachte die Namen wie Camelot, Regina und Forrester: Die Königin (von Camelot?) wird von einem Förster entführt und gefangen gehalten – wie in einem Märchen. In der Artussage wird Königin Guinevere von Maleagant entführt und von Lancelot befreit. Für solche überraschenden Anspielungen liebe ich das Spaghetti-Genre. Allerdings: Wer hofft, in Il momento di uccidere werde es zu einer Liebesgeschichte à la Lancelot und Guinevere kommen, wird enttäuscht sein.

³ Im Jahr darauf versuchte Carnimeo es in Sono Sartana, il vostro becchino erneut mit dieser Formel. Gianni Garko übernahm die Sherlock-, Frank Wolff die Watson-Rolle. Auch hier war Tito Carpi als Drehbuchautor beteiligt.

25. Oktober 2024

The Man Who Came Back (2008)

Deutscher Titel: Der Mann, der Rache nahm / Slave Story · Regie: Glen Pitre · Drehbuch: Chuck Walker · Musik: Phil Marshall · Kamera: Stoeps Langensteiner · Schnitt: Matthew Booth, Simon Carmody · Produktion: Gudegast Braeden Productions.

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Thibodaux, Louisiana, Jahre nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs: Die Zeit der Reconstruction neigt sich dem Ende zu. Die weiße Pflanzeraristokratie hat ihre Macht erneut konsolidiert. Auf den Zuckerrohrplantagen arbeitet die schwarze Bevölkerung unter Bedingungen, die sich kaum von der Sklaverei unterscheiden.

Die Arbeiter*innen auf der Plantage von Richter Duke (George Kennedy) werden nicht in baren Dollars bezahlt, sondern in Gutscheinen, die sie nur in dem überteuerten company store des Richters einlösen können. Wenn sie die Plantage verlassen wollen, um sich anderswo Arbeit zu suchen, werden sie mit Gewalt daran gehindert. Als der Richter erneut die Lebensmittelpreise anzieht, treten die Arbeiter*innen in den Streik.

Als der weiße Vorarbeiter Reese Paxton (Eric Braeden) versucht, mäßigend auf den Boss einzuwirken, wird er kurzerhand gefeuert. Billy Duke (James Patrick Stuart), der Sohn des Richters, lyncht gemeinsam mit dem Sheriff (Armand Assante) und dem Pfarrer (Al Hayter) einen der streikenden Arbeiter. Anschließend beschuldigt er Reese, den Lynchmord begangen zu haben. Reese wird von einem kangaroo court unter dem Vorsitz des Richters angeklagt und aufgrund der Falschaussage der Pflanzerin Kate (Sean Young) verurteilt.

Reese wird in ein Straflager inmitten der Sümpfe verschleppt, wo der sadistische Gefängnisdirektor (Peter Jason) über Leben und Tod herrscht. Nachdem er Folter und Qualen aller Art überstehen muss, gelingt es Reese zu fliehen. Er kehrt nach Thibodaux zurück, wo Billy Duke inzwischen zum Bürgermeister gewählt wurde. Und Reese nimmt Rache: an den Dukes, an der meineidigen Kate, am Sheriff und am Pfarrer.

Wenn man will, kann man mit The Man Who Came Back Bingo spielen: Exploitation? Check. Es gibt nicht nur ausgedehnte Peitsch- und Lynchszenen auf der Plantage, sondern es wird auch genüsslich gezeigt, wie Reese im Straflager geprügelt, angepinkelt, an den Armen aufgehängt und beinahe ertränkt wird. So unglaubwürdige wie vorhersehbare Rachegeschichte? Check. Schließlich wird Reese von einem alternden Soap-Darsteller gespielt, bei dem man sich schon fragen kann, woher sein Charakter die Skills zum Überleben hat, die er für all das benötigt. White saviour narrative? Check. Der weiße Vorarbeiter ist der allein handlungsmächtige Held. 

The Man Who Came Back basiert lose auf einem historischen Ereignis: Im November 1887 kam es zu einem organisierten Massenstreik von schwarzen Arbeiter*innen auf louisianischen Zuckerrohrplantagen. 10.000 Menschen legten die Arbeit nieder. Die Pflanzeraristokratie reagierte mit brutaler Repression. Der Gouverneur Louisianas, selbst ein Pflanzer, mobilisierte Militär gegen die Streikenden. In der Stadt Thibodaux organisierte Richter Taylor Beattie das Peace and Order Committee, eine weiße Miliz, die 50 Menschen ermordete – Beattie ist das Vorbild für den Richter Duke des Films. Mit dem historischen Ablauf hat die Darstellung des Films allerdings kaum etwas gemein. Die Geschichte gibt lediglich den Hintergrund für die generische Rache-Story ab und legt wenig Wert auf Authentizität.

The Man Who Came Back ist also kein guter Film. Wirklich nicht. Aber er ist andererseits auch kein völlig schlechter Film. Dann nämlich, wenn man ihn mit zeitgenössischen Dixie-Geschichtspornos wie The Last Confederate (2007) oder Field of Lost Shoes (2014) vergleicht. Diese Filme sind nichts als lilienweißer Revisionismus, die dem konservativen Amerika mit ihrer Verharmlosung der Sklaverei schmeicheln wollen. Angesichts der Tatsache, dass es solche Machwerke überhaupt gibt, muss man The Man Who Came Back zugute halten: Er versucht wenigstens, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen. Die Dukes, der Sheriff, der Pfarrer und der Knastdirektor sind rassistische, ausbeuterische, brutale Arschlöcher und werden auch so gezeigt – ein von der neo-konföderalen Ideologie geprägter Film hätte hingegen patzig versucht, sie als Sympathieträger darzustellen. 

Interessanterweise ist The Man Who Came Back nicht anders als die genannten Lost-Cause-Filme ein vanity project, das von Hauptdarsteller Braeden gemeinsam mit seinem Sohn Christian Gudegast produziert wurde. Offenbar wollte Braeden auf seine alten Tage unbedingt noch mal einen athletischen Helden mimen. Um zusätzlich einen einigermaßen bekannten Namen vor das Vater-Sohn-Vehikel zu spannen, wurde Billy Zane engagiert, der eine komplett überflüssige Nebenrolle als einziger Yankee von Thibodaux spielt. Aber ich habe nun mal lieber ein vanity project, das sich (bei allen Unzulänglichkeiten) gegen die Ausbeutung und Versklavung von Menschen stellt, als eines, das Sklaverei und Herrenmenschentum glorifiziert.