6.1.22

La strada per Fort Alamo (1964)

Deutscher Titel: Der Ritt nach Alamo · Regie: Mario Bava · Drehbuch: Livia Contardi, Vincenzo Gicca Palli, Francesco Prosperi · Musik: Piero Umiliani · Kamera: Ubaldo Terzano · Schnitt: Mario Serandrei · Produktion: Protor Film, Achille Piazzi Produzioni, Comptoir Français du Film Production.

Der Südstaatler Bud¹ (Ken Clark) verlor seinen Lebensmittelpunkt, als Unionstruppen im Bürgerkrieg seine Farm niederbrannten. Seitdem streift er ziellos durch den Westen. Als er einen Haufen von Osage-Indigenen getöteter Kavalleristen findet, glaubt er an eine Wende in seinem Leben. Bei der Leiche eines Offiziers findet er einen Scheck über 150.000 Dollar – anscheinend waren die Soldaten unterwegs, um ausstehende Soldzahlungen abzuholen.

Bud freundet sich mit dem jungen Banditen Kincaid (Alberto Cevenini) an. Dessen Bande, geführt von Carson (Michel Lemoine), soll ihm helfen, den Scheck unauffällig zu Geld zu machen. Gekleidet in die Uniformen der toten Soldaten, betreten Bud und die Outlaws die Bank. Doch Carson erweist sich als unfähig, auch nur für einige Minuten in seiner Rolle zu bleiben. Als der Coup aufzufliegen droht, schießt er kurzerhand den Sheriff und eine unbeteiligte Bankkundin nieder.

Bud und Kincaid haben angesichts des Blutvergießens Gewissensbisse, worauf Carson sie unbewaffnet in der Einöde zurück lässt. Mit seinen restlichen Leuten und zwei Satteltaschen voller Geldscheine macht Carson sich davon.

Gerettet werden Bud und Kincaid von einem Konvoi, den Captain Hull (Antonio Gradoli) befehligt. Er besteht aus einer Gruppe von Offiziersfrauen und ihrer Eskorte, die das Gebiet der Osage durchqueren, um zum Kavalleriestützpunkt Fort Alamo zu gelangen. Hull ist ein aufgeblasener Kommisskopp und nicht bereit, angesichts der gefährlichen Umstände auch nur einen Millimeter von seiner geliebten militärischen Disziplin abzuweichen. Ebenfalls bei dem Konvoi befindet sich Janet (Jany Clair), die als Häftling nach Fort Alamo gebracht wird. Sie hat einen Soldaten getötet, der sie vergewaltigen wollte. Nun soll ihr vor einem Standgericht der Prozess gemacht werden. Janet und Bud kommen sich bald näher.

Der scharfsinnige Sergeant Warwick (Gustavo De Nardo) merkt schnell, dass Bud und Kincaid keine versprengten Soldaten sind, sondern verkleidete Gesetzlose. Aber er verrät sie nicht, denn ihm ist klar, dass sie über mehr frontier-Erfahrung verfügen als sämtliche anderen Mitglieder des Konvois. Und angesichts von Captain Hulls Ignoranz ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Wagenzug den Osage ausgeliefert ist. Warwicks Befürchtungen bestätigen sich, als auch Carson von dem Konvoi aufgegriffen wird. Er hat nur noch eine der beiden wertvollen Satteltaschen bei sich. Die andere ist den anrückenden Osage in die Hände gefallen ...

Mario Bavas Westernfilme genießen keinen guten Ruf: Der Regisseur, der in den Genres des Gothic Horror und des Giallo brillierte, habe sich im Westernbereich als völlig untalentiert erwiesen. Ich glaube, dass diese Einschätzung zumindest in Bezug auf La strada per Fort Alamo nicht zutrifft. Im Jahr 1964 hatte man in Italien gerade erst angefangen, Western zu produzieren. Der Erfolg der westdeutschen Karl-May-Filme seit 1962 hatte gezeigt, dass man in Europa überhaupt Wildwestfilme machen konnte. Daran wollte die italienische Filmindustrie anknüpfen, aber würde es funktionieren? Ein allzu großes Risiko wollte man vorerst nicht eingehen.

Angesichts dessen ist es nicht weiter verwunderlich, dass Mario Bava, als er einen der ersten italienischen Western drehte, mit dem Studio um jede einzelne Lira kämpfen musste. Dem Film ist das deutlich anzusehen. Eine Einstellung, die im Dunkeln spielen soll, wurde bei hellem Tageslicht gefilmt. Und die künstlichen Kakteen, die allenthalben in der Landschaft herumstehen, lassen die berüchtigten Styroporfelsen der Sandalenfilme geradezu naturalistisch wirken. Auch sonst zeigt der Film in zahlreichen Details mehr Enthusiasmus als Sachkenntnis.²

Den widrigen Umständen zum Trotz beweist Bava seine Eigenständigkeit, indem er das konventionelle Figurenarsenal des Kavalleriewesterns total gegen den Strich bürstet: Captain Hull ist kein braver Befehlshaber, sondern ein selbstgerechter Leuteschinder, der während des Bürgerkriegs degradiert wurde, weil er seine Truppen sinnlos ins feindliche Feuer hetzte. Die Offiziersgattinnen sind keine bodenständigen Siedlerfrauen, sondern verhalten sich hochnäsig und sind allein auf ihren Komfort bedacht. Carson versagt als Bandenchef völlig, indem er erst den heist in der Bank verpatzt und sich dann auch noch die Hälfte der Beute abjagen lässt. Nicht einmal Bud und Kincaid wirken als Held und Sidekick sonderlich souverän, sondern stolpern eher von einer verfänglichen Situation in die nächste.

Bavas Prinzip ist, Figuren zu zeigen, die den Herausforderungen der frontier schlicht nicht gewachsen sind. In einer Szene lässt er die Soldaten rätseln, warum die Osage Carson eine der Satteltaschen mit Geldscheinen abgenommen haben. Schließlich sei allgemein bekannt, dass Indianer mit Papiergeld nichts anfangen könnten. Aber es dauert nicht lang, bis die Osage-Krieger zeigen, dass sie doch etwas mit den Banknoten anfangen können: In der unvermeidlichen Konfrontation zwischen der Kavallerie und den Osage lagern die verfeindeten Gruppen an den entgegengesetzten Ufern eines Flusses. Die Osage lassen die Dollarscheine nach und nach den Fluss heruntertreiben, und immer wieder vermögen einzelne Soldaten der Gier nicht zu widerstehen, stürzen sich zum Wasser hinunter und geraten in die Schusslinie der Osage.

Im Grunde sind die einzigen Figuren, die wirklich gut davonkommen, die wehrhafte Janet und der bauernschlaue Sergeant Warwick – was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass sie Bud im finalen Duell mit Carson den Arsch retten.

Sergio Leones Per un pugno di dollari entstand etwa zeitgleich mit Bavas Film. Leones neuartige Ästhetik sorgte dafür, dass nahezu alle künftigen Italowestern ihm als Vorbild nacheiferten. Bavas Film ist dagegen noch frei von den Manierismen, die Leone etablierte. Anders als Leones Werk hätte La strada per Fort Alamo auch kaum ein eigenes Western-Subgenre etablieren können. Aber wer einen Film zu schätzen weiß, der mit eher unauffälliger Ironie die Hollywood-Vorbilder kommentiert, kann damit nicht falsch liegen.

¹ Die Namen der Figuren variieren je nach Synchronisation. Ich halte mich hier an die deutschsprachige Fassung des Films.

² Auf anziehende Weise komisch finde ich zum Beispiel, dass die Autor*innen des Films angesichts der zeitgenössischen Inflation der Lira augenscheinlich keine Vorstellung davon hatten, was für eine gewaltige Summe 150.000 US-Dollar im 19. Jahrhundert waren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen